# taz.de -- Urteil des Bundessozialgerichts: Volle Sozialhilfe für Behinderte | |
> Behinderten und pflegebedürftigen Sozialhilfeempfängern, die in | |
> Gemeinschaftshaushalten leben, darf die Leistung nicht auf 80 Prozent | |
> gekürzt werden. | |
Bild: Demo für Rechte von Behinderten: die Pride Parade 2014 in Berlin | |
KASSEL afp | Behinderte und Pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger bekommen | |
auch dann den vollen Regelsatz, wenn sie im Haushalt von Freunden oder | |
Angehörigen versorgt werden. Die verbreitete Kürzung der Leistungen auf 80 | |
Prozent ist verfassungswidrig, wie am Mittwoch das Bundessozialgericht | |
(BSG) in Kassel entschied. | |
Zum Jahresbeginn 2011 wurde die Sozialhilfe neu geordnet. Unter anderem | |
wurde eine neue „Regelbedarfsstufe 3“ für Erwachsene eingeführt, die weder | |
einen eigenen Haushalt führen noch in einer Ehe oder festen Partnerschaft | |
leben. Sie erhalten dann nur 80 Prozent des vollen Sozialhilfesatzes, | |
derzeit 313 statt 391 Euro. Betroffen waren vor allem Pflegebedürftige | |
sowie nach Schätzung der Bundesvereinigung Lebenshilfe allein 30.000 bis | |
40.000 behinderte Menschen. Die Behörden gehen davon aus, dass sie keinen | |
eigenen Haushalt führen nur wenig zum gemeinsamen Haushalt beitragen. | |
Wie nun das BSG betonte, ist es aber weder mit dem Grundgesetz noch mit der | |
UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar, wenn Sozialhilfeleistungen von | |
den individuellen Fähigkeiten in einer Haushaltsgemeinschaft abhängen. Es | |
müsse für die vollen Sozialhilfeleistungen ausreichen, wenn Menschen sich | |
„im Rahmen der jeweiligen geistig-seelischen und körperlichen | |
Leistungsfähigkeit“ an der Haushaltsführung beteiligen. | |
Geklagt hatten eine pflegebedürftige Frau, die von einer Freundin versorgt | |
wird, sowie zwei geistig Behinderte, die bei ihren jeweiligen Müttern | |
leben. Das BSG verwies die drei Fälle zur weiteren Klärung an das jeweilige | |
Sozialgericht zurück. | |
Die „Regelbedarfsstufe 3“ komme nur in wenigen Fällen in Betracht, bei | |
denen Menschen keinerlei Beitrag zum gemeinsamen Haushalt leisten und auch | |
sonst quasi neben den anderen Bewohnern her leben, betonte das BSG. Ob dies | |
– etwa im Fall von Komapatienten – mit dem Grundgesetz vereinbar ist, | |
bleibt nach den Kasseler Urteilen offen. | |
23 Jul 2014 | |
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