# taz.de -- 3D-Film über das Wacken-Festival: Die Insel der Wikinger | |
> „Wacken – 3D“ schafft eine faszinierende Welt, deren Realitätsgehalt | |
> gegen Null geht. Für eine Dokumentation ist das beachtlich. | |
Bild: Natürlich auch beim Wacken-Festival populär: Crowd-Surfing. | |
HAMBURG taz | Männer mit langen Haaren, schwarzen T-Shirts und festen | |
Schuhen fallen in Wacken ein, einer 1.800-Seelen-Ortschaft 75 Kilometer | |
nordwestlich von Hamburg. Die Männer haben Zelte und Bier dabei, sie | |
gröhlen sich ihren Gruß zu und zeigen sich dabei eine Faust mit zwei | |
gestreckten Fingern. Die Straße, durch die sie gehen, ist gesäumt von | |
kleinen Einfamilienhäusern mit Rüschengardinen und kurz geschnittenem | |
Rasen. Die schwarzen Männer interessieren sich nicht für die Häuser. Sie | |
sind unterwegs zum [1][Wacken-Festival], das jeden August 75.000 Metal-Fans | |
aus aller Welt anzieht. | |
Die Bilder dieser Invasion gehören mittlerweile zu den großen Erzählungen | |
der Open-Air-Geschichte, sie haben sich eingebrannt wie die Bilder vom | |
Schlamm-Baden der Hippies beim Woodstock-Festival oder die Fotos von Jimi | |
Hendrix’ Auftritt auf der Insel Fehmarn. Wacken ist ein popkulturelles | |
Phänomen, das fast jedes Feuilleton schon untersucht hat. 2006 gab es den | |
Film „Full Metal Village“, der das Dorf Wacken und seine Bewohner | |
porträtiert. Ab dem heutigen Donnerstag gibt es [2][den Film „Wacken – 3D�… | |
im Kino. Und am 31. Juli startet die 25. Ausgabe des Open Airs. Die Karten | |
dafür waren wie üblich nach wenigen Stunden ausverkauft. | |
„Wacken – 3D“ ist eine Dokumentation des Festivals 2013, die klassisch | |
aufgebaut ist: Die Erzählweise ist chronologisch. Der Film beginnt mit | |
Bildern vom Aufbau der Mega-Bühne, zeigt die Ruhe vor dem Sturm, die Fans | |
bei der Anreise und schneidet Musiker dazwischen, die Wacken loben als Ort | |
der Humanität, als Quelle des Lebens und der Heilung, als Aphrodisiakum. | |
Es folgen Bilder der Auftritte von Deep Purple, Rammstein, Alice Cooper und | |
vielen anderen, alle in 3D, was ein guter Spaß ist – der Film zieht alle | |
technischen Register, um ein Konzerterlebnis zu simulieren, das keiner der | |
75.000 Festivalbesucher gehabt hat. Bei den Konzert-Aufnahmen schwingt sich | |
„Wacken – 3D“ auf zu einem Kunstprodukt eigener Qualität. Die 3D-Technik | |
schafft eine hoch artifizielle Welt, in der sich Stars bewegen, die bereits | |
Kunstfiguren sind. Der Realitätsgehalt geht gegen null – was für einen | |
Dokumentarfilm ein beachtlicher Effekt ist. | |
Grundsätzlich aber ist „Wacken – 3D“ eine Hommage an das Festival, bei d… | |
die 3D-Technik die Verbeugung, die der Film vor dem Festival macht, noch | |
tiefer erscheinen lässt, als sie ohnehin ist. Regisseur Norbert Heitker | |
versucht die Wow-Effekte zu erden, indem er im Film sechs Fans porträtiert: | |
Da ist die Taiwanerin, die ihren Rollkoffer über den Zeltplatz zieht; der | |
fränkische Papa, der mit seinem 16-jährigen Sohn angereist ist, um | |
„gemeinsam etwas zu erleben“ – man ahnt, wie selten das den Rest des Jahr… | |
geschieht; der aufgedrehte 25-Jährige, der sich farbige Kontaktlinsen zum | |
Konzertbesuch einsetzt; das Metal-Mädel aus den USA, das sich zusammen mit | |
ihren beiden Freundinnen über die Anmache der alkoholisierten Metal-Männer | |
amüsiert. | |
Egal worauf geblickt wird in „Wacken – 3D“: Der Blick ist ein liebevoller. | |
Es gibt keine überlaufenden Dixie-Klos und keine Alkoholleichen – nur | |
Metal-Fans, die bei diesem Festival sehr harmlos und sympathisch die Sau | |
rauslassen, ehe sie ihren Opel Corsa besteigen und in ihr braves Leben | |
zurückfahren. Die Szenen vom Schlamm-Baden davor werden mit klassischer | |
Musik unterlegt und auf diese Weise bürgerlich veredelt. | |
## Geschichte vom Frieden | |
Wacken, so erzählt es der Film, ist eine Insel. Auf ihr wird gesoffen, | |
gebrüllt und sich im Schlamm gewälzt, aber es wird nicht geprügelt, | |
gebrandschatzt und vergewaltigt. Im Gegenteil: Alle Wacken-Berichte sind | |
Erzählungen vom Frieden, vom guten Kern, der in der rauen Schale des | |
Part-Time-Wikingers steckt. Wacken ermöglicht das Unzivilisierte in einem | |
zivilen Rahmen. Kostenpunkt: 170 Euro pro Ticket. | |
Die Kamera gibt sich Mühe, bei den Schnitten ins Publikum auch Frauen zu | |
zeigen, und doch ist klar, dass Wacken eine männliche Welt ist. Es fällt in | |
dem Moment auf, in dem die Sängerin Doro Pesch ins Bild kommt. Sie ist die | |
einzige Front-Frau im ganzen Film. Alles andere sind mehr oder weniger | |
phantasievoll verkleidete Männer, bärtig, tätowiert, dunkel gekleidet. | |
Viele von ihnen könnten in den „Herr der Ringe“-Filmen mitspielen – | |
natürlich auf der Seite der Bösewichte. Der Unterhaltungswert ist auch für | |
Nicht-Metal-Fans gegeben. | |
Wie vielseitig das Thema Heavy Metal mittlerweile ist, das zeigt der Film, | |
indem er vom Festival-eigenen Bandwettbewerb für Nachwuchsbands erzählt. | |
Die Bands stammen aus der ganzen Welt: Metaller aus Uruguay treffen auf | |
solche aus China und Rumänien. Das ist cool. Und dürfte der Grund sein, | |
warum der Kultursender Arte als Koproduzent mit ins Boot gestiegen ist. | |
## „Wacken – 3D“: Kinostart am 24. Juli Wacken Open Air: 31. Juli bis 2. | |
August. Das Festival ist ausverkauft | |
23 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wacken.com/ | |
[2] http://www.wacken3d-film.de/ | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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