| # taz.de -- Die Wahrheit: Letzte Worte | |
| > Man will ja nicht unbedingt mit den letzten Worten „Nicht mal ein | |
| > interessanter Eigengeschmack!“ abtreten. Andere Sprüche eignen sich | |
| > besser. | |
| Bild: Der Sensenmann gibt sich in dieser Saison ein neues Kleid. | |
| Hatte neulich wieder zu Fugu und Chips eingeladen, aber keiner schien Zeit | |
| zu haben. Diese übertriebene Vorsicht kann ich gar nicht verstehen. Ein | |
| kleines bisschen Risikofreude sollte man meiner Generation ruhig | |
| zugestehen. Andererseits: Angeblich hat Fugu, das erzählten die, die’s | |
| überlebten, nicht mal einen interessanten Eigengeschmack, und man will ja | |
| nicht unbedingt mit den letzten Worten „Nicht mal ein interessanter | |
| Eigengeschmack!“ abtreten, sondern lieber mit einem schönen, | |
| aussagekräftigen Spruch, etwa: „Platz da, jetzt komme ich!“ oder „Good b… | |
| cruel world“, obwohl ich mir bei Zweiterem noch nicht so ganz sicher bin. | |
| Eventuell müsste man beizeiten ein paar markige Lieblingssprichworte | |
| pauken, damit sie im Falle eines Falles parat sind, nicht dass einem dann | |
| nur einfällt „Eine Taube macht noch keinen Sommer“ oder „Rede wenig, rede | |
| wahr, vieles Reden bringt Gefahr“, wenn der Herr Tod mit seiner Sichel an | |
| der Tür schabt. | |
| Ich könnte mir übrigens gut vorstellen, bei einem Tandem Jump abzustürzen, | |
| mit einem von Windböen durchgepusteten „Wieso geht der nicht | |
| aaaaaaaaaauf???“ auf den Lippen, so stirbt man immerhin nicht allein. | |
| Selber Fallschirm zu springen wäre mir zu langweilig, und die letzten Worte | |
| würde ja auch keiner hören. Das ist nebenbei einer der Gründe, warum ich | |
| mich nie in meinem Leben, nicht mal in einer suizidalen Phase, an ein | |
| Bungeeseil hängen lassen würde. Bungeejumping ist ohnehin eine grässliche | |
| 90er-Jahre-Mode, genau wie die Love Parade. | |
| Diese überkandidelten Stuttgarter Blumenbikinimäuse, die immer meinen | |
| schönen Tiergarten vollpieseln, sind garantiert die Gleichen, die sich am | |
| nächsten Tag am Gummiseil vom Park Inn Hotel am Alexanderplatz stürzen, | |
| während von oben der wegen des fehlenden Schlafs etwas übermüdete Typ aus | |
| Bielefeld hinterherwinkt, mit dem sie am vorherigen Abend in den Rabatten | |
| lagen. Hach ja, seufz, die Jugend. Und wenn sie ausgebaumelt sind, kommt | |
| ein rbb-Reporterteam, das damals noch stolz das ORB-Logo auf den | |
| Mikrophonen trug, und die Bikinimaus schnauft „Geil!!! Das war soo geil!!! | |
| Einfach nur geil!!“ ins Mikro oder etwas ähnlich Beklopptes, mit dem man | |
| sich nicht im Fernsehen sehen möchte. | |
| Nun ja, ich werde es nie erleben. Bei meinen Tandem Jump lande ich nämlich | |
| direkt in einer abgelegenen Ecke eines Parks neben der Villa eines | |
| gefährlichen Schurken, der gerade die Regierungen der Welt mit einem | |
| abschussfertigen Megasatelliten aus dem All bedroht. Mein | |
| Tandem-Jump-Freund und ich müssen also schnell raus aus unseren hässlichen | |
| Gurt-Overalls, damit mein Abendkleid darunter nicht allzu sehr zerknittert, | |
| und dann mischen wir erstens uns unter die exklusiven Gäste und zweitens | |
| die Veranstaltung auf, damit der Satellit-Erdzerstörungs-Countdown nicht | |
| losgeht. Das ist meine Welt! | |
| Aber wenn ich mich doch versehentlich für den blauen (und nicht den roten) | |
| Draht entscheiden sollte, den ich mit der heimlich im Abendkleid | |
| geschmuggelten Nagelschere kurz vor Ende des Countdowns abknipse, sind | |
| meine letzten Worte definitiv: „Mist, verdammter.“ | |
| 3 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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