# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Niersbach versteht den Fußball ni… | |
> Israel sagt ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland ab – aus sportlichen | |
> Gründen. DFB-Chef Niersbach faselt von der „bedrückenden Lage in der | |
> Region“. | |
Bild: 31. Mai 2012: André Schürrle (M.) erzielt das Tor zum 2:0-Endstand im F… | |
Was das sein könnte, die Politik des Fußballs? Die Antwort ist so einfach, | |
die kennt nicht mal Wolfgang Niersbach. Am 25. März 2015 sollte ein | |
Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Israel stattfinden. Das hat, so | |
weit kann sogar ein durchschnittlicher deutscher Verbandsfunktionär folgen, | |
schon deswegen etwas mit Politik zu tun, weil es im Rahmen der | |
Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen beider | |
Länder stehen sollte. | |
Dieser Termin wurde aber nun abgesagt, und zwar, wie Wolfgang Niersbach | |
sagte, „aufgrund dieser bedrückenden Lage in der Region“. Gazakrieg, | |
Hamasraketen, IS-Terror – an so etwas denkt man wohl, wenn man Niersbach | |
zuhört. „Es war aber für den DFB sofort klar“, so der Herr Präsident | |
weiter, „dass wir der Bitte unserer israelischen Freunde nachkommen“. | |
Abzusagen nämlich. | |
Doch irgendetwas irritiert an der Meldung. Warum sollte Israel ein | |
Interesse daran haben, ein Freundschaftsspiel mit dem amtierenden | |
Weltmeister abzusagen? Um so einen Termin reißen sich doch geschätzte 200 | |
andere Fußballverbände dieser Erde. Und wer sollte jetzt schon wissen, dass | |
die Lage in Israel im Frühjahr 2015 „bedrückend“ sein wird? | |
Keine Sorgen, niemand muss befürchten, dass mit Wolfgang Niersbach nun ein | |
neuer Nahostexperte in den Talkshow-Olymp aufsteigt. Es ist vielmehr so, | |
dass es trotz Niersbachs Geraune tatsächlich fußballerische Gründe sind, | |
die Israel um eine Terminabsage bitten ließen. | |
## Wichtiger Heimvorteil | |
Ursprünglich war in der EM-Qualifikation für den 9. September ein Heimspiel | |
Israels gegen Belgien angesetzt. Wegen des Gazakrieges hatte jedoch die | |
Uefa alle unter ihrer Obhut stattfindenden Spiele in Israel abgesagt. Der | |
israelische hatte daraufhin den belgischen Verband gebeten, ob man nicht | |
tauschen könne: am 9. September in Belgien und über ein Jahr später das | |
Rückspiel in Israel. Das gelang nicht. Auf „neutralem Boden“ in Zypern | |
wollte Israel nicht antreten, um mit dem Verzicht auf den Heimvorteil nicht | |
das Ziel einer erstmaligen EM-Qualifikation aufs Spiel zu setzen. | |
Also wurde nach einem neuen Termin gesucht. Heraus kam der 31. März 2015. | |
Das wäre nicht nur sieben Tage nach dem Freundschaftsspiel gegen Löws | |
Jungs, es ist auch drei Tage nach einem anderen israelischen | |
EM-Qualifikationsspiel gegen Georgien, am 28. März. Zusammengefasst: drei | |
schwere Spiele in einer Woche. So attraktiv sind weder Weltmeister noch die | |
diplomatischen Beziehungen beider Länder dann doch nicht, dass man dafür | |
den Preis einer verpassten EM-Qualifikation zu zahlen bereit wäre. Das | |
teilte der israelische dem deutschen Verband mit, der aber nur „bedrückende | |
Lage in der Region“ verstand. | |
Man kann auch sagen: Der Fußball hat sich gegen die Politik durchgesetzt. | |
Zwar war es zunächst der Krieg, der das vorgesehene Belgien-Spiel der | |
Israelis verhindert hatte. Aber die Idee, mit einem Länderspiel die | |
diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zu feiern, | |
konnte sich gegen die fußballerischen Sachzwänge nicht durchsetzen. | |
## Die Macht des Fußballs | |
Und schon sind wir bei dem, was derart einfach ist, dass es ein | |
Verbandspräsident nicht begreift. Es ist nämlich nicht so, dass es bloß | |
eine Politik gibt, die stets in den an sich schönen Sport hineinredet. | |
Vielmehr ist der Fußball selbst stark und kann seine Macht ausspielen. Das | |
geschieht nicht dadurch, indem sich irgendwelche Fußballer oder Funktionäre | |
politisch äußern, sondern genau deswegen, weil Sport nie in einem | |
gesellschaftlichen Freiraum stattfindet – es gibt ihn immer nur in einem | |
historisch gewachsenen Umfeld. | |
Und dass dies so und nicht anders gewachsen ist, daran hat auch der Fußball | |
mitgewirkt. Etwa, indem er einmal seine Macht bewiesen hat. Das etwa ist | |
die Politik des Fußballs, aber gern erklären wir es einem Präsidenten noch | |
einmal. | |
10 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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