# taz.de -- Luftverkehr: Wenige Ziele, rote Zahlen | |
> Norddeutschlands Flughäfen stecken bis auf Hamburg tief im Minus - doch | |
> die Länder wollen von Schließungsplänen nichts wissen. Umweltschützer | |
> hingegen schon. | |
Bild: Manchmal fliegt hier wenigstens einer: Niedersachsens Ministerpräsident … | |
HANNOVER taz | Wer von den Flughäfen Norddeutschlands in die weite Welt | |
abheben will, kommt nicht weit. Von wenigen touristischen Zielen abgesehen, | |
hat nur der Hamburger Airport Interkontinentalflüge im Angebot – aus der | |
Hansestadt starten täglich Jets nach New York und nach Dubai sogar | |
zweiimal. Immerhin zwei Mal in der Woche geht’s zudem nnach Teheran. | |
Ansonsten ist Umsteigen angesagt: Passagiere mit Zielen in Südamerika, | |
Ostasien oder Australien kommen an einem oder sogar mehreren Zwischenstopps | |
an den Drehkreuzen des internationalen Flugverkehrs wie Frankfurt oder | |
London nicht vorbei. | |
Noch deutlicher wird das am zweitgrößten Flughafen Norddeutschlands, | |
Hannover-Langenhagen. Im Jahr 2013 wurden dort zwar 5,23 Millionen | |
Passagiere gezählt – doch die allermeisten von ihnen dürften als Touristen | |
oder auf Kurzstrecken unterwegs gewesen sein: Direktflüge aus Hannovers | |
Norden führen vor allem zu Zielen wie Mallorca, Teneriffa oder ins | |
türkische Antalya. | |
Auch vom City Airport Bremen geht’s – von drei an der türkischen und zwei | |
an der nordafrikanischen Mittelmeerküste liegenden Zielen abgesehen – nur | |
innereuropäisch weiter. Und Schleswig-Holsteins größter, aber in massiven | |
Zahlungsschwierigkeiten steckender Flugplatz in Lübeck-Blankensee bietet | |
gerade einmal zwei Verbindungen an: Danzig und Kiew. | |
Das mangelnde Angebot hat Folgen: Unter den Flughäfen der Bundesrepublik | |
rangieren die norddeutschen Airports auf den hinteren Plätzen. Liegt | |
Hamburg mit rund 13,5 Millionen Passagieren noch auf Platz fünf, rangiert | |
Hannover auf Platz neun und Bremen mit seinen 2,4 Millionen Fluggästen auf | |
Platz zwölf – als größtes Drehkreuz Deutschlands zählte Frankfurt dagegen | |
satte 58 Millionen Fluggäste. In den Bilanzen dominieren deshalb rote | |
Zahlen, lediglich Hamburg macht Gewinn. 2,5 Millionen Euro Miese machte der | |
Flughafen Hannover im Jahr 2012 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor. | |
Bremen veröffentlicht seine Bilanz nicht im Internet, sondern nur im | |
Bundesanzeiger. „Unserem Airport geht es richtig gut“, tönt der unter dem | |
imposanten Titel „Director Sales, Marketing & Communication“ firmierende | |
Flughafensprecher Florian Kruse am Telefon – und schickt dann eine E-Mail, | |
die für 2013 „einen Verlust von 1,5 Millionen Euro“ ausweist. Immerhin: | |
2012 lag das Minus mit 2,9 Millionen Euro noch fast doppelt so hoch. | |
Und Lübeck ist ein einziges Desaster: Im April ging der Flugplatz, den im | |
vergangenen Jahr gerade einmal 370.000 Menschen nutzen wollten, in die | |
Pleite, Betreiber Mohamad Rady Amar verschwand spurlos. Jetzt will der Chef | |
der Alleingesellschafter der in Hongkong registrierten PuRen-Group, Chen | |
Yongqiang, den Betrieb in Blankensee retten. Sein Konzept, vor allem | |
Medizintouristen aus Fernost einfliegen zu wollen, überzeugt dabei längst | |
nicht alle Beteiligten: „Für mich wird immer deutlicher, dass der Flughafen | |
ohne jegliches Konzept gekauft wurde“, sagt da zum Beispiel der Vorsitzende | |
der Grünen-Fraktion in der Lübecker Bürgerschaft, Thorsten Fürter. | |
Trotzdem stehen die Regierungen der fünf norddeutschen Länder in Treue fest | |
zu ihren Klein- und Kleinstflughäfen – in Schwerin will die regierende | |
rot-schwarze Koalition nicht einmal von ihrem Regionalflughafen | |
Rostock-Laage lassen. Stattdessen haben sich die Beamte der | |
Wirtschaftsministerien Niedersachsens, Hamburgs, Schleswig-Holsteins und | |
Bremens gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Landesentwicklungsressort | |
Mecklenburg-Vorpommerns im Sommer 2013 erst auf ein bisher einmaliges | |
„Norddeutsches Luftverkehrskonzept“ verständigt. Das charakterisieren | |
Insider als „Beton“: Die Umweltministerien waren zu den monatelangen | |
Beratungen nicht hinzugebeten worden. | |
Das Ergebnis ist ein Bekenntnis zu den tief in den roten Zahlen steckenden | |
Flughäfen. Eine „Beurteilung von Luftverkehrsinfrastruktur nach rein | |
betriebswirtschaftlicher Sichtweise“ lehnen die Ministerialen im schönsten | |
Behördendeutsch ab – schließlich sei „ein leistungsfähiger | |
Wirtschaftsstandort Norddeutschland auf internationale Verkehrsflughäfen | |
angewiesen“. Die Airports dienen demnach der „regionalen | |
Wirtschaftsförderung“, „touristischen Aspekten“ und der „besseren | |
Erreichbarkeit von wenig erschlossenen Gebieten“. Zwar seien „bis 2030 | |
keine ernsthaften Kapazitätsengpässe“ zu erwarten, die Flughäfen also zum | |
heutigen Zeitpunkt überdimensioniert, trotzdem seien staatliche Zuschüsse | |
gerade für Lübeck und Rostock aus Gründen „der Daseinsvorsorge“ legitim, | |
halten die Beamten fest. Im Falle Lübecks gilt das Prinzip Hoffnung: Die | |
Hansestadt habe den Betrieb doch „auf einen privaten Investor übertragen, | |
um dem Flughafen eine langfristige Perspektive zu geben“ – gemeint ist der | |
im April verschwundene Mohamad Rady Amar. | |
Immerhin: Den seit den Sechzigern umherwabernden Planungen für einen rund | |
30 Kilometer nördlich von Hamburg vorgesehenen „Groß- und Ersatzflughafen | |
Kaltenkirchen“ (siehe Text unten) wird in dem Papier eine eindeutige Absage | |
erteilt. „Kapazitätsengpässe am Flughafen Hamburg sind nicht zu erwarten“, | |
räumen die Ministerialen zwar ein – die bereits erworbenen umfangreichen | |
Grundstücke soll die Hamburger Flughafengesellschaft aber behalten. | |
Beerdigt wird damit nur, was längst nicht mehr zeitgemäß ist – schließlich | |
kaufen die Fluggesellschaften immer öfter Großflugzeuge wie den Airbus A | |
380, der auf seinen zwei durchgehenden Decks bis zu 853 Passagiere | |
transportieren kann und Treibstoff und Emissionen sparen hilft – und damit | |
Kosten. Bei einem Passagieraufkommen, das in den vergangenen Jahren | |
entgegen aller Prognosen eben nicht massiv gewachsen ist, bedeuten größere | |
Flugzeuge aber weniger Flüge. An den Statistiken des Deutschen Zentrums für | |
Luft und Raumfahrt ist das längst ablesbar: Zwar stieg die Zahl der | |
Passagiere an allen deutschen Flughäfen um 1,6 Prozent – zugleich starteten | |
aber 2,9 Prozent weniger Flugzeuge. | |
Freude weckt das bei den Anwohnern – nicht nur in Hannover und Hamburg | |
protestieren Bürgerinitiativen seit Jahrzehnten gegen den oft als | |
„unerträglich“ empfundenen Fluglärm. Aber auch Umweltschützer arbeiten an | |
neuen Konzepten: „Zur globalen Erwärmung trägt der Luftverkehr insgesamt zu | |
mindestens fünf Prozent bei“, sagt Werner Reh, Verkehrsexperte beim Bund | |
für Umwelt und Naturschutz (BUND) – mit einem Urlaubsflug nach Teneriffa | |
bläst ein einziger Passagier so viel klimaschädliches Kohlendioxid in die | |
Luft wie ein durchschnittlicher Autofahrer im ganzen Jahr. Nötig sei | |
deshalb eine möglichst starke Reduzierung aller Flugbewegungen, sagt Reh – | |
besonders „Ultrakurzstreckenflüge“ mit Zubringerfunktion etwa nach | |
Frankfurt sollten auf die Bahn verlagert werden. | |
Dass er damit die Existenzberechtigung von Flughäfen wie Lübeck und auch | |
Bremen infrage stellt, ist dem BUND-Mann klar. „Lübeck sollte | |
schnellstmöglich geschlossen werden“, sagt er. Auch den Bremer Flugverkehr | |
könnten größere, in Hamburg startende Jets mit übernehmen – schließlich | |
sind die Hansestädte nicht einmal eine Zugstunde voneinander entfernt. | |
Im Fall Lübeck könnte Reh schnell recht behalten: Am 31. Juli stellte die | |
irische Billigfluglinie Ryanair, die bisher die Hälfte aller Passagiere | |
herankarrte, ihre letzten drei Linienflüge ein. Gestartet wird nun in | |
Bremen und – ab Oktober – Hamburg. | |
8 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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