# taz.de -- Pro und Contra #Gauchogate: Dürfen Deutsche so feiern? | |
> „So gehen die Gauchos“ – geht gar nicht? Oder gar nicht schlimm? Zwei | |
> Positionen zum Weltmeister-Siegestanz der deutschen Mannschaft. | |
Bild: Weltmeister, der nach Kegelclub klingt? | |
## Harmlos | |
Am schönsten gefeiert haben die Kolumbianer. Ihre Tortänze hatten | |
[1][Groove und Charme], und man kann sich gut vorstellen, was in Bogotá los | |
gewesen wäre, hätte es für den Titel gereicht. Schon so wurde ausschweifend | |
gefeiert. Nach dem Sieg über Uruguay etwa, als in Bogotá [2][acht Menschen | |
starben]. | |
Bei der Feier in Berlin gab es weder Groove noch Tote. Aber einen Skandal. | |
[3][#GauchoGate], ausgelöst vom [4][Spott-Tanz] der Nationalspieler Götze, | |
Klose, Kroos, Schürrle, Mustafi und Weidenfeller. „Soll man den Kindern | |
beibringen, dass es zum wahren Glück dazugehört, nicht nur andere zu | |
besiegen, sondern diese hinterher auch auszulachen?“, fragt [5][Malte | |
Lehming] im Tagesspiegel. Die [6][armen kleinen Kinder], das | |
Lieblingsargument des spätgebärenden Bürgertums. | |
Verständnisvoller zeigt sich [7][Frank Lübberding] auf faz.net: Der Spott | |
sei „nachvollziehbar“, hätte aber „nicht vor einem Millionenpublikum | |
ausgebreitet werden müssen“. Der Autor scheint zu wissen, welches Liedgut | |
vor ein paar Jahren bei FAZ-Redaktionsfeiern angestimmt wurde. So klingt | |
sein Rat, als spräche ein Alter Herr zu jungen Burschenschaftlern: Jungs, | |
so was nur unter euch. | |
Quatsch! Wer sich über die Spieler aufregt, war noch nie im Stadion. Und | |
wer ihnen vorwirft, dem nationalen Ansehen geschadet zu haben, ist selber | |
in nationaler Mission unterwegs. Der Gaucho-Tanz war harmlos. Rassistische, | |
antisemitische oder homophobe Schmähgesänge muss man nicht hinnehmen – die | |
Verhöhnung des Gegners aber gehört zum Sport: „Der größte Scheißverein / | |
ist und bleibt der FC Bayern“, reimen die einen; „Arbeitslos und eine | |
Flasche Bier, / das ist S04, / die Scheiße vom Revier“, die anderen. | |
Aus diesem Repertoire haben sich die Spieler bedient – erstaunlich genug, | |
dass diese Jungunternehmer so viel Fankultur kennen. Mit ihren | |
Choreografien haben sie etwas Stadionatmosphäre in eine [8][Sponsorenshow] | |
gebracht. Sie können nichts dafür, dass die Fankurven hierzulande selten | |
Esprit und Groove bieten. Sie sangen, was sie kannten: den Gaucho-Tanz | |
oder, wie Lahm, Hummels & Co., [9][„Humba-Humba-Humba-Täterä“]. Da ist man | |
Weltmeister und klingt immer noch nach Kegelklub. | |
Immerhin spielte die [10][Zahl Sieben] keine Rolle. Verspottet wurden | |
vielmehr die ebenbürtigen Argentinier. Bei deren Sieg wären in Buenos Aires | |
Hitler-Witze fällig gewesen. Denn egal, ob sich diese [11][deutsche | |
Mannschaft] für Weltkriegsmetaphern eignet oder nicht – du bist Deutscher, | |
aus der Nummer kommst du in tausend Jahren nicht raus. | |
Dass viele solchen Spott ebenfalls für geschmacklos gehalten hätten – | |
geschenkt. Ideologiekritik ist zu einem [12][Knigge-Katalog] verkommen. | |
Humorbefreit und denkfaul, ranzig und kirchentagsbeseelt. Dass jene, die | |
sich über die Aufregung aufregen, mindestens [13][ebenso humorlos und oft | |
aggressiv] daherkommen, macht die Sache nicht besser. Die Lockerheit der | |
Schland-Deppen ist eben die Lockerheit des Bierzelts. Humba-Humba. | |
Doch es gibt ein paar coole Repliken. Ein [14][Youtube-Video] etwa mit | |
Aufnahmen von Wehrmachtssoldaten im Stechschritt am Brandenburger Tor, | |
untermalt vom Gesang von Klose & Co. Auch das ist okay. Respektlos ist, den | |
Gegner keiner Schmähung für würdig zu befinden. So geht der Fußball, der | |
Fußball, der geht so. Deniz Yücel | |
## Hirnlos | |
Mit ihrem „Gaucho-Tanz“ haben die deutschen Nationalspieler ein altes | |
Vorurteil bestätigt: dass Deutsche sich nicht über einen Erfolg freuen | |
können, ohne sich dabei zwanghaft über andere zu erheben. | |
Zur Entschuldigung kann man anführen, dass die Spieler ein anstrengendes | |
Turnier und einen zwölfstündigen Flug hinter sich hatten, dass sie fürs | |
Toreschießen und nicht fürs Witzeerzählen bezahlt werden und dass Fußballer | |
eben oft Kindsköpfe sind. | |
Auch geht es auf vielen Sportplätzen, in den Stadien und Kabinen der | |
Republik sicher deutlich derber zu als am Dienstag auf der Fanmeile. Nur | |
macht es halt schon einen Unterschied, ob man sich in seiner Kabine oder | |
vor 200.000 Menschen und den Augen der Welt, auf der zentralen | |
Weltmeister-Feier vor dem Brandenburger Tor, über andere lustig macht. Um | |
es im DFB-Funktionärsdeutsch zu sagen: Die Nationalspieler sind hier an | |
exponierter Stelle ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht geworden. | |
In Brasilien hat sich die Mannschaft durchweg fair, respektvoll und bar | |
jenes Triumphalismus gezeigt, für den Deutsche in aller Welt so berüchtigt | |
sind. Der Gaucho-Tanz“ wirkte da wie ein unnötiges, nachträgliches Foul. | |
Allen Eltern, Lehrern und Trainern hat sie damit einen schlechten Dienst | |
erwiesen. Wozu predigen die immerzu, dass man Gegnern mit Respekt begegnen | |
muss, dass man die unterlegene Mannschaft nicht verhöhnt und auslacht, wenn | |
ausgerechnet die Nationalmannschaft bei bester Gelegenheit das genaue | |
Gegenteil macht? | |
Klar: Wer auch sonst gern von „Negern“ spricht, bei Spielen des deutschen | |
Teams automatisch Blitzkrieg-Assoziationen bekommt und auch sonst keine | |
gute Kinderstube genossen hat, der wird am Verhalten der deutschen | |
Nationalmannschaft nichts Anstößiges finden. Der wird andere, die das enger | |
sehen, als „Spaßbremse“ beschimpfen – wobei man sich fragt, welches | |
Verständnis von „Spaß“ da dahintersteht. Ein sehr deutsches. | |
Auch beim DFB, dessen Marketingbetreuer offenbar noch alle in Rio weilten, | |
um ihren Rausch auszuschlafen, ist man mit dem Auftritt nicht recht | |
glücklich. Der Verband hat sich dafür jetzt entschuldigt, zu Recht. Doch | |
der eigentliche Skandal ist: Musste man es wirklich ganz allein der | |
übermüdeten und überdrehten Nationalmannschaft überlassen, vor dem | |
Brandenburger Tor für Stimmung zu sorgen? Konnte man zum Beispiel keine | |
besseren Moderatoren finden, um die Show zu schmeißen? Und hätte man statt | |
der Schlagersängerin Helene Fischer nicht ein musikalisch anspruchsvolleres | |
Programm aufbieten können, etwa eine Band wie Seeed? So blieb am Ende ein | |
eher peinliches Bild von deutscher Musik, deutscher Feierkultur und | |
deutschem Humor. | |
Die Amerikaner wissen, wie man wirklich unvergessliche Siegesfeiern | |
inszeniert, und das nicht nur im Sport: mit Showstars, Konfettiregen und | |
viel Pyrotechnik, aber ohne den Gegner nachträglich zu verhöhnen. | |
Vielleicht kann Jürgen Klinsmann dem DFB da mal ein paar Tipps geben? | |
Daniel Bax | |
16 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=_ELlItNGCJc | |
[2] /!141826/ | |
[3] http://twitter.com/search?q=%23GauchoGate&src=typd | |
[4] http://www.youtube.com/watch?v=4jYuMsFV2ug | |
[5] http://www.tagesspiegel.de/meinung/wm-party-in-berlin-der-gaucho-tanz-auf-d… | |
[6] /!133700/ | |
[7] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik-empfang-der-weltmeis… | |
[8] /!142470/ | |
[9] http://www.youtube.com/watch?v=TwS6LawkR1o. | |
[10] /!142110/ | |
[11] /!142416/ | |
[12] /!104064/ | |
[13] http://twitter.com/florianklages/status/489440913874518016/photo/1 | |
[14] http://www.youtube.com/watch?v=nQl0m1-qX74 | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
Daniel Bax | |
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