# taz.de -- Krise der Drehbuchautoren: Endlich Freiheit | |
> Wenig Spielraum, wenig Anerkennung: Deutsche Drehbuchautoren haben es | |
> schwer. Viele veröffentlichen nun Romane. So wie Orkun Ertener. | |
Bild: Der Mann hinter Serien wie „KDD“: Orkun Ertener | |
Im hiesigen Kulturbetrieb ist der Name Orkun Ertener bislang nicht | |
sonderlich bekannt. Er ist der Autor der TV-Serie „KDD – | |
Kriminaldauerdienst“, die immer wieder als Beispiel herangezogen wird, wenn | |
es um zeitgemäß-intelligente Serienunterhaltung aus Deutschland geht. | |
„KDD“ lief 2007 bis 2009 auf dem traditionellen ZDF-Sendeplatz am | |
Freitagabend, war dort aber weniger erfolgreich als die Oldtimer „Der Alte“ | |
oder „Ein Fall für zwei“. Vermutlich fühlte sich die Zielgruppe mit der | |
düster-komplexen Erzählweise von „KDD“ unwohl. Die Serie wurde zwar mit d… | |
Grimmepreis gekrönt – trotzdem war nach der dritten Staffel Schluss. | |
Ertener ist seit zwanzig Jahren einer der bekanntesten Fernsehautoren in | |
Deutschland, der Münchner „Tatort – … und die Musi spielt dazu“ war 19… | |
sein Einstieg, er erfand die Figur des türkischstämmigen Kriminalkommissars | |
„Sinan Toprak“ der gleichnamigen RTL-Serie. Nun veröffentlicht er mit | |
„Lebt“ seinen ersten Roman, für den er sich gut zwei Jahre zurückgezogen | |
hatte. Er habe damit ein „Lebensziel“ erreicht, sagt Ertener. | |
Anders als US-Kollegen wie Nic Pizzolatto, Schöpfer der TV-Serie „True | |
Detective“, dessen Roman „Galveston“ gerade auch in Deutschland | |
veröffentlicht wurde, scheinen sich deutsche TV-Autoren ihre künstlerische | |
Anerkennung und Freiheit durch Literaturveröffentlichungen abseits ihrer | |
Fernseharbeit erkämpfen zu müssen. Im Frühjahr hatte „Tatort“- und „Be… | |
Block“-Autor André Georgi mit seinem Politthriller „Tribunal“ gezeigt, w… | |
er abseits des Krimi-Formats für den Fernsehbildschirm erschaffen könnte, | |
wenn man ihn ließe. | |
## „Primat der Regisseure“ | |
Auch Ertener nutzt die neue künstlerische Freiheit auf über sechshundert | |
Seiten voll aus und entfaltet, nach einem etwas zu detailfreudigen ersten | |
Drittel, einen actionreichen Thriller um die Identitätssuche des | |
Ghostwriters Can Evinman, die ihn mit den europäischen Umwälzungen im Zuge | |
des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. | |
Dieses historische Tableau verknüpft Ertener mit einem unbeleuchteten | |
Kapitel der jüdisch-muslimischen Geschichte im griechischen Saloniki. „Ich | |
wäre gar nicht auf die Idee gekommen, das als Fernseh- oder Filmstoff | |
machen zu wollen“, sagt der Autor – weiß aber auch selbst, dass er mit dem | |
ambitionierten Thema bei den deutschen Sendern nicht weit gekommen wäre. | |
Wie viele seiner Kollegen sieht auch Ertener als Autor einen qualitativen | |
Unterschied in der Zusammenarbeit mit Verlagen im Vergleich zu | |
TV-Produktionen: „ein größerer Respekt, eine größere Aufmerksamkeit, eine | |
größere Wertschätzung.“ In Ländern mit herausragenden Serienproduktionen | |
wie den USA, Großbritannien oder Skandinavien herrsche „das Primat der | |
Autoren“, während in Deutschland immer noch „das Primat des Regisseurs“ | |
vorherrsche. | |
Ob er sich in Zukunft lieber der Prosa zuwenden will, lässt er offen: | |
„Derzeit scheint es hier tatsächlich eine kleine Aufbruchsstimmung zu | |
geben. Eine ganze Reihe von Menschen sind guter Dinge, dass dort mehr | |
möglich sein könnte – auch aufgrund der neuen Pay-TV-Sender, die langsam | |
Serien bestellen und mitfinanzieren.“ | |
22 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Jens Mayer | |
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