# taz.de -- „Wacken“-Festival als Coffee Table Book: Pommesgabel im Gegenli… | |
> Zwischen Idylle und Müllhalde: Der voluminöse Bildband „We The People Of | |
> Wacken“ entblößt die Besucher des größten Metalfestivals der Welt. | |
Bild: Die formvollendete Pose eines waschechten Metal-Fans frisch aus dem Schla… | |
Wir wollen auch vom Wacken-Jahr profitieren! Die 25. Festival-Ausgabe steht | |
vor der Tür, lange vorher wurde also die Merchandise-Maschine angeworfen, | |
um die Produktpalette zu arrondieren. Neben „Wacken 3D“, einem hübschen, | |
ein bisschen zu vollmundig superlativischen, die hagiografische Tradition | |
von Michael Wadleighs „Woodstock“ fortführenden Dokumentarfilm, erscheint | |
nun auch ein Bildband. | |
„We The People Of Wacken“ versucht die „Essenz des glorreichen und treuen | |
Wacken-Stammes in all seinen vielfältigen Dimensionen einzufangen“, so | |
schreibt es jedenfalls der Liner-Notes-Fabrikant Steffan Chirazi, der sich | |
zudem als Initiator des Projekts auf die Schulter klopft. Pep Bonet | |
zeichnet für die Fotografien verantwortlich. | |
Bonet hat sich vornehmlich mit sozialpolitisch engagierter Fotografie einen | |
Namen gemacht, einem Band über ein Aids-Hospiz in Südafrika („Posithiv+“) | |
etwa oder zuletzt mit Bildessays über die Kinderarbeit in Bangladesch, die | |
brasilianische Transsexuellenszene oder die positiven Auswirkungen von | |
Mikrokrediten im Kampf gegen Armut. | |
Diesen Auftrag bekam er aber wohl vor allem wegen seines fulminanten | |
Fotobuches „Röadkill – Motörhead“, das die Tourjahre 2008–2010 von Le… | |
und seinen Rabauken dokumentiert. Mit diesem straßenweisen Porträt, das die | |
Tristesse der Existenzform Rockmusiker in elegischen Schwarz-Weiß-Bildern | |
einfängt, kann der Band über das Festival in Wacken leider nicht mithalten. | |
## Karnevalesk bis albern | |
„We The People Of Wacken“ ist das Ergebnis einer gerade mal dreitägigen | |
Observation, so lange dauerte das Festival 2013, und das merkt man ihm auch | |
an. Das erwartungsfrohe Gedränge beim Einlass. Wild grimassierende, | |
karnevalesk, manchmal auch nur albern verkleidete Fans. Camping-Szenarios | |
zwischen Idylle und Müllhade. | |
Junge, gut aussehende Crowdsurfer, die mit beseeltem Lächeln von der Masse | |
Mensch auf den Händen getragen und nach vorne durchgereicht werden, wo | |
bereits eine stiernackige Security-Glatze wartet und sichtlich keinen Spaß | |
versteht. Und über allem schwebt die Pommesgabel, die mano cornuta, das | |
Dingsymbol der Metalkultur, einmal sogar im romantischen Gegenlicht. | |
All das hat vermutlich auch der Genre-Novize schon mehrfach gesehen dank | |
der Medienaufmerksamkeit in den letzten Jahren. Aficionados könnten ohnehin | |
von jedem dieser Bilder drei Varianten vorlegen, wenn auch nicht ganz so | |
dynamisch und kontrastreich. Nichts gegen Bonet, der Mann versteht sein | |
Handwerk. | |
Er weiß, wie man Action und große Gesten einfriert und die gebannte Energie | |
trotzdem spürbar werden lässt, er hat einen Blick für das | |
Großsprecherische, Hyperbolische der Metal-Kultur und er ist ein gutmütiger | |
Porträtist, der mitlacht, aber seine Protagonisten auch nicht dümmer | |
dastehen lässt, als sie sind. | |
## Auf der Schlickrutsche | |
Aber was nützt es, wenn sein Motivfundus so sattsam bekannt ist? Vor allem | |
das letzte Drittel des Buchs suhlt sich ein bisschen zu ausgiebig im | |
Schlamm und bietet dann nicht viel mehr als die x-te Reproduktion des | |
Festival-Stereotyps. Man darf sich schon mal fragen, warum seit Woodstock | |
eigentlich keine Zurschaustellung des wahren Open-Air-Exzesses mehr | |
auskommt ohne Schlickrutschen galore. | |
Immerhin, das zwischen ostentativer Theatralik und dann doch irgendwie auch | |
inniger Leidenschaft changierende Liebesspiel zweier sehr dreckiger | |
Mädchen, das er in einer kleinen Serie einfängt, ist anrührend und schön. | |
Vollends peinlich sind dann allerdings Chirazis Begleittexte, die sich gar | |
nicht entscheiden können, an wen sie sich mehr heranwanzen wollen: an die | |
Metalheads, die dieses Buch abkonterfeit und die es schließlich gefälligst | |
kaufen sollen, oder die Veranstalter, damit sie es mit auf den extralangen | |
Verkaufstresen legen. | |
## Mutation zur Werbebroschüre | |
Am Ende mutiert dieser liebedienerische Herzenserguss vollends zur | |
Werbebroschüre, und nicht mal als solche taugt er was. „Ich glaube, dass | |
ein bisschen von diesem Stamm in JEDEM schlummert … lass deinen inneren | |
Freak mit Stolz heraus, wann immer es dir möglich ist. | |
Denn im Herzen sind wir ALLE Freaks. Wir alle wünschen uns eine | |
Gelegenheit, um aus dem Alltag ausbrechen und uns ausdrücken zu können und | |
wir alle wollen einen ,sicheren Ort‘, an dem wir es tun können.“ | |
Dass sich Metalheads von so einer schwiemeligen Späthippiediktion | |
beeindrucken lassen, will ich mal nicht hoffen. Aber eins weiß ich sicher. | |
Dass der harte Kern es ganz und gar nicht gern hört, wenn man sein | |
Metal-Festival in eine Seniorenresidenz umzuwidmen versucht. | |
29 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
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