# taz.de -- Die Wahrheit: Im Kindersoldatengarten | |
> Die Bundeswehr ist dank des unermüdlichen Einsatzes von Ursula von der | |
> Leyen familienfreundlicher geworden. Zu Besuch bei den Truppen-Kids von | |
> Bamako. | |
Bild: Für ihre Kinderfreundlichkeit ist die Bundeswehr inzwischen von Afghanis… | |
Unteroffizier Thomas Meier ist gerade dabei, einen Linseneintopf mit Wiener | |
Würstchen als Mittagessen für die Kleinen zuzubereiten, als direkt neben | |
der Bundeswehr-Kita Bamako eine Panzerabwehrgranate einschlägt und das | |
ganze Gelände in eine dichte Staubwolke hüllt. „Gauckseidank waren wir alle | |
hier drinnen im splittergeschützten Essensbereich und keiner wurde | |
verletzt. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich mit der | |
Rasselbande gerade im Wüstensandkasten gespielt hätte.“ Gerade noch mal gut | |
gegangen! | |
Ja, die Bundeswehr ist dank des unermüdlichen Einsatzes von | |
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen familienfreundlicher geworden. | |
Und das, entsprechend der gestiegenen Verantwortung Deutschlands, in | |
Krisenregionen rund um den Globus. Kitas in Afghanistan oder im Kosovo, | |
Wüstenkindergärten in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, | |
vielleicht auch bald ein Kiddie-Dschungelcamp auf Bali – den Sprösslingen | |
der Soldatinnen und Soldaten wird heutzutage einiges geboten. Aber das | |
Leben in exotischer Kulisse ist auch gefährlicher geworden. So wurden etwa | |
im Garten der Hindukusch-Tagesstätte Kundus schon von Al-Qaida-Kämpfern | |
vergrabene Tellerminen gefunden und gerade noch rechtzeitig entschärft. | |
„Natürlich sind das bedauerliche Zwischenfälle“, meint denn auch der | |
Sprecher des Verteidigungsministeriums, „aber wenn wir für die Truppe eine | |
bessere Vereinbarkeit von Dienst und Familie erreichen wollen, dann müssen | |
wir bis zu einem gewissem Grad auch ins Risiko gehen. Und die Kids unserer | |
Soldatinnen und Soldaten wissen auch, dass das Leben im Auslandseinsatz | |
kein Ponyhof ist.“ | |
So begrüßenswert es auch sein mag, dass die Bundeswehr ein attraktiverer | |
Arbeitgeber geworden ist – die Frage nach der Abwehrbereitschaft der | |
Streitkräfte darf nicht außen vor bleiben. Wie wirkt sich die Verbesserung | |
der Kinderbetreuung oder die Ausweitung der Teilzeitarbeit auf die | |
Einsatzfähigkeit der Bundeswehr aus – und damit auf ihre Kernkompetenz? | |
Oder anders gefragt: ist die war-life-balance der Truppe wirklich noch | |
sichergestellt? | |
Hierzu ein Blick hinter die Kulissen des Bundeswehralltags. Holger | |
Christensen, Oberst beim Kriseninterventionsteam IV, zur Zeit in Bamako, | |
Mali stationiert, kann ein traurig Lied von der stetig sinkenden Kampfkraft | |
der Truppe singen. Als er vor kurzem in höchster Eile ein Einsatzteam zur | |
Unterstützung der unter Beschuss geratenen Franzosen zusammenstellen | |
wollte, waren nicht einmal genügend Soldaten verfügbar. Ein Unteroffizier | |
war gerade mit der Krabbelgruppe in der Sahelzone unterwegs, ein Gefreiter | |
nahm die Elternzeit in Anspruch, drei Kameraden hatten ihren Dienstvertrag | |
auf Teilzeit umgestellt und waren nur von 9 bis 13 Uhr einsatzfähig, und zu | |
allem Überfluss hatte sich der Hubschrauberpilot kurzfristig in die | |
Eltern-Kind-Gruppe abgemeldet. Dass zwei Soldatinnen genau an diesem Tag | |
mit Magen-Darm-Problemen ausfielen – das Tiramisu vom Kindergeburtstag | |
hatte wohl ein bisschen zu lange in der prallen Sonne gestanden – spielte | |
dann auch schon keine Rolle mehr. Die Blamage war perfekt. | |
Entsprechend angesäuert musste Christensen den Einsatz canceln. „Gut, wir | |
sind wirklich arbeitnehmerfreundlicher geworden. Aber allein damit kannst | |
du im internationalen Kriseneinsatz keinen Blumentopf gewinnen“, resümiert | |
der hoch motivierte Rostocker die ernüchternden Ausfälle an diesem | |
schwarzen Freitag. | |
Einfache Lösungen sind angesichts der angespannten Personaldecke nicht in | |
Sicht. Ohne Kreativität und unkonventionelle Verwendung der vorhandenen | |
Ressourcen könnten unsere Jungs und Mädels in den Brennpunkten der Welt | |
gleich die Segel streichen. Wie trotz aller Engpässe die Schlagkraft der | |
Truppe aufrecht erhalten werden kann, exerziert gerade das | |
Pionier-Bataillon VI in Afghanistan vor: Dort hat die zuständige Betreuerin | |
der Kindertageskompanie mit den Kleinen so lange die Steuerung von | |
Modelldrohnen geübt, dass einige Kids schon sehr gut in der Lage sind, | |
echte Kampfdrohnen zu steuern und äußerst wirkungsvolle Einsätze zu | |
fliegen. Ein kreativer Ansatz zur Behebung des Personalmangels, der bald | |
auch in anderen Krisengebieten zur Anwendung kommen dürfte. | |
7 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Rüdiger Kind | |
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