# taz.de -- Musiksommer: „Grenzen ignorieren“ | |
> Der neue Chef des Schleswig-Holstein Musik Festivals hat die Landpartien | |
> ausgeweitet und die Hamburger Spielorte reduziert. Das sei aber kein | |
> Abgesang, sagt er. | |
Bild: Auch dabei beim Schleswig-Holstein Musik Festival: US-Vokalkünstler Bobb… | |
HAMBURG taz | „Ich ermutige uns immer, die Grenze zwischen Hamburg und | |
Schleswig-Holstein nicht zur Kenntnis zu nehmen.“ Denn Ländergrenzen | |
widersprächen dem Universalitätsanspruch von Musik, findet Christian Kuhnt, | |
Chef des derzeit laufenden Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF). | |
Seit seiner Gründung 1986 ist das SHMF damit gut gefahren: Zwar fanden | |
stets die meisten Konzerte in Schleswig-Holstein statt – aber eben immer | |
auch welche in Niedersachsen, Dänemark und Hamburg. Auffällig war, dass | |
Kuhnts Vorgänger Rolf Beck in den letzten Jahren den „Spielort Hamburg“ | |
ausbaute – genauer: mit zunehmendem Schwung der Debatte um die | |
Elbphilharmonie. Beinahe so, als habe er deren Intendanten Christoph | |
Lieben-Seutter, das Revier streitig machen wollen. Noch im vergangenen Jahr | |
gastierte das SHMF an zwölf Hamburger Spielstätten, unter anderem in einem | |
Flughafen-Hangar. | |
Damit ist jetzt Schluss: Konzerte stehen dieses Jahr nur noch an sechs | |
Hamburger Orten auf dem Programm, zwei davon in dieser Woche: Der | |
US-Vokalkünstler Bobby McFerrin tritt in der Laeiszhalle auf, DJ Phono – | |
Konzeptkünstler und Tour-DJ der Band Deichkind – schon weniger | |
konventionell in der S-Bahn-Station des Flughafens. Sie liegt unter | |
Terminals und Hangars, man könnte das als Understatement deuten – oder eben | |
als Verzweiflungstat eines Kronprinzen, der seinen Vorgänger schwer | |
überbieten kann. | |
Vielleicht bedeutet das S-Bahn-Konzert aber auch eine Abkehr vom | |
Spektakulären: Statt gelangweilte Bildungsbürger mit Jazz in einen Hangar | |
zu locken, setzt Kuhnt eine Party im Underground aufs Festivalprogramm. Für | |
eine junge Zielgruppe, die er grundsätzlich lieber „in Ruhe lassen“ möcht… | |
wie er sagt. | |
Denn Kuhnt möchte sich nicht anbiedern, sondern zur Uridee namens | |
„Landpartie“ zurück: Vorgänger Beck hatte diesen Aspekt 2010 rigoros | |
heruntergefahren, als die Subventionen von 1,7 auf 1,2 Millionen sanken. | |
Kuhnt stockt wieder auf: Statt dreier hat er fünf „Musikfeste auf dem | |
Lande“ geplant. Eine Kompensation für die reduzierte Großstadt-Präsenz sei | |
das nicht: „Hamburg bleibt als Spielort interessant.“ | |
Alles in allem bietet Kuhnt mit 168 Konzerten 50 mehr als Beck, unter | |
anderem durch Mehrfach-Bespielungen und neu akquirierte Orte. Andere sind | |
„nach einer Pause“ wieder dabei. Warum sie ausscherten, bleibt offen; fest | |
steht allerdings, dass Beck, der gern auf Konfrontation setzte, 2013 recht | |
barsch über sein Vertragsende informiert wurde. | |
Kuhnt kommentiert das so wenig wie die Frage nach Defiziten in Hamburgs | |
Musikleben. Dort stieg kürzlich das erste Elbphilharmonie-Musikfest, das | |
nur „Musikfest“ hieß, um nicht als Platzhirsch zu gelten. In diesem | |
moderierenden Ansatz ähneln sich Kuhnt und Lieben-Seutter. Denn auch Kuhnt | |
sagt: „Wir agieren nicht gegen jemanden, sondern für die Musik.“ | |
## ■ SHMF diese Woche in Hamburg: Bobby McFerrin: 14. 7., Laeiszhalle, DJ | |
Phono: 19. 7., S-Bahn-Station Hamburg Airport | |
11 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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