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# taz.de -- Mühen der Inklusion: Weniger Begleitung
> Hamburger Bildungshaus kürzt die Begleitung für verhaltensauffällige
> Kinder- laut Behörde aber nicht, um zu sparen.
Bild: Hamburg spart nicht an der Inklusion, sondern kürzt nur.
HAMBURG taz | Manchmal rastet einer aus: „Beim Mittag wurde einem Kind
beinahe eine Gabel ins Auge gerammt“, sagt Ulrike Kloiber. Die Pädagogin
ist Teil des Leitungsteams im „Bildungshaus Lurup“ im gleichnamigen
Hamburger Stadtteil. Für fünf stark verhaltensauffällige Kinder, die dort
zur Grundschule gehen, bringt der Beginn der Sommerferien schlechte
Neuigkeiten: Im neuen Schuljahr werden sie wohl nicht mehr die selbe
Betreuung erfahren wie bisher.
Der Umfang ihrer Schulbegleitung wird stark gekürzt, von 40 Stunden die
Woche auf nur noch zehn. „Wenn das so kommt, können wir die Kinder am
Nachmittag nicht mehr betreuen“, sagt Kloiber. Das stelle die berufstätigen
Eltern vor ein großes Problem.
Es handele sich um Kinder, die teilweise aus der Kinder- und
Jugendpsychiatrie kommen. Sie haben eine starke Form von
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und stellen eine
mögliche Gefahr für sich selbst und für andere dar. „Den Lehrern werden
ihre Klassen um die Ohren fliegen“, so Kloiber. Deshalb brauche sie für
diese Kinder qualifizierte Heilpädagogen, die permanent dabei sind – und
wenn nötig intervenieren.
Das „Bildungshaus“ vereint Kita, Hort, Grundschule und Eltern-Kind-Zentrum
unter einem Dach. Seit drei Jahren geht die Tochter von Petra Kaiser* dort
zur Schule. Die neunjährige Nina* habe starke ADHS. „Sie ist
überdurchschnittlich intelligent, aber steht sich selber im Weg“, sagt die
Mutter. „Wenn Nina niemanden hat, der ihr sagt, ’da liegt der Stift‘, dann
kriegt sie einen Flash, weil sie den Stift nicht findet.“
Die Schulbegleiterin verstehe es, ihre Tochter zu beruhigen und
aufzufangen. „Ohne diese Begleitung wird meine Tochter isoliert zu Hause
sein und ihrer Möglichkeiten beraubt“, sagt Kaiser. Sie werde sie wohl
ständig abholen müssen, sagt die Mutter – „oder gleich auf eine Schule f�…
Behinderte schicken“.
In Hamburg hat jedes Kind das Recht, eine Regelschule zu besuchen. Ein
wichtiger Bestandteil für diesen inklusiven Unterricht ist die individuelle
Schulbegleitung, auf die Kinder Anspruch haben. Bisher mussten dafür die
Eltern einen Antrag stellen und sich selbst eine Begleitung suchen.
Weil dies viele Eltern überforderte, gibt es seit Jahresanfang ein
zentralisiertes Verfahren: Für Kinder wie Nina, die Förderbedarf in der
emotionalen und sozialen Entwicklung haben – „EUSE“ genannt – beantragt…
die Schule die Begleitung bei den städtischen „Regionalen Bildungs- und
Beratungszentren“. Diese wiederum haben ein Budget, dass sie verteilen
können.
„Von einer Kürzung kann keine Rede sein“, lässt SPD-Schulsenator Ties Rabe
über seinen Sprecher Peter Albrecht verkünden. Man habe den Etat für die
Begleitung von EUSE-Kindern sogar erhöht: von 3,5 auf fünf Millionen Euro.
Zugleich werde „drauf geachtet, dass Schulbegleiter für wirklich bedürftige
Kinder zugewiesen werden“. Dem Luruper Haus stünden mehr Mittel zur
Verfügung als anderen Schulen. Gebe es einen Härtefall, müsse man das
Gespräch suchen.
„Rabes Konzept für die Schulbegleitung ist das Gegenteil von Inklusion“,
sagt dagegen die Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg. Kinder dürften die
Schule nicht nur vormittags besuchen können – oder gar auf Sondergruppen
abgeschoben werden. Von Berg zufolge geht es ums Geld: Während Eltern
früher oft zögerten, einen Antrag zu stellen, sei der Bedarf nun, da die
Schulen ihn melden, stark gestiegen. „Aber das Budget ist nicht mehr
geworden“, sagt die Grüne.
Aus Schulleiter-Kreisen ist zu hören, die Zahl der Anträge sei von rund 800
auf über 2.000 hochgeschnellt. Die Schulbehörde mochte das am Donnerstag
nicht bestätigen. Stefanie von Berg hat nun den Senat gefragt, für welche
Kinder die Schulen einen Bedarf anmeldeten – und was daraus wurde.
* Name geändert
11 Jul 2014
## AUTOREN
Kaija Kutter
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