# taz.de -- Heavy-Metal-Festival Wacken: Headbanging zum "Trompetenecho" | |
> Der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Wacken tritt alljährlich beim | |
> Open Air auf. Für die Metal-Fans sind die Wacken Firefighters ein großer | |
> Spaß. Ein Probenbesuch. | |
Bild: Humtata: Die Wacken-Firefighters eröffnen seit 2003 traditionell das Fes… | |
WACKEN taz | Es ist was schiefgelaufen mit den Parkplätzen bei der letzten | |
Probe. Einige der Musiker haben die Zufahrt des Feuerwehrhauses zugeparkt. | |
Das hat die Feuerwehrleitung moniert, und nun steht der Bürgermeister vor | |
den 36 Bläsern, die im Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Wacken hinter | |
ihren Notenständern sitzen. "Wir haben hohen Besuch heute,", sagt | |
Musikzugchef Volker Vette. Die Bläser schauen schuldbewusst. | |
Dass das mit dem Parken so nicht ginge, sagt der Bürgermeister. Vette | |
spricht von Regeln, die es nun mal gebe und die einzuhalten seien. Alle | |
nicken. Eine Standpauke zum Einstieg und danach blättern alle in ihren | |
Noten. Der Fotograf und der Reporter, die an diesem Abend da sind, werden | |
nicht weiter beachtet. | |
Die Bläser des Musikzugs der Freiwilligen Feuerwehr Wacken wissen schon, | |
dass die Journalisten wegen der Geschichte mit dem Wacken Open Air gekommen | |
sind. Das Wacken Open Air (W.O.A.) ist ein Heavy-Metal-Festival, das jedes | |
Jahr im August auf den Feldern neben der schleswig-holsteinischen | |
1.840-Seelen-Gemeinde Wacken stattfindet. Seit 2003 tritt der Musikzug der | |
Freiwilligen Feuerwehr Wacken im Festivalbiergarten unter dem Namen Wacken | |
Firefighters auf. | |
Über dieses skurrile Zusammentreffen von Blaskapelle und Metal-Fans haben | |
Zeitungen berichtet, es gibt Videos im Internet und eine Passage im | |
Dokumentarfilm "Full Metal Village". Uns interessiert nun, wie der Alltag | |
der Firefighters aussieht. Und wie sich die Open-Air-Auftritte auf diesen | |
Alltag auswirken. | |
Dirigent Heinz steht vor einer Wand mit Zinntellern, Wimpeln und Fotos von | |
Feuerwehrmannschaften, er trägt ein kurzärmliges, anthrazitfarbenes Hemd zu | |
den grauen Haaren und fängt an mit dem Stück "Eine steife Brise". Der | |
Musikzug Wacken pflegt ein traditionelles Blaskapellen-Repertoire vom | |
"Zillertaler Hochzeitsmarsch" über "Rosamunde" bis zum "Trompeten-Echo", | |
alles Stücke, die er auch beim Wacken Open Air vor den Metal-Fans spielt. | |
Die Besetzung ist klassisch: Holzbläser, Blechbläser, Schlagzeug. Bei den | |
Schlagern kommt noch Gesang dazu. Zwischen 35 und 40 Musiker sind aktiv | |
dabei. | |
Leichte Textvariation | |
Es gibt eine CD der Wacken Firefighters mit dem Titel "In the Beergarden". | |
Auf der gibt es "den speziell für das W.O.A. angesagten Titel | |
,Trompetenecho' ", steht auf der Musikzug-Homepage. "Trompetenecho" ist der | |
Song, bei dem die Metal-Fans besonders abgehen: Sie veranstalten Polonaisen | |
und synchrones Headbanging, strecken dem Musikzug die Metal-Faust zum Gruß | |
entgegen und singen auf die "Trompetenecho"-Melodie den Text | |
"PimmelmannFotze - PimmelmannFotze - PimmelmannFotze - Arsch". | |
Was sich die Musiker denken, wenn sie die Metal-Fans beim Abgehen sehen? | |
"Nicht mehr viel", sagt der 70-jährige Musikzugchef Volker Vette. "Es war | |
nur ungewohnt beim ersten Mal, weil wir nicht wussten, wie die Metal-Fans | |
reagieren. Aber es sind viele dazwischen, die zu Hause auch in einer | |
Blaskapelle spielen. Oft auch bei der Feuerwehr." | |
Dirigent Heinz ist nun bei dem Stück "Alphornklänge aus dem Allgäu", ein | |
Stück, das neu ist im Repertoire. Heinz ist weit weg davon, jede | |
Kleinigkeit zu monieren, er bricht nur ab, wenn es auch für ungeübte Ohren | |
schräg klingt. Die Hörner zum Beispiel beim Hohen "e". Heinz stellt sicher, | |
dass die Hornisten alle ein hohes "e" spielen. Als es immer noch schräg | |
klingt, sagt er: "Der Ton ist sehr hoch. Der eine presst mehr, der andere | |
weniger. Da kommen wir nicht so schnell hin." | |
In diesem Jahr hat der Musikzug unter anderem bei einem Sommerfest am | |
Bodensee gespielt und viel positive Resonanz bekommen. Schriftführer Peter | |
ist darauf besonders stolz, weil den Süddeutschen im Blasmusikbereich eine | |
besondere Kompetenz zugesprochen wird und ein Lob aus dieser Ecke viel | |
gilt. Für Peter ist der Auftritt am Bodensee wichtiger als der Auftritt | |
beim Open Air. Der habe sich nur so ergeben, sagt Peter. "Die Bevölkerung | |
in Wacken steht hinter dem Open Air. Also auch die Feuerwehr. Mehr ist das | |
nicht." | |
Die Auftritte auf dem Open Air haben trotzdem Konsequenzen nach sich | |
gezogen. Sie haben den Firefighters Einladungen gebracht, auf anderen | |
Metal-Festivals zu spielen. Die musste der Musikzug bisher immer absagen, | |
weil die Reisekosten nicht gedeckt werden konnten. Dafür verkauft der | |
Musikzug von seiner W.O.A.-Live-CD rund 200 und von seinem | |
Firefighters-T-Shirt rund 300 Stück pro Jahr. "Merchandising ist auf dem | |
Open Air jedes zweite Wort", sagt Vette. | |
Außerdem gibt es regelmäßig Anfragen von auswärtigen Musikern, die beim | |
Open-Air-Auftritt mitspielen wollen - in diesem Jahr von zwei Alphornisten, | |
für die der Musikzug das Stück "Alphornklänge aus dem Allgäu" einübt. | |
Beim Open Air passiert es dann immer wieder, dass Leute aus dem Publikum | |
spontan auf die Bühne kommen und mitspielen. Musikzugchef Vette sagt: "Bei | |
uns ist alles möglich." Und: "Wir sind mittlerweile der bekannteste | |
Feuerwehrzug der Welt." Dem Selbstbewusstsein helfen die Open-Air-Auftritte | |
offenbar ebenso wie ein Lob aus Süddeutschland. | |
Bei den Wacken Firefighters sind die meisten Musiker im Seniorenalter, | |
haben einen Bierhalter am Notenständer und mindestens einen Kugelschreiber | |
in der Brusttasche stecken. Aber es gibt auch Nachwuchs. Der Tenorhornist | |
Francisco zum Beispiel: Auf seinem T-Shirt sind vorne Geodreieck und | |
Buntstifte abgebildet, daneben steht "Grund- und Hauptschule Wacken". | |
Francisco ist einer der Jüngsten, einer der Ältesten ist über 80 Jahre alt | |
und hat schon einen Schlaganfall hinter sich. Es gibt Teenies, die spielen | |
das ganze Jahr über mit, weil sie dann auf dem W.O.A. auftreten dürfen. Es | |
gibt die Alteingesessenen und die Hingezogenen. "Von der sozialen Spanne | |
her nehmen wir alle mit", sagt Musikzugchef Vette. | |
Wichtig ist: Wer dabei ist, gehört dazu. Alfred zum Beispiel hat an diesem | |
Mittwoch Geburtstag. Also holen sie ihn nach vorne zum Dirigenten, wo er | |
sich anhören darf, wie der Zug "Zum Geburtstag viel Glück" für ihn spielt. | |
Das geschieht ohne große Emotionen. Aber es geschieht. | |
Von der Nordsee bis Köln | |
Es ist das alte Blaskapellenprinzip der Integration, das der Wackener | |
Musikzug kultiviert. Und es ist noch mehr als das: Der Musikzug Wacken | |
integriert nicht nur, er lässt sich auch integrieren - das zeigt die breite | |
Palette an Auftrittsorten, von der Kurveranstaltung an der Nordsee über den | |
Kölner Karneval bis hin zur Kreuzfahrt auf dem Nord-Ostsee-Kanal. | |
"Die ,Harten Beine' bitte", sagt Dirigent Heinz, es ist das letzte Stück, | |
das an diesem Abend geprobt wird. Es handelt sich um ein Arrangement von | |
"Beinhart wie'n Rocker" von Torfrock und bleibt neben "Highway to Hell" die | |
einzige Rock-Reminiszenz bei den insgesamt drei W.O.A.-Auftritten in diesem | |
Jahr. | |
Aus dem 4/4-Takt von "Beinhart" im Original hat der Arrangeur einen | |
3/4-Takt gemacht. Das Stück ist kaum wiederzuerkennen. Aber das ist egal, | |
so lange die Metal-Fans beim Open Air wieder abgehen. Denn wenn sie das | |
nicht machen, sagt Musikzugchef Vette, "dann stimmt was nicht mit uns". | |
5 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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