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# taz.de -- Die Wahrheit: Erbe des Urlaubs
> Eine Woche Ostsee mit Kindern und Oma: Es war wie im Frauenknast, nur
> ohne interessante lesbische Erfahrungen.
Bild: Einzug in vier Wänden.
Eine Woche Ostsee mit Kindern und Oma im Rollstuhl hat unterm Strich nicht
wirklich zur Entspannung beigetragen. Eigentlich war es wie im Frauenknast,
nur ohne interessante lesbische Erfahrungen. Die Wetterverhältnisse und
Omas schlimmes Bein fesselten uns meist an die Fewo, die aufgrund ihrer
Größe von Oma binnen drei Minuten komplett mit Lord-Extra-Qualm
eingeräuchert wurde, denn sie war mit dem Rolli nicht in der Lage, die hohe
Schwelle zur Terrasse zu überwinden.
Ich versuchte zwar, das Gute zu sehen: Während sie raucht, raucherhustet
sie immerhin nicht – so wie jede Nacht ab circa vier Uhr. Doch nachdem uns
beim abendlichen Aschenbecherhinausstellen eine Motte groß wie Tutulla ins
Nichtraucherappartement flatterte, und ich feststellen musste, dass ich die
einzige anwesende Erwachsene mit komplett funktionierenden Gliedmaßen war,
fiel meine Laune etwas in den Keller.
Dramaturgisch hatte ich den Höhepunkt des Freizeitangebots am dritten Tag
ausgemacht, an dem die „Keramikmalstraße, auch bei schlechtem Wetter!“ in
der Nähe der Fewo-Anlage haltmachen sollte. Doch jene angebliche Straße
entpuppte sich als kleines Zelt, in dem man ab acht Euro weiße
Keramikkatzen, -leuchttürme oder -thermometer lackieren konnte. So lockte
das Angebot Oma, die vorher groß getönt hatte, sie wolle unbedingt einen
Aschenbecher bemalen, nicht hinter dem Ofen hervor, als ich es ihr mit der
Aussage „Aber das kennst du doch aus der Reha!“ schmackhaft machen wollte.
Und die Kinder malen in ihrer aktuellen Tabletop-Strategiespiel-Phase
ohnehin nichts an, was keine Waffe trägt.
Am vierten Tag ging eines der Kinder verloren, und der Gedanke, dass man
von einer Insel ja nicht so schnell verschwinden kann wie auf dem Festland,
wo den ganzen Tag Kinderdiebe und Organhändler in SUVs mit getönten
Scheiben herumfahren, tröstete mich zwar – außerdem trug das Kind den
Lego-Clubausweis mit sich und würde zur Not ins Legoland zurückgeschickt
werden. Dennoch hatte ich nach drei Stunden Inselrundgang die Nase voll.
Der Sohn wartete zu Hause vor der Tür und weigerte sich, hundertmal „Ich
muss mein Handy aufladen“ zu schreiben, mit dem Argument, es seien
schließlich Ferien.
Am fünften Tag beschloss ich, dem Frauenknast für einen Abend zu entfliehen
und ging in die Bar des größten Inselhotels. Dort sollte eine irische
Glatze mit Gitarre Cliff-Richard-Songs interpretieren, was unter gegebenen
Umständen paradiesisch klang. Leider schien ich das Roger-Whitaker-Set
erwischt zu haben. Nach einem Zwist mit der Thekenkraft, die sich weigerte,
einen „Wodkatini“ zu mixen, huschte ich zurück zu Oma, die wie eine kleine
Dampflokomotive vor dem Fernseher saß und eine Dokumentation über Senioren
in Israel guckte, die vom Arzt gedrehte Marihuana-Joints gegen ihre
Zipperlein verschrieben bekommen.
„Komm bloß nicht auf dumme Gedanken“, sagte ich zu ihr. Sie verzog nicht
die Miene. Sie hat etwas sehr Lakonisches, das würde ich irgendwann gern
mal von ihr erben.
5 Sep 2014
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Familie
Ostsee
Urlaub
Knast
Tierwelt
Monaco
Finnland
Vögel
Tod
Ikea
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