# taz.de -- Kommentar nationale Identität: Fußball, Spionage und das Kollektiv | |
> Deutschlands aggressive Führungsrolle in der Welt wird als Verantwortung | |
> ausgegeben. Doch eine dezente Rhetorik ist noch längst keine | |
> Bescheidenheit. | |
Bild: Zum Fürchten: Hier hat jemand Deutschland ganz tief verinnerlicht. | |
Löws Elf ist Weltmeister, und Deutschlands Medien diskutieren mal wieder | |
die deutsche Führungsrolle in der Welt. Dabei wird „Führung“ rhetorisch zu | |
„Verantwortung“ weichgespült und gefragt: „Soll Deutschland mehr | |
Verantwortung übernehmen?“ | |
Neu ist, dass sich die Regierung erstmals für einen Moment zumindest | |
symbolisch souverän gegenüber den Übergriffen der CIA zeigte und einen | |
wichtigen Amerikaner zur Heimreise aufforderte. Wir haben es mit einer | |
grellen Mischung zu tun: kollektive Identität, Fifa-Fußball und Spionage. | |
Zeit, zu sortieren. | |
Zunächst ist es bizarr, anlässlich einer so antidemokratischen | |
Veranstaltung wie der WM „nationale Verantwortung“ zu diskutieren, | |
zumindest wenn damit die Sorge für mehr Gerechtigkeit, also Demokratie | |
gemeint ist. Immerhin fußt der Fifa-Fußball auf dem Gegenteil: der | |
Kriminalisierung, Vertreibung und Exklusion der Armen und der Bereicherung | |
der Reichen. | |
Die Abschaffung der kostengünstigen Stehplätze im einst legendären | |
Maracanã-Stadion ist dafür beispielhaft. Das alles ist bekannt, doch wenn | |
Deutschland seine Identität diskutiert, spielen Fakten keine Rolle mehr. | |
## Demokratie von unten | |
So wird auch vergessen, dass die Bundesrepublik längst eine internationale | |
Führungsrolle einnimmt, in Sachen Ökonomie. In Krisengebiete werden | |
routiniert Waffen geliefert, und mit Sanktionen etwa gegen Russland hält | |
man sich zurück, was unter anderem Siemens freut. Die Rede von der | |
Bescheidenheit ist also falsch. | |
Richtig ist, dass die aggressive Verteidigung von Wirtschaftsinteressen mit | |
keiner Großmachtrhetorik verbunden wird. Auf der verbalen Ebene bleibt man | |
dezent, denn diese Geschichtslektion wurde gelernt. Dezenz ist aber etwas | |
anderes als Bescheidenheit. | |
Was nun könnte ein Mehr an politischer Verantwortung in der Welt bedeuten? | |
Jetzt gilt es, über Geld zu sprechen. Deutschland gibt gemessen an seiner | |
Wirtschaftsmacht verschwindend wenig für den Aufbau von Zivilgesellschaft | |
im Ausland aus. Doch Demokratie von unten ist das einzige Bollwerk gegen | |
Kriege und die Ausplünderung der Gesellschaften durch die Eliten. | |
Wer will, dass Deutschland für mehr Demokratie in der Welt sorgt, der muss | |
die Regierung fragen: Mit wie viel Prozent vom Bruttoinlandsprodukt | |
unterstützt ihr zukünftig Zivilgesellschaften in und außerhalb Europas? | |
Oder einfach den Mund halten. | |
14 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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