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# taz.de -- Lübeck könnte Abschiebe-Airport werden: Passagiere wider Willen
> Vor 20 Jahren brannte in Lübeck eine Unterkunft. Kurz vor dem Jahrestag
> schlägt Bürgermeister Saxe mehr Abschiebungen vor – vom unausgelasteten
> Flughafen.
Bild: Wünscht sich Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe: massenhafte Abschiebung…
RENDSBURG taz | Hier ein Flughafen ohne Passagiere, dort „abschiebefähige
Flüchtlinge“ – passt doch bestens zusammen, findet der Lübecker
Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). In einem Interview, das er zum
Jahreswechsel den Lübecker Nachrichten gab, erklärte der Sozialdemokrat, im
Lauf des Jahres 1.000 Menschen aus der Stadt abschieben zu wollen – über
den lokalen Flughafen. Es könne ein „Gewahrsam“, also eine Hafteinrichtung,
auf dem insolventen [1][Flughafen Blankensee] entstehen.
Dagegen protestieren Flüchtlingsorganisationen in der Stadt und auch das
Land ist nicht glücklich über den Alleingang des Bürgermeisters. „Saxe
übergeht den schleswig-holsteinischen Flüchtlingspakt, der von der
Bürgerschaft beschlossen und auch von ihm, dem Land und den Kommunen
unterzeichnet wurde“, kritisiert Katjana Zunft, Vorsitzende des
Ortsverbandes der Linken.
Der Pakt vom vergangenen Mai sieht ein abgestimmtes Handeln von Land und
Kommunen bei der Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen vor.
Nun also der Vorstoß des „Stammtischclaqueurs“ – so jedenfalls bezeichnet
Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat den Lübecker Bürgermeister wegen seiner
Abschiebepläne: „Ihm fehlen offenbar nicht nur Überblick über die eigene
Verwaltungspraxis und humanitäres Gespür, sondern auch jegliche
Sachkenntnis.“
Denn die Zahl von 1.000 Flüchtlingen, die aus Lübeck abgeschoben werden
könnten, sei „aus der Luft gegriffen“, sagt Maria Brinkmann vom
[2][Lübecker Flüchtlingsforum]. Insgesamt wurden der Stadt im vergangenen
Jahr 6.000 Asylsuchende zugewiesen. Auch wenn ein Asylantrag abgelehnt
worden ist, könne es zahlreiche individuelle Gründe geben, warum ein Mensch
dennoch nicht abgeschoben werden darf: „Krankheit, unsicheres
Herkunftsland, fehlende Papiere“, zählt Brinkmann auf.
Der Bürgermeister werfe in seinen Äußerungen „Dinge durcheinander, die man
nicht so mischen darf“, sagt sie: die freiwillige Ausreise, für die es
finanzielle Anreize geben soll, und die erzwungene Abschiebung aus einem
Gewahrsam heraus.
Saxe erklärte, er gehe nicht davon aus, dass alle „abschiebefähigen“
Menschen auch wirklich in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt würden. Aber
wenn der Eindruck entstünde, dass Asylsuchende ohne tatsächlichen Anspruch
in Deutschland blieben, sei die Akzeptanz von Flüchtlingen in der
Bevölkerung in Gefahr.
Beifall für Saxes Linie gab es von CDU-Landeschef Ingbert Liebing, der auch
selbst gerade einen „Fünf-Punkte-Plan“ zur inneren Sicherheit vorgestellt
hat. Darin schlägt Liebing schnellere Abschiebungen für straffällig
gewordene Ausländer vor und ruft die Justiz dazu auf, „ihren Umgang mit
Straftätern selbstkritisch zu würdigen“. Die Realitäten der Gesellschaft
und die moderaten Strafen stimmten möglicherweise nicht mehr überein,
kritisiert er.
Landesinnenminister Stefan Studt (SPD) äußerte sich öffentlich nur knapp zu
dem Vorstoß aus der Hansestadt: Das Thema solle lieber im fachlichen
Gespräch statt über die Medien beraten werden. Die Idee, den
Pleite-Flughafen Blankensee zum Abschiebe-Gewahrsam auszubauen, erteilte er
aber eine Absage. Schleswig-Holstein hatte seine frühere Haftanstalt für
Ausländer, die auf ihre Abschiebung warten, im vergangenen Jahr
geschlossen. Das Land könnte sich nun eine gemeinsame Lösung mit Hamburg
vorstellen.
Der Zeitpunkt für Saxes Vorstoß ist denkbar ungünstig gewählt: Am Montag
jährt sich der Brandanschlag auf ein Haus in der Lübecker Hafenstraße zum
20. Mal. Bei dem Feuer in der Flüchtlingsunterkunft starben zehn Menschen,
darunter sieben Kinder. Die Gedenkfeier für die Opfer findet am Montag ab
18 Uhr am Gedenkstein in der Hafenstraße statt. Der Bürgermeister wird
nicht dabei sein.
12 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.flughafen-luebeck.de
[2] http://fluechtlingsforum.de
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Brandanschlag
Abschiebung
Lübeck
Flughafen
Lübeck
Stadtentwicklung
Luftverkehr
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