# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: „Fußball ist wie Krieg, nur sch… | |
> Drei US-Studentinnen sind auf der Suche nach der Sprache des Fußballs. | |
> Aber Fußball als Sprache bedeutet vor allem das Austragen von Konflikten. | |
Bild: Auch das gehört zur „Sprache des Fußballs“: Eintracht-Braunschweig-… | |
Diese Kolumne erzählt von drei jungen Frauen aus Pennsylvania, USA, die an | |
ihrer Uni zusammen Fußball spielen und für einen Monat ins belgische Leuven | |
gingen, um dort zu studieren. Für die Freundinnen war das Programm ihrer | |
Hochschule, der Lehigh University, ein Glücksfall, wollten sie doch immer | |
schon gemeinsam nach Europa reisen. | |
„Wir konnten nicht nur Leuven erkunden“, erzählte eine der jungen Frauen | |
ihrer Unizeitung, „sondern auch Fußball spielen – mit anderen | |
Lehigh-Studenten oder mit Europäern.“ | |
Fußball mit Europäern? Hier, also in Europa, stößt die Formulierung | |
merkwürdig auf. Hätten sie „mit Afrikanern“ gesagt, wäre es wie | |
selbstverständlich durchgegangen. Doch anders, als man vielleicht glauben | |
könnte, steckt in der Redewendung vom Fußball mit Europäern nichts | |
Geringschätziges. Denn sie haben im Fußball etwas entdeckt, das man als | |
„die europäische Sprache“ bezeichnen könnte. „Ich dachte, dass die | |
Sprachbarriere in Belgien größer wäre, wenn wir mit den Leuten spielen | |
würden“, berichtet eine junge Frau, „aber Fußball ist eine Sprache für | |
sich.“ | |
Die drei fanden Sportanlagen, in denen belgische Jungs kickten. „Als wir | |
fragten, ob wir mitspielen könnten, kicherten sie leise und schoben die | |
Frage von einem zum anderen.“ Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich die | |
Szene bildhaft vorzustellen: Mädchen! Aus Amerika! Kaugummi kauend! | |
## Fußball zur Austragung von Konflikten | |
„Am Ende sagte einer von ihnen, dass wir mitspielen dürfen. Wir legten | |
sofort los, aber in den ersten zehn Minuten gaben sie uns nie den Ball ab.“ | |
Auch das kann man sich gut vorstellen. „Als wir endlich ins Spiel kamen, | |
konnten wir zeigen, dass Mädchen Fußball spielen können. Und die Jungs | |
spielten auf einem hohen Niveau. Es machte uns Spaß, mal in einer solchen | |
Umgebung spielen zu können.“ | |
Zugegeben, die Geschichte von den drei Studentinnen hat einen hohen | |
Kitschfaktor, der ältere Schlagerfreunde an „Wenn du denkst, du denkst, | |
dann denkst du nur, du denkst, ein Mädchen kann das nicht“ von Juliane | |
Werding erinnern dürfte. Dabei ist der Bericht der jungen Frauen eindeutig | |
nicht von der – in der Regel falschen – Selbsteinschätzung geprägt, sie | |
hätten sich mit ihren besonderen Fähigkeiten in einer harten Männerwelt | |
durchgesetzt, den Jungs quasi angepasst. | |
Den drei Amerikanerinnen geht es wirklich um Sprache. Nun ist, schon wieder | |
zugegeben, der Gedanke, Fußball sei eine Sprache, die jeder Mensch auf der | |
Welt verstehe – darin der Musik sehr ähnlich –, ja auch nicht gerade der | |
originellste. Dumm und falsch wird der Gedanke aber nur dann, wenn man ihn | |
bloß zur Beschreibung einer Hanni-und-Nanni-Welt verwendet: Alle Menschen | |
aller Länder aller Religionen aller Geschlechter aller Hautfarben und aller | |
anderen Unterschiede, die uns noch so einfallen, sind im Spiel mit dem Ball | |
vereint und werden glücklich. | |
Aber nicht mal Völkerball erfüllt dieses Kriterium. Und Fußball schon gar | |
nicht. Fußball als Sprache bedeutet immer – und vor allem – das Austragen | |
von Konflikten. | |
## „Wie Krieg, nur schöner“ | |
Augenfällig ist das bei einer WM, wenn, je nachdem was man gern als | |
politische Großwetterlage bezeichnet, russische oder amerikanische, | |
iranische oder deutsche, kroatische oder israelische Teams ausgebuht | |
werden. Das gilt auch für Vereinsfußball, wenn reiche gegen arme, mithin | |
das Kapital oder die Arbeiterklasse repräsentierende Teams | |
aufeinanderprallen. Das gilt für einzelne Spieler, in denen Fans den Macho, | |
die Heulsuse oder ein anderes gesellschaftliches Stereotyp erblicken. Es | |
gilt immer. | |
Im WM-Achtelfinale siegte Belgien über die USA in der Verlängerung 2:1. | |
Niemand hat das als bloßes Spiel zwischen elf kurzbehosten Männern auf | |
beiden Seiten wahrgenommen: Es war klein gegen groß, Tradition gegen | |
Moderne, alte Welt gegen neue Welt und was man so alles | |
hineininterpretieren kann. Soccer is a language, und mit der lässt sich | |
alles Mögliche ausdrücken. Oder, wie es der Schriftsteller Gerhard Henschel | |
einmal so schön formulierte: „Fußball ist wie Krieg, nur schöner“. | |
24 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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