# taz.de -- #Gauchogate in Argentinien: Weltmeister im Beleidigen | |
> Ein „Gaucho“ ist für Argentinier ein freiheitsliebender Kerl, der Zäune | |
> in der Pampa niederreißen möchte. Den Tanz der Deutschen empfinden viele | |
> als Witz. | |
Bild: Hopsende Deutsche: Da kann der Argentinier nur lachen | |
BUENOS AIRES taz | Kaum hatte Klose und Co am Dienstag in geduckter Haltung | |
ihren Gaucho-Song auf den Berliner Laufsteg gelegt, da war er in | |
Argentinien auch schon als Videomitschnitt mit erklärendem Text auf den | |
Internetseiten der großen Tageszeitungen. | |
Öffentlich am heftigsten reagierte der bekannte Sportjournalist Victor Hugo | |
Morales, der zusammen mit Diego Maradona beim Fernsehsender Telesur täglich | |
die WM kommentierte. Er bezeichnete die deutschen Tänzer als „ekelhafte | |
Nazis“, die jeden daran erinnerten, dass sie aus einem Land kommen, das | |
sechs Millionen Juden ermordet hat – und in dem sich seitdem nichts | |
geändert habe. | |
Die überwiegende Mehrzahl der Medien aber bezeichnete die Einlage lediglich | |
als „polemischen Witz“. „Wir sollten uns nicht so aufregen“, sagt Roque, | |
der am Kiosk die Schlagzeilen liest. „Wenn wir Argentinier in einer | |
Disziplin Weltmeister sind, dann im Beleidigen des Gegners.“ Zu Recht. | |
Vier Wochen schütteten die argentinischen Fans ihre Häme über den | |
WM-Gastgeber aus. „Brasilien, sag mir, wie es sich anfühlt, deinen Vater im | |
Haus zu haben“ – so beginnt der WM-Hit der argentinischen Fans. Brasilianer | |
sind demnach die kleinen dummen Jungs, Argentinien ist der alles | |
überragende Vater. Als jedoch nach dem verlorenen Finale ein | |
brasilianischer Journalist Argentiniens Trainer Alejandro Sabella fragte, | |
„wie es sich anfühle, diese Niederlage“, ging ein Aufschrei durch | |
Argentinien. „Respektlos“ war dabei noch die harmloseste Schimpfe. | |
## Das Bild des „Gaucho“ ist ein Verdienst der dpa | |
Dass die deutschen Medien immer wieder das Bild vom Gaucho vor allem im | |
Zusammenhang mit Fußball bemühen, ist ein Verdienst der Deutschen | |
Presseagentur dpa. Keine ihrer Fußballmeldungen über Argentinien kommt ohne | |
dieses Klischee aus. Es ist deshalb auch vor allem die Choreografie, die in | |
Argentinien für Aufregung sorgt. | |
„Gaucho“ ist in Argentinien kein Schimpfwort. Im Gegenteil, knapp | |
formuliert, verkörpert er den freiheitsliebenden und raubeinigen Kerl, der | |
am liebsten die Zäune auf der Pampa niederreißen möchte und gegen | |
staatliche Autoritäten wettert. Prominentestes Beispiel ist der | |
Volksheilige Gauchito Gil. Mit rotem Stirnband, blauem Hemd und rotem | |
Umhang ist er mehr als nur die argentinische Variante des Robin Hood. Es | |
fehlt nur die Heiligsprechung durch die katholische Kirche. Dass die | |
heutigen Gauchos in der Regel arme Tagelöhner in der Viehwirtschaft sind, | |
ist eine andere Geschichte. | |
Was die Argentinier wirklich umtreibt: Der kulturell tief verwurzelte | |
Katholizismus verlangt nach Schuldigen. Alle sind stolz auf Mannschaft und | |
Trainer. Die Präsidentin hat sich aus der WM herausgehalten. Der Papst | |
blieb neutral. Wem also soll die Last der Schuld aufgeladen werden? | |
Ein Trost: Man hat gegen Deutschland verloren. „Gott sei Dank nicht gegen | |
Brasilien. Die Wunde wäre nie verheilt“, sagt Roque. | |
16 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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