# taz.de -- Die Wahrheit: Loculamentum Expedialis Eclipsis | |
> Beim Zaubern führt nur das stete Üben zum Erfolg. Bannsprüche helfen | |
> gegen Mobiliar eines großen schwedischen Möbelkonzern nicht. | |
Wenn ich ein böser Zauberer wäre, würde ich mit einem Zauberspruch alle | |
Expedit-Regale auf der ganzen Welt in Luft auflösen. Oder zumindest damit | |
drohen. Obwohl Zauberer ja selten mit etwas drohen, weil sie keine | |
politischen oder gesellschaftlichen Ziele verfolgen, so wie beispielsweise | |
Terroristen, sondern einfach von Grund auf böse sind. | |
Jedenfalls: Mit meinem Zauberspruch – ich denke da an etwas à la Harry | |
Potter, etwas wie „Loculamentum Expedialis Eclipsis!“ – gäbe es einen | |
unglaublich lauten, überall zu hörenden Rumms, und Millionen Kilo Bücher, | |
Ordner, Klamotten, Krimskrams, Geschirr und so weiter landeten gleichzeitig | |
auf den Böden von Büros und Wohnräumen. Wäre das herrlich! | |
Leider habe ich das Gefühl, der Ikea-Konzern würde meinen | |
Erpressungsversuch nicht ernst nehmen. Oder schlimmer: Er würde ihn dankend | |
annehmen. Denn alle Expedits verschwinden zu lassen, bedeutet ja auch, Raum | |
für die Expedit-Nachfolge-Regale, die „Kallax“ zu schaffen, die aus | |
unerfindlichen Gründen gerade den Platz der Expedits eingenommen haben und | |
fast genauso aussehen. | |
Da ich mich aber nicht vor einen Werbekarren spannen lassen möchte (Neil | |
Young singt schließlich auch für niemanden), werde ich es doch lieber | |
weiter mit den üblichen, harmlosen Sprüchen wie „Lumos!“ (für Licht an d… | |
Spitze des Zauberstabs) oder „Reparo!“ (repariert zerbrochene Gegenstände) | |
probieren. Denn ich denke, auch beim Zaubern führt nur das stete Üben zum | |
Erfolg. | |
Als Kind habe ich mich ein Jahr lang intensiv mit der Roald-Dahl-Geschichte | |
über „Imhrat Khan, der Mann, der ohne Augen sehen kann“, beschäftigt, in | |
der ein reicher Nichtsnutz, Spieler und Playboy eines Tages ein Büchlein | |
entdeckt, das von einem Inder erzählt, der dank einer besonderen | |
Meditationstechnik ohne Augen sehen kann. Der Playboy beschließt, die | |
Technik zu erlernen, und übt Tag und Nacht. Am Ende lernt er es, kann | |
fortan durch Kartenrücken hindurch sehen, gewinnt infolgedessen ein | |
Vermögen, legt es jedoch – denn Dahl ist unter der sarkastischen Kruste ein | |
moralischer Mann – in die Errichtung von Kinderheimen an, weil die Übungen | |
ihn als Kollateraleffekt zu einem „guten Menschen“ gemacht haben. | |
Als ich Khans Technik damals übte, war ich nach ein paar Wochen überzeugt, | |
mit geschlossenen Augen Umrisse wahrzunehmen. Es kam mir lediglich etwas | |
Blödsinniges dazwischen, vermutlich die Pubertät, sonst wäre ich jetzt | |
längst „Jenni Zylka, die Frau, die ohne Augen sehen kann“ und nicht „Jen… | |
Zylka, die Frau, der selbst Multifokallinsen nicht mehr helfen können“. Und | |
ich hätte auch bestimmt nicht diese Abneigung gegen Yoga entwickelt, die | |
immer schlimmer wird, seit sogar enge Freunde, die ihre Muckis früher | |
begeistert in prolligen Fitnessstudios oder beim Laufen aufpumpten, | |
neuerdings von „Bikram-Yoga“ schwärmen. | |
Wo sind wir denn, in München? Ich habe große Angst, dass jene Freunde sich | |
demnächst einen Yogazopf stehen lassen. Denn dann müsste ich ernsthaft | |
darüber nachdenken, ob unsere Freundschaft noch Zukunft hat. | |
6 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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