| # taz.de -- Inklusion an Schulen: Henri wiederholt die vierte Klasse | |
| > Die Diskussion um die Schulkarriere des elfjährigen Henri mit Downsyndrom | |
| > endet mit einer Überraschung: Er bleibt zunächst auf der Grundschule. | |
| Bild: Wurde vom Gymnasium abgelehnt: Henri, elf Jahre, Down-Syndrom. | |
| WALLDORF taz | Entscheidung aufgeschoben: Henri, ein Junge mit Downsyndrom | |
| aus dem baden-württembergischen Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis), wiederholt | |
| die vierte Klasse der Grundschule. Wie am Wochenende bekannt wurde, haben | |
| sich die Eltern in Gesprächen mit der Schulverwaltung auf diese Lösung | |
| geeinigt. | |
| Er muss sich von seinen Freunden trennen, behält aber das gewohnte Umfeld | |
| an der Grundschule, argumentiert seine Mutter Kirsten Ehrhardt. Sie als | |
| Eltern hätten diese Lösung beantragt und sehen darin keineswegs einen | |
| Rückschritt oder Stillstand für ihren Sohn. „Wenn das schlecht für ihn | |
| wäre, hätten wir uns nicht einvernehmlich mit der Grundschule und der | |
| Sonderschule so entschieden.“ Henri lerne ohnehin auf seinem eigenen | |
| Niveau, egal welche Schule er besuche. | |
| Vorausgegangen war eine wochenlange bundesweit geführte Debatte um die | |
| Schulkarriere des Elfjährigen. Henri sollte nach dem Wunsch seiner Eltern | |
| mit einigen Kindern seiner Grundschulklasse aufs Gymnasium wechseln. Doch | |
| dort wurde er abgelehnt, wie auch von der Realschule in Walldorf. Daraufhin | |
| hat sich eine bundesweite Debatte um die Frage entwickelt, ob ein Gymnasium | |
| der richtige Ort für ein Kind mit geistiger Behinderung ist – und ob | |
| Inklusion Grenzen hat. | |
| Dass diese Diskussion entstanden ist, sei gut, aber nicht ihr Ziel gewesen, | |
| sagt Henris Mutter. „Wir wollten unseren Sohn auf das Gymnasium schicken. | |
| Dieses Ziel haben wir nicht erreicht.“ Kirsten Ehrhardt und ihr Mann | |
| Norbert Hirt hatten von der Politik ein Machtwort verlangt: Die Schulen | |
| seien durch die EU-Behindertenrechtskonvention gezwungen, sich für | |
| Inklusion zu öffnen – auch das Gymnasium in Walldorf. | |
| ## Zieldifferenter Unterricht | |
| Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat den Schulversuch mit Henri entgegen | |
| des Elternwunsches zwar nicht verordnet, dem Gymnasium aber aufgetragen, | |
| bis zum nächsten Schuljahr für solche Fälle vorbereitet zu sein. Zu dem | |
| Fall Henri macht das Kultusministerium allerdings keine Angaben mehr – aus | |
| Gründen des Datenschutzes, heißt es. | |
| Zum Schuljahr 2015/16 wird in Baden-Württemberg voraussichtlich ein neues | |
| Schulgesetz in Kraft treten. Das Kultusministerium will damit | |
| zieldifferenten Unterricht möglich machen. Das heißt, dass auch Schüler, | |
| die das Abitur nie erreichen werden, ein Gymnasium besuchen können. | |
| Allerdings wird vom Kultusministerium betont, dass es auch dann kein | |
| Elternwahlrecht gibt, auf welche Schule genau sie ihr Kind schicken wollen. | |
| Kirsten Ehrhardt will sich zu Spekulationen darüber, ob sie darauf wartet, | |
| dass sich das Gymnasium im nächsten Jahr für Inklusion öffnen muss, nicht | |
| äußern. „Wir wollen Henri ein weiteres glückliches Schuljahr bescheren, | |
| Spekulationen sind da kontraproduktiv.“ Für sie ist es zunächst wichtig, | |
| dass Henri weiterhin an der Regelgrundschule „mittendrin“ ist. Nach dem | |
| nächsten Schuljahr ist er allerdings gezwungen, die Grundschule zu | |
| verlassen. | |
| Die Entscheidung, Henri die vierte Klasse wiederholen zu lassen, hält die | |
| Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW für „nicht ganz | |
| nachvollziehbar“. Das sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Henris Eltern | |
| hatten immer damit argumentiert, er wolle mit seinen Freunden | |
| zusammenbleiben. Wenn er nun auf der Grundschule bleibe, so Moritz, „dann | |
| hat er seine Bezugsgruppe auch nicht mehr“. | |
| 20 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Müssigmann | |
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