# taz.de -- Die Wahrheit: Shoppy im Paradies | |
> Die Zukunft gehört dem teilautonomen Erlebniseinkauf, auch wenn der ab | |
> und an technisch noch schwächelt. Ein hochdekorierter Erfinder gibt nicht | |
> auf. | |
Bild: Bis zur Gänze ausgereift ist das System Shoppy3000 noch nicht - hier rol… | |
Als Professor Hugo Bartenschläger einmal die Sauerkonservenstraße des | |
Metro-Markts mit seinem voll beladenen Einkaufswagen entlanggefahren war, | |
hatte er einen anderen Einkaufswagen gerammt, woraufhin beide Gefährte samt | |
Ladung umgekippt waren. Becher mit Fruchtjoghurt zerplatzten, Orangen | |
rollten in alle Richtungen, und die Flasche Valpolicella, im Sonderangebot | |
zu 4,99 Euro, ging durch den Aufprall ebenfalls zu Bruch. | |
Doch Professor Bartenschläger wäre nicht der geniale Forscher und | |
hochdekorierte Erfinder, wenn er aus dem Malheur nicht wegweisende Schlüsse | |
gezogen hätte. Zwei Jahre nach dem unglückseligen Crash stellten er und | |
seine Studenten vom Institut für Fahrzeugentwicklung nun eine innovative | |
Shopping-Hilfe vor, die das Potenzial hat, den Einkauf im Supermarkt zu | |
revolutionieren. | |
Beim Shoppy3000, so der Name des Concept Shopping Cars, der im Rahmen der | |
diesjährigen Hannover Messe einem staunenden Fachpublikum präsentiert | |
wurde, übernehmen hochintelligente Fahrerassistenzsysteme Aufgaben, die | |
nicht nur zerstreute Professoren, sondern auch normale, gutwillige | |
Familienväter beim allsamstäglichen Großeinkauf überfordern. | |
Automatische Vordermann-Fersen-Abstandsregelung etwa oder | |
Spurhalteassistent in der Kassenschlange – Shoppy3000 reagiert schneller | |
und intelligenter als jeder Mensch. Meist weiß er auch besser, welche | |
Artikel für den Käufer optimal wären. So füttern Messfühler mit ihren | |
Informationen eine hochkomplexe Software, die in Nanosekundenbruchteilen | |
Schadstoffbelastungen bei holländischen Tomaten erkennt und ganz nebenbei | |
auch noch den Reifegrad des eben dem Kühlregal entnommenen | |
Rohmilch-Camemberts überprüft. | |
Radarsensoren und Videokameras warnen allzu unbedarfte Einkäufer mit einem | |
akustischen Signal vor überteuerten Lockvogel-Angeboten. Außerdem scannen | |
sie beim riskanten Überholvorgang den toten Winkel – mit dem | |
Kollisionswarnsystem des Shoppy3000 hätte Professor Bartenschläger niemals | |
einen Zusammenstoß mit einem anderen Einkaufswagen gehabt. | |
Doch nicht nur beim Thema Sicherheit im Supermarkt kann Shoppy punkten. | |
Ganz stark zeigt er sich auch beim Megatrend Connectivity. Der | |
Einkaufswagen ist mit einem hochmodernen Datenbus-System ausgerüstet: | |
Meldet die automatische Stau-Erkennung etwa eine Warteschlange an der | |
Wurst-Bedientheke, kann der Kunde erst seine anderen Einkäufe erledigen, | |
bevor er das Frei-Signal erhält und sich seinen Frischwurstaufschnitt ohne | |
lästige Warterei einpacken lassen kann. | |
Professor Bartenschlägers Einkaufswagenkonzept beschränkt sich natürlich | |
nicht nur auf die technische Ausrüstung –die Optik wurde ebenfalls den | |
hohen Ansprüchen einer verwöhnten Kundschaft angepasst. So ist der Griff | |
des Shoppy3000 mit Leder bezogen, das in einem speziellen Gerbverfahren | |
eine völlig natürliche, weiche und schmiegsame Haptik erhalten hat. „Wer | |
diesen Premium-Griff erst einmal angefasst hat, möchte ihn nicht mehr | |
loslassen und immer nur weiterschieben“, weiß der für das Design | |
verantwortliche Florian Jungblut. | |
Für Kunden, die jedoch anschließend den eigenhändigen Griff ins Regal als | |
vorgestrig ablehnen, hat Bartenschlägers Team auch schon die entsprechende | |
Hardware in petto. „Mittelfristig wird teilautonomes Einkaufen | |
selbstverständlich sein“, schwärmt der Professor. „Robot-Greifarme legen | |
dann die gewünschte Ware selbsttätig in den Wagen, während der Kunde an der | |
Café-Theke genüsslich seinen Cappuccino schlürft. Die Einkaufsliste muss | |
nur vorher mit einem USB-Stick in den Shoppy3000 flugs eingelesen werden.“ | |
Dass die Sache aber auch ihre Tücken hat und schon mal gehörig aus dem | |
Ruder laufen kann, musste Bartenschläger bei einer Test-Vorführung im | |
C&C-Markt Erlangen leidvoll erfahren. Aus bislang noch ungeklärten Gründen | |
rammte Shoppy nach vorbildhaftem Einkauf das Süßigkeitenregal an der Kasse, | |
fuhr dabei einen Dreijährigen zuschanden und begann, entgegen seiner | |
Programmierung, die sogenannte Quengelware gleich fuderweise auf das | |
überfüllte Transportband zu packen. Zwar versuchte Bartenschläger | |
augenblicklich das Gefährt gänzlich manuell zu steuern, doch Shoppy | |
vermeldete bloß einen schweren Ausnahmefehler, piepte wie verrückt und | |
trommelte mit seinen Greifarmen auf den Boden. | |
Als der Professor und dreifache Vater wenigstens die teuren Süßwaren vom | |
Band ziehen wollte, wandte sich Shoppy3000 gegen seinen Schöpfer, griff | |
nach einer Kokosnuss aus biologischem Anbau und schlug damit auf den | |
Pionier des teilautonomen Erlebniseinkaufs ein. Zumindest Teile des Systems | |
scheinen doch noch gehörig in den Kinderschuhen zu stecken. | |
29 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Rüdiger Kind | |
## TAGS | |
Einkaufen | |
Konsumverhalten | |
Technik | |
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