# taz.de -- Degrowth-Konferenz in Leipzig: Wachsende Wachstumskritik | |
> Am Dienstag beginnt die kapitalismuskritische Degrowth-Konferenz. Die | |
> Teilnehmer wollen weniger konsumieren und lohnarbeiten, dafür mehr | |
> teilen. | |
Bild: Immer mehr, immer höher. | |
BERLIN taz | Basisdemokratie, Ehrenamt sowie hohe soziale und ökologische | |
Ansprüche. Für Christopher Laumanns gehört das zu Degrowth dazu. Der | |
30-Jährige organisiert zusammen mit etwa 70 anderen meist Ehrenamtlichen | |
die vierte internationale Degrowth-Konferenz für ökologische Nachhaltigkeit | |
und soziale Gerechtigkeit, die ab Dienstag in Leipzig stattfindet. | |
Degrowth, zu Deutsch etwa „Wachstumsrücknahme“, ist der Überbegriff für | |
eine neue Bewegung, die Kritik am Wachstumsdogma der Wirtschaft übt – und | |
Umdenken fordert. | |
Eine Idee mit gerade stark wachsendem Zuspruch: Zum Degrowth-Kongress in | |
Leipzig haben sich 2.500 Teilnehmer angemeldet – der Ansturm war so groß, | |
dass seit zwei Wochen keine Anmeldung mehr möglich ist. Organisator | |
Laumanns hat Philosophie und Politikwissenschaften studiert – und | |
entspricht damit dem durchschnittlichen Konferenzteilnehmer: jung, studiert | |
und engagiert. | |
Bei über 400 Veranstaltungen diskutieren bis Samstag an der Universität | |
Leipzig Wissenschaftler, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, | |
politische Aktivisten und Künstler. Diese Vielfalt spiegelt sich auch im | |
Programm. Neben Diskussionen bietet die Konferenz auch praktische Workshops | |
wie Haltbarmachen und Fermentieren von Lebensmitteln und Kunstaktionen. Bei | |
einem Theaterworkshop wird „Momo und die grauen Herren in uns“ inszeniert. | |
Einige Podien sind prominent besetzt, zum Beispiel mit dem Oldenburger | |
Wachstumskritiker Niko Paech. Die kanadische Globalisierungskritikerin | |
Naomi Klein („No Logo!“) eröffnet das Treffen per Video-Schalte. „Das | |
Programm ist darauf ausgelegt, dass sich Theorie und Praxis verschränken“, | |
sagt Attac-Mitglied Andrea Vetter. | |
Bei den Globalisierungskritikern denken nicht alle, dass eine Abkehr vom | |
Wachstum der richtige Weg ist. Das sei jedoch kein Problem – im Gegenteil, | |
findet Vetter: „Das Irritierende von Degrowth ist seine Stärke.“ Um einen | |
„tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel“ anzustoßen, müssten „alle | |
Bereiche mitarbeiten“, sagt die Kulturanthropologin. Die | |
Degrowth-Konferenz, die erste ihrer Art in Deutschland, soll dafür der | |
Auftakt sein. | |
## Teilnahmebeiträge frei wählbar | |
Da die natürlichen Ressourcen endlich sind, ist es für die | |
Degrowth-Anhänger keine Frage, ob eine Schrumpfung der Weltwirtschaft | |
bevorsteht, sondern nur, wie man diese gestalten will. Die Lösung von | |
Degrowth: weniger konsumieren und lohnarbeiten, dafür mehr teilen, | |
reparieren und selber machen. „Das primäre Ziel ist nicht nur, das BIP zu | |
reduzieren. Es geht darum, Wachstum als Logik zu kritisieren“, sagt die | |
Philosophin Barbara Maruca. Sie arbeitet am Kolleg | |
„Postwachstumsgesellschaften“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der | |
Universität Jena. Die Hochschule organisiert die Konferenz zusammen mit der | |
Universität Leipzig, dem Förderverein Wachstumswende, dem Konzeptwerk Neue | |
Ökonomie und der internationalen Forschungsinitiative „Research and | |
Degrowth Network“. | |
Schon die Planung der Konferenz sollte die gewünschten Veränderungen | |
umsetzen. So war der Teilnahmebeitrag zwischen 15 und 200 Euro frei | |
wählbar. Ein gewagter Versuch, sagt Organisator Laumanns: „Manche in der | |
Gruppe glaubten nicht, dass das gut gehen würde.“ Die Teilnehmer hätten „… | |
Durchschnitt mehr gegeben als kalkuliert war“, bestätigt Finanzplaner | |
Daniel Constein. 15.000 Euro für Kinderbetreuung, Reisekostenzuschläge und | |
die Finanzierung des Internet-Livestreams wurden außerdem durch eine | |
Crowdfunding-Kampagne gesammelt. | |
Größte Herausforderung der Organisatoren sei der Anspruch gewesen, wichtige | |
Entscheidungen im Konsens zu treffen, erzählt Laumanns. Damit die Nerven | |
nicht irgendwann blank lagen, wurde eine Arbeitsgruppe eigens zur | |
Begleitung der Gruppenprozesse gegründet. Laumanns: „Es gab Raum für | |
Emotionen. Das Besondere waren die Achtsamkeit und Sensibilität | |
füreinander.“ | |
1 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Joanna Nogly | |
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