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# taz.de -- Neues Buch über Rot-Rot-Grün: Zu viel verlangt
> Der Journalist Tom Strohschneider macht sich auf die Suche nach
> Rot-Rot-Grün. Sein neues Buch ist mehr als das übliche „Es müsste doch
> gehen“.
Bild: Stehen oder gehen?
Das Tabu der SPD, nie mit der Linkspartei im Bund zu koalieren, ist 2013
gefallen. Doch eine ernsthafte Debatte, was von Rot-Rot-Grün zu erhoffen
wäre, fehlt. Wer braucht Rot-Rot-Grün? Ist es ein in Phasen politischer
Langeweile gehyptes mediales Traumgespinst? Bloß ein machttaktisches
Manöver der SPD, die Merkel zeigen will, dass sie anders könnte, wenn sie
denn wollen würde? Oder die lange überfällige Reformalternative?
Tom Strohschneider ist einer der besten Kenner der Linkspartei, ihrer
Defekte und Strukturen. Sein Buch „Lafontaines Linke“ war ein präziser
Wegweiser durch die Fusion von PDS und WASG. Derzeit ist er Chefredakteur
der Zeitung Neues Deutschland, nachdem er bedauerlicherweise der taz den
Rücken kehrte. Man nimmt sein 100 Seiten dünnes Büchlein „Linke Mehrheit?�…
mit der Erwartung in die Hand, mehr als das übliche „Es müsste doch gehen“
zu bekommen.
Strohschneider skizziert Rot-Rot-Grün, ganz Chronist, als Abfolge
verdienstvoller Diskussionszirkel wie des Instituts Solidarische Moderne
und der Oslo-Gruppe. Die erste Lockerungsübung in dem versteiften
Verhältnis von SPD und PDS/Linkspartei liegt lange zurück: Es war die
Erfurter Erklärung 1997. Strohschneider zeichnet diese Debattenzirkel,
Konferenzen, Arbeitsgruppen, Aufrufe recht ausführlich nach. Sie waren als
Türöffner nötig, um langsam die Kontaktsperre der SPD Richtung Linkspartei
aufzulösen. Im Rückblick erkennt man, wie klein diese Gruppen waren. Was
ganz fehlt, ist politische Praxis.
Das Interessanteste dieses Textes findet sich auf den letzten 15 Seiten.
Strohschneider versucht einen dritten Weg zu erkunden – zwischen
Linkspartei-Realos, die regieren wollen, und Fundis, die viele rote
Haltelinien aufspannen, damit es dazu bloß nie kommt. Rot-Rot-Grün müsse,
so die These, an soziale Bewegung rückgekoppelt werden. Regieren ja, aber
nur, wenn es „neuen Räumen der Selbstermächtigung“ dient. Und wenn eine
„lebendige, kritische, auch nervige“ Gesellschaft der Regierung stets auf
die Finger schaut. Auch Linksparteifundis werden nicht als Hindernis für
Realpolitik verstanden – sondern dialektisch „als Druck“ in Szene gesetzt,
der gebraucht wird, damit die Regierungslinke sich nicht von der
Ministerialbürokratie verfrühstücken lässt.
Für Bewegung, gegen Apparate – das klingt gut. Und seit Schröders
Machtwort-Politik und der rot-grünen Agenda 2010 ist ja äußerste Skepsis
gegen Regieren als Selbstzweck angebracht. Allerdings weiß man nicht so
recht, von welcher sozialen Bewegung die Rede ist. Wenn Strohschneider,
Thomas Seibert zitierend, von einer rot-rot-grünen Regierung fordert, „zu
sich selbst in Opposition zu treten“, dann ist das hypertroph. Reicht es
nicht, dass ein Mitte-links-Bündnis handwerklich vernünftig arbeitet und
für mehr sozialen Ausgleich sorgt?
Strohschneider plädiert sympathischerweise für eine „drastische
Entideologisierung von Rot-Rot-Grün“. Also lieber kleinteilig, ohne
Überhöhung. Doch zugleich überhöht er Rot-Rot-Grün mit ein paar
Federstrichen zum Avantgardeprojekt, das die klaffende Lücke zwischen
Regierenden und Regierten schließen soll. Das ist zu viel verlangt.
22 Aug 2014
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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