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# taz.de -- Gutachten über Rekommunalisierung: Kommunal bringt’s total
> Das vom Senat bestellte Gutachten rechnet die finanziellen Vorteile einer
> vollständigen Rekommunalisierung vor – es bestätigt die ver.di-Forderung.
Bild: Weil das Müllthema eine große Baustelle ist, hat die Koalition Angst, s…
„Durch dieses Gutachten fühlen wir uns in unserer Position bestätigt“, das
sagt der Ver.di-Sekretär Stefan Schubert zu dem Papier der
Unternehmensberater der Firma Econum. Der Bremer Senat hatte die Experten
von Econum, die auch andere Kommunen bei der Gestaltung ihrer
Müllentsorgungs-Aufgabe beraten, um eine Expertise zu der Frage gebeten,
welche Vor- und Nachteile eine teilweise oder vollständige kommunalisierte
Entsorgung hätte. Im Jahre 2018 läuft der 20-jährige Vertrag aus, mit dem
Bremen damals die Müllabfuhr an die Firma Nehlsen verkauft hat.
Die Gewerkschaft Ver.di fordert die vollständige Rekommunalisierung, und
seitdem Ver.di mit einem Volksbegehrens zu der Frage droht, befasst sich
die zuständige Bauverwaltung unter Hochdruck mit der Frage. Kernpunkt für
Ver.di ist die Tatsache, dass Nehlsen eine „Zweiklassengesellschaft“ bei
der Müllabfuhr und Straßenreinigung eingeführt hat: Mitarbeiter von Nehlsen
werden nach einem Haustarif etwas unter dem für gewerbliche Müllbetriebe
geltenden BDE-Tarif bezahlt, die früheren städtischen Müllwerker nach dem
Tarif für den öffentlichen Dienst –rund 15 Prozent mehr.
Die Stadtgemeinde Bremen hat 1998 mit dem Verkauf ihrer
Müll-Entsorgungsfirma ENO an Nehlsen den kompletten eigenen Sachverstand
abgegeben – das war, darin sind sich die Politiker der rot-grünen Koalition
einig, ein Fehler und soll korrigiert werden. Wie viel kommunalen Einfluss
die neue Struktur aber ermöglichen soll, wird derzeit heftig diskutiert.
Klar ist: Wenn die Kommune Bremen wieder etwas zu sagen hat, müssen gleiche
Löhne gezahlt werden. Denn 1,8 Millionen Euro „spart“ Nehlsen durch
Niedrig-Löhne, sagen die Gutachter von Econum.
Aber dafür müssen die Müll-Gebühren nicht erhöht werden: Bei einer
kommunalen Müllabfuhr würde keine Mehrwertsteuer anfallen – das sind rund
4,7 Millionen Euro im Jahr. Und ein kommunaler Betrieb würde keine
Gewinnabsicht haben – den schätzen die Econum-Gutachter auf 2,7 Millionen
Euro.
„Deutlich höher“ seien die Gewinne in Wirklichkeit, weiß Gewerkschafter
Schubert, eher doppelt so hoch. Nehlsen macht dazu keine Angaben. Bei
stabilen Gebühren würden also bei einer Rekommunalisierung zwischen sieben
und zehn Millionen Euro zur Verfügung stehen für eine umweltfreundliche
Müllpolitik und für eine gewerkschaftsfreundliche Lohnstruktur. Zudem
müsste ein öffentlicher Betrieb mit deutlich geringeren Finanzierungskosten
für die Anlagen rechnen als Private.
Ein Problem: Bremen hat bei der Privatisierung damals schlechte Verträge
abgeschlossen. Geradezu unverantwortlich, so der Gewerkschafter, sei die
Tatsache, dass keinerlei Vorsorge getroffen wurde für die Frage, was mit
den Betriebshöfen und den Fahrzeugen bei Auslaufen der Verträge 2018
geschieht. Normalerweise hätte man Kriterien für den Rückkauf formulieren
müssen, das sagen auch die Gutachter. Nehlsen könnte sich bockig stellen
und einen Nachfolger – sei es eine andere Firma oder die Kommune – zwingen,
die Entsorgungs-Infrastruktur neu aufzubauen. Dann könnten zwar moderne,
umweltfreundlichere Fahrzeuge angeschafft werden, aber das hätte seinen
Preis.
Die schlechten Verträge aus dem Jahre 1998 bringen die Stadt heute in eine
„schlechte Verhandlungsposition“, so formulieren die Gutachter. Das
Hauptproblem steckt hinter der Frage, ob ein kommunaler Betrieb genauso
effizient wirtschaften kann wie ein privater. „In der Praxis“, schreiben
die Gutachter, seien „inzwischen häufig kommunale Betriebe“ anzutreffen,
die das schaffen. In der von Ver.di geforderten Rechtsform einer „Anstalt
des öffentlichen Rechts“ (AöR), in der keine Mehrwertsteuer anfiele, könnte
die Rekommunalisierung dann unterm Strich 7,2 Millionen Euro sparen, sagen
die Gutachter des Bausenators. Im schlechtesten Fall würde es 3,2 Millionen
Euro teurer – alle anderen Varianten haben deutlich höhere Risiken. Ein
„Joint Venture“ mit städtischer Minderheitsbeteiligung, also geringerem
Einfluss, könnte sogar 7,8 Millionen Euro teurer werden.
Trotz dieses eindeutigen Gutachtens herrscht aber in Kreisen der rot-grünen
Koalition Skepsis gegenüber einer Rekommunalisierung. „Wieso können die in
Berlin, Hamburg oder München die Müllabfuhr kommunal organisieren, in
Bremen aber nicht?“, fragt der Gewerkschafter Schubert. „Was der rot-grünen
Koalition in Bremen fehlt, ist der politische Mut.“
27 Aug 2014
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Kommunen
Rekommunalisierung
Bremen
Senat Bremen
Müllabfuhr
Schwerpunkt TTIP
Müllabfuhr
Müll
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