# taz.de -- Musikfestival in Montreux: Die Götter des Jazz | |
> Jazz ist aus der Mode gekommen, aber zum Festival von Montreux pilgern | |
> Tausende. Dessen Video-Archiv ist Unesco-Weltkulturerbe. | |
Bild: Stevie Wonder auf dem 48. Jazzfestival in Montreux. | |
Das Jazz Café gleich neben dem Belle-Époque-Hotel Montreux Palace in der | |
Avenue Claude Nobs 2 ist an diesem Morgen leer. Nur ein Pärchen ist vor dem | |
Regen auf die Couchecke rund um einen falschen offenen Kamin geflüchtet. | |
Ein eleganter, moderner Ort mit Schwarz-Weiß-Fotos der Jazzszene. Nina | |
Simon, Ella Fitzgerald, Count Basie, Marwin Gaye, Al Jarreau – sie alle | |
waren in Montreux. | |
In Vitrinen liegen eine angeschlagene Trompete, ein Notenheft, alte Poster | |
– Devotionalien rund um das Montreux Jazz Festival. Es findet jedes Jahr im | |
Juli 16 Tage lang statt. Auf Flachbildschirmen an den Wänden des Cafés | |
läuft ein Video des Trompeters Miles Davis. Es ist Miles Davis’ | |
allerletzter Auftritt, 1991 hier in Montreux. | |
Das Jazz Café in Montreux ist eine Edelmarke mit Zukunft: Denn nur dort | |
werden die Archivaufnahmen des Montreux Festivals gezeigt. Jeder Ton, der | |
hier je gejammt wurde, ist archiviert. 1991 begannen die Aufzeichnungen in | |
HD. Das Archiv umfasst heute 10.000 Bänder mit mehr als 5.000 Stunden | |
Konzertaufnahmen, die seit der Gründung des Festivals 1967 gemacht wurden. | |
2013 wurde das Archiv zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Inzwischen gibt es | |
weitere Jazz Cafés am Genfer Flughafen, im Harrods in London und bald auch | |
im kulturhungrigen Abu Dhabi. | |
1967 gründete Claude Nobs das legendäre Jazz Festival in Montreux. Charles | |
Lloyd, Keith Jarrett, Ron McClure und Jack DeJohnette kamen. Der gelernte | |
Koch Nobs war 31 Jahre alt und inzwischen Direktor des Schweizer | |
Fremdenverkehrsamts in Montreux. Er suchte und fand den Kontakt zu den | |
Größen aus Jazz, Klassik und Pop. Er holte sie alle nach Montreux. Und | |
manche blieben: Freddy Mercury und David Bowie, beide lebten auch hier in | |
der privilegiert-schönen Schweiz. | |
Nobs wollte mit seiner Leidenschaft, seinem Festival die tote Sommersaison | |
in Montreux beleben. Es wurde und ist ein Erfolg, weit über die Schweiz | |
hinaus. „Wir haben dieses Jahr rund 210.000 Besucher. 48 Prozent kommen aus | |
dem Ausland, aus 148 verschiedenen Nationen“, sagt François Michel, der | |
heutige Direktor des Tourismusbüros. Nobs scherte sich nicht um E und U, | |
Jazz oder Nichtjazz. Es ging ihm darum, den Jazz zu öffnen. Ein | |
musikalischer Gemischtwarenladen. Und das war gut so. Jazz kam aus der | |
Mode, aber das Festival blieb. | |
## Stevie Wonder-Konzert ausverkauft | |
Über 100 MusikerInnen traten beim diesjährigen Festival von 4. bis 19. Juli | |
auf den drei Bühnen, Stravinski, Club und Lab, auf, darunter Pharrell | |
Williams, Amy MacDonald und Jamie Cullum. Vor 4.000 Fans, die bis zu 450 | |
Franken berappten, spielte Stevie Wonder zwei Stunden lang in der | |
ausverkauften Stravinski-Halle. Auch zu Ehren des 2013 verstorbenen | |
Festivalgründers Nobs. Dieser hatte zu Lebzeiten vergeblich versucht den | |
64-jährigen Wonder für Montreux zu gewinnen. | |
Die exklusive Klientel, die idyllische Kulisse am Genfersee – Montreux muss | |
man sich leisten können. Als Ausgleich zu den teuren Konzerten | |
internationaler Stars im modernen Auditorium Stravinski, dort, wo das alte | |
Casino stand, wo einst alles anfing, bietet das Festival auch ein | |
Gratisprogramm. Newcomer und Underground-Acts, Salsa, Techno lassen | |
Musikliebhaber weltweit hierher pilgern. Auf dem Boot, im Zug oder im | |
Schloss Chillon – überall wird gejammt. | |
Für Musiker ist Montreux längst ein mystischer Ort: An der Seepromenade mit | |
ihrem Blick auf schneebedeckte Gipfel und den mediterranen Palmen, Pinien | |
und bunt blühenden Rhododendren stehen die Statuen seiner Götter: Miles | |
Davis, Ella Fitzgerald, Aretha Franklin, B. B. King und Ray Charles, die | |
großen Jazzlegenden. | |
28 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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