Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Christlich, extrem, antieuropäisch: Rechte Graswurzeln
> An ihren Rändern verbünden sich AfD und CDU mit Abtreibungsgegnern und
> fundamentalistischen Christen. Entsteht eine deutsche Tea Party?
Bild: Beatrix von Storch und Bernd Lucke prägen die AfD
Wenn etwas ihre Unmut erregt, gründet Beatrix von Storch eine Bewegung. Als
Studentin kämpfte sie für die Wiedergutmachung der Bodenreformen in der
DDR, später gegen Abtreibungen, Finanzhilfen für Griechenland in der
Eurokrise und wider die Gleichstellung von Frauen und Männern. „Ich finde
es gut, wenn sich Menschen in die Politik einmischen, damit endlich wieder
Politik für die Mehrheit gemacht wird“, sagt sie. 2011 gab sie sogar ihren
Job auf, um Vollzeitaktivistin zu werden. Lange war sie in keiner Partei
und sie war stolz darauf. Heute ist sie die profilierteste Politikerin der
Alternative für Deutschland.
Sie ist die konservative Frontfrau der Partei. Ihr Netzwerk von Initiativen
und Online-Medien hat die Demonstrationen gegen den Bildungsplan in Baden
Württemberg maßgeblich mitorganisiert. Der Plan sah vor, dass Schüler etwas
über homosexuelle Lebensweisen lernen.
Inzwischen sind solche Töne in der AfD häufiger zu hören:
„Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind keine Ehen”, sagt Frauke Petry,
die Spitzenkandidatin der AfD in Sachsen, wo in einer Woche der Landtag
gewählt wird. Die Partei dürfte dort laut Prognosen zum ersten Mal in einen
Landtag einziehen. Die Bundespartei fordert einen Stopp aller staatlichen
Maßnahmen, die auf die Gleichstellung von Mann und Frau zielen. Und
AfD-Vorstand Bernd Lucke sagt Abtreibung sei ein „Frevel“.
## Den Ministerpräsidenten stört das nicht
In Sachsen stört das den amtierenden Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich
nicht so sehr, dass er Koalitionsverhandlungen mit der AfD ausschließen
würde. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident [1][Erwin
Teufel rät in dieser Woche sogar ausdrücklich dazu solche Koalitionen] mit
der Alternative für Deutschland „unvoreingenommen“ zu prüfen.
Gegründet worden war die Partei im Februar 2013 eigentlich als Partei von
Euroskeptikern, von Professoren, Journalisten und unzufriedenen
CDU-Mitglieder, die nicht mehr für die südlichen EU-Länder zahlen wollten,
von denen viele auch rauswollen aus der europäischen Gemeinschaftswährung.
Eine ähnliche Entwicklung spielte sich vor fünf Jahren in den USA ab. Auch
hier schlossen sich Unzufriedene wegen finanzpolitischen Forderungen - nach
niedrigeren Steuern und gegen zu viel Geld für Krisenbanken - zusammen. Sie
nannten sich Tea Party. Inzwischen geht es bei der Tea Party nicht mehr nur
um Steuern, sondern vor allem um die Anliegen der christlichen Rechten:
Demonstrationen gegen Abtreibung, gegen neue Gesetze zur Homo-Ehe, gegen
Einwanderung aus Mexiko. Über die Republikanische Partei drang die Tea
Party ins politische System vor.
## Treibt die AfD andere Parteien?
Bedeutet die Ideologisierung der AfD, dass sie zum Kern einer deutscher Tea
Party werden könnte? Und wäre sie ebenso wie die rechte
außermparlamentarische Opposition in den USA in der Lage, Einfluss auf die
große konservative Partei des Landes zu nehmen, indem sie diese mit ihren
Forderungen vor sich hertreibt? Dass das funktionieren kann, hat die
Linkspartei am anderen Ende des Parteienspektrums eine Weile mit der SPD
vorgeführt.
Ein Team von taz-Autoren hat sich auf die Spuren einer deutschen Tea Party
begeben, in Sachsen, Baden-Württemberg und Berlin. In der Titelgeschichte
der [2][taz.am wochenende vom 23./24. August] erzählen sie von frommen
Männern, die auf Stadtfesten Föten aus Plastik verteilen, und von
Initiativen, die Geld dafür zahlen, dass Mütter nicht abtreiben.
Linke Parteien könnten auch in einem anderen Aspekt ein Vorbild für die AfD
werden. Ob Antifa-Gruppen, Globalisierungsgegner oder Gewerkschaften –
linke Parteien sind mit Geflechten von Initiativen und Gruppen
verbunden,die für Anliegen der Parteien mobilisieren können, sie im
Wahlkampf unterstützen. Die Parteien wiederum tragen Anliegen ihrer
Unterstützer in die Politik und geben ihnen dort einen Resonanzraum.
## Kampagne in der EU
Als Graswurzelbewegungen gibt es solch ein Spektrum in Deutschland auch bei
der Rechten: fromme Christen, gut organisiert, mit eigenen Medien, denen
die Moderne viel zu modern ist. Mit Verbindungen zur AfD, aber auch an die
Ränder der CDU.
„Das ist eine Bewegung“, sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen
Pressearchiv Apabiz in Berlin. „Sie hat einen professionellen Kern und geht
in die Breite.“ Gemeinsam mit zwei Kollegen hat er ein Buch über
„Lebensschutz“-Organisationen geschrieben, über christlichen
Fundamentalismus und Antifeminismus. Es erscheint im September und heißt:
„Deutschland treibt sich ab.“ Für die Autoren manifestiert sich der
politische Auftrieb der deutschen Lebensschützer vor allem an den
erfolgreichen Kampagnen auf europäischer Ebene in den vergangenen Jahren.
Eine dieser Kampagnen war die gegen den so genannten Estrela-Report - die
linke portugiesische Europaabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des
Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
heißt Edite Estrela. Estrela hielt es in dem Papier unter anderem für
wünschenswert, dass die EU bei der Entwicklungszusammenarbeit mit
Regierungen darauf dringt, dass Mädchen in deren Ländern nach einer
Vergewaltigung möglichst risikofrei abtreiben lassen können. Außerdem
forderte sie eine „Sexualerziehung in einer sicheren, tabufreien und
interaktiven Atmosphäre zwischen Schülern und Erziehern“.
Von traditionellen Medien wurde der Estrela-Report kaum beachtet, doch im
Internet organisierten christlich-konservative Lobbygruppen wie European
Dignity Watch den Widerstand gegen das Papier, das dann im Oktober 2013 mit
sieben Stimmen Mehrheit in Europa-Parlament scheiterte. Auch Beatrix von
Storch hat dagegen gekämpft. „Was soll das sein, eine tabulose, interaktive
Sexualausbildung durch den Lehrer?“, fragt sie. Für sie ist das staatliche
Einmischung und grenzt an eine Einladung zum Missbrauch.
## „Linke Kreise wollten das“
„Der Unterschied zwischen dem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche
und dem im linken Milieu zum Beispiel um Cohn-Bendit oder der
Odenwaldschule ist der“, sagt sie dann noch, „ein katholischer Priester,
der so etwas tut, weiß, dass er eine schwere Schuld auf sich lädt. Er
bildet sich nicht ein, etwas Gutes zu tun. Er will auch nicht, dass der
Missbrauch legalisiert wird. Linke Kreise wollten das und behaupteten
sogar, den Kindern etwas Gutes zu tun. Denken Sie nur an die Gespaltenheit
Ihrer eigenen Redaktion in dieser Frage.“
Beatrix von Storch ist eine Kämpferin. Mit ihren Organisationen wie Zivile
Koalition und Initiative Familienschutz hat sie die Erfahrung gemacht, dass
sie die große Politik aufmischen kann. Sie ist ihre eigene Tea Party und
sie könnte das sicherlich – das Zusammenführen von organisierten
sittenstrengen Christen, klassischen Konservativen und Euro-Skeptikern in
und um die AfD.
Glauben Sie, dass sich gerade eine konservative Bewegung formiert, die
einen wirklichen Einfluss auf die große Politik haben kann? Auf die
Gesellschaft, in der wir zusammen leben?
Diskutieren Sie mit!
Die Titelgeschichte „Sie glauben daran“ lesen Sie in der [3][taz.am
wochenende vom 23./24 August 2014].
22 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/erwin-teufel-haelt-koalition-mit-…
[2] /Ausgabe-vom-23/24-August-2014/!144564/
[3] /Ausgabe-vom-23/24-August-2014/!144564/
## AUTOREN
Daniel Schulz
## TAGS
Schwerpunkt AfD
CDU
Evangelische Kirche
Tea Party
Beatrix von Storch
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Abtreibung
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Abtreibung
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Landtagswahlen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Angst vor Vielfalt: Heiliger Krieg in Hannover
Am Samstag geht das Bündnis „Ehe und Familie vor!“ gegen die
„Sexualisierung unserer Kinder“ durch rot-grüne Bildungspolitik auf die
Straße.
Demo der Abtreibungsgegner: Christliches Gewand für Nationalisten
Für das Leben wollen die „Lebensschützer“ sein. Dabei bewegen sie sich
gerne in der Nähe menschenverachtender rechtsradikaler Ideologie.
Debatte Männerpartei AfD: „Natürliche Geschlechterordnung“
Mit der AfD zieht der Antifeminismus in die Parlamente ein. Und die
Konservativen und Reaktionäre aller Parteien wittern Morgenluft.
Prominenter Austritt aus der AfD: Mit der AfD am Ende der Fahnenstange
Wegen des „klaren Rechtsrucks“ ihrer Partei hat Niedersachsens frühere
AfD-Vorsitzende Martina Tigges-Friedrichs ihre Mitgliedschaft beendet.
Kommentar Rechtspopulismus der CSU: Angst und Reaktion
Die Union hat mit dem Wahlsieg der AfD in Sachsen ein Problem. Der Partei
ist nichts peinlich, sie will nur Stimmen. Die CSU reagiert
rechtspopulistisch.
Sachsens AfD-Spitzenkandidatin Petry: Liberales Aushängeschild
Energisch, eloquent, inhaltlich geschmeidig – Frauke Petry ist eines der
bekanntesten AfD-Gesichter. Die Biografie der 39-Jährigen hat Höhen und
Tiefen.
Keine Daten über Abtreibungsgegner: Bundesregierung ist ahnungslos
Die Bundesregierung weiß nichts über radikale „Lebensschützer“. Das geht
aus einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor.
Landtagswahl in Sachsen: Die Schrumpfgermanen
Die NPD steckt in der Krise, sogar in Sachsen. Jetzt geht’s ums Überleben.
Den Ruf der „netten Nachbarn“ hat die Partei verspielt.
Politikwissenschaftler über die Tea Party: „Reaktionär, nicht konservativ“
Wovor fürchten sich die Anhänger der Tea Party? Und was haben sie mit den
Konservativen in Europa gemein? Der Politologe Christopher Parker gibt
Antworten.
Bayern-AfD und Bundesvorstand streiten: Wer hat die Neonazis aufgenommen?
In Bayern haben es Ex-NPDler, Ex-Republikaner und rechte Burschenschafter
in die AfD geschafft. In der Partei ist nun Streit ausgebrochen.
AfD will in Goldhandel einsteigen: DM-Münzen für mehr Staats-Euros
Um mehr staatliche Zuschüssezu bekommen, will die rechtspopulistische AfD
mit Gold handeln. Unter anderem hat sie vor, DM-Goldmünzen zu verkaufen.
Wahlkampf mit FPÖ-Redner: AfD schlüpft aus dem Schafspelz
Kurz vor der Landtagswahl lädt die AfD in Leipzig den FPÖ-Politiker Andreas
Mölzer zum Vortag. Selbst die FPÖ distanzierte sich von dessen Hetze.
AfD im Sachsen-Wahlkampf: Frauke auf Schlingerkurs
Die AfD steht kurz vor dem ersten Landtagseinzug. Ihr Kurs: steile Thesen,
niemanden verprellen. Die nette Frauke Petry soll das Ganze verkaufen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.