Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Asylbewerber beim Football: Auswärtsspiele gehen nicht
> Madiama Diop ist Spieler bei den Würzburg Panthers. Doch wenn sein Team
> für Spiele weiter wegfährt, darf er nicht mit. Eine Grenze, für alle.
Bild: Der Mann mit der 45: Madiama Diop.
WÜRZBURG taz | Madiama Diop ist eine kleine Berühmtheit. Das hätte er nie
gedacht, als er nach Deutschland kam. Sein Fall sorgt seit Wochen für
Empörung weit über die Grenzen von Würzburg hinaus. Wegen der
Residenzpflicht für Asylbewerber darf der Senegalese das bayrische
Unterfranken nicht verlassen. Als die Würzburger Panthers Anfang August ein
Playoff der bayrischen Landesliga im American Football gegen die Bamberg
Bears spielten, musste er zu Hause bleiben.
„Sinnlose Bürokratie und Schikane durch Behörden sind in Deutschland leider
an der Tagesordnung“, findet Doris Habelt, die wie 26.000 andere eine
Petition für Madiama Diop auf [1][change.org] unterschrieben hat. Den
knappen 24:22-Sieg seines Teams konnte Diop nur über Internet und per
Telefon verfolgen. „Wenn Integration schon von beiden Seite gelingt, dann
soll man das fördern und nicht ausbremsen“, schreibt Unterzeichner Ralf
Thees, und viele pflichten ihm bei.
Der Senegalese ist ein Trumm von einem Mann. Hochgewachsenen und
breitschultrig, sieht er aus wie das Musterbild eines Footballers. Wenn er
sich auf dem großen Sportplatz der freien Turnerschaft in Würzburg
aufwärmt, die Schultern kreisen lässt und Liegestütze macht, dann wirkt das
ziemlich profimäßig. Dann. Pause. Und Diop lacht. Laut. Ansteckend.
Jugendtrainer und Teamkollege Johannes Brandt erzählt: „Er hat sich sofort
bei uns reingefunden. Er ist ein fester Teil unserer Mannschaft und bringt
unheimlich viel Enthusiasmus mit.“ Dann macht er eine kurze Pause und sagt:
„Im Sport ist jeder gleich. Die Probleme kommen von außen.“ Von den
Behörden und Bürokraten.
## Fördergeld vom Spielverderber
Über das Projekt „Sport ohne Grenzen“ stieß Madiama Diop zu den Würzburg
Panthers. Dessen Ziel ist es, Asylbewerber als vollwertige Mitglieder bei
den Würzburger Freien Turnern zu integrieren. Das Groteske dabei: Die
Fördergelder für das Projekt kommen auch von der Stadt Würzburg, von den
Spielverderbern, wenn man so will.
„Von offizieller Seite werden wir gefördert. Aber dann bekommt man
ebenfalls von offizieller Seite zu hören, dass die Asylanten eben nicht
gleichwertig sind“, sagt Stephan Rinke, einer der Mitgründer des Projekts
„Sport ohne Grenzen“. Dabei gebe es keinen besseren Integrationsweg als
Sport. Madiama Diop ist für ihn ein „gelebtes Musterbeispiel an gelungener
Integration“.
Die Panthers legen ihre Schulterpolster an. Madiama Diop sitzt in der
Hocke, dreht ein wenig unsicher den eiförmigen Football in seinen Händen
und blickt zu Boden, während er von einem ZDF-Kamerateam gefilmt wird.
„Letzte Woche war RTL hier und heute Morgen gab es einen Beitrag im
Bayrischen Rundfunk“, sagt Rinke. Es sei wichtig, Aufmerksamkeit in den
Medien zu erzeugen, damit sich etwas ändert.
Für den Verein ist es natürlich das Wichtigste, das sein Führungsspieler
mitspielen kann. Doch der Fall hat auch Präzedenzcharakter. Das Problem
könnte sich wiederholen. Und das nicht nur für Madiama Diop.
## Ein Spiel, mehr nicht
Als er damals für das Spiel in Bamberg eine Ausnahmegenehmigung beantragte,
wurde er von Stephan Rinke aufs Amt begleitet, auf die sogenannte Zentrale
Rückführungsstelle. Dort haben sie Rinke gesagt: „Was wollen Sie hier? Ihr
Projekt macht doch gar keinen Sinn. Sie machen den zweiten Schritt vor dem
ersten. Sie wissen doch gar nicht, ob die Asylbewerber hier bleiben.“ Er
verschränkt die Arme, sein Gesicht zeigt eine Mischung aus Ungläubigkeit
und Wut.
Die Residenzpflicht gibt es. Sicher. Aber es geht auch um Integration – und
nur um ein Spiel, bei dem Madiama Diop morgens um acht mit seiner
Mannschaft in einen Bus steigt, am Abend wieder daheim ist und
zwischendurch Football spielt. Mehr nicht.
Der Regierungsbezirk Mittelfranken und die Würzburger Rückführungsstelle
scheinen das anders zu sehen. Madiama Diop kann sich auch in in Deutschland
integrieren, wenn er nicht zu den Auswärtsspielen fährt, finden sie. Er
kann ja trotzdem zu den Trainingseinheiten gehen und an den Heimspielen in
Würzburg teilnehmen. Das bedeutet im Klartext: Madiama Diop darf natürlich
Teil der Würzburg Panthers sein, er darf auch im heimischen Stadion
spielen, zu den Mannschaftsabenden gehen und mit seinen Teamkollegen
feiern. Doch kurz vor Bamberg endet Madiama Diops sogenannte Integration.
Rund 20 Kilometer vor Bamberg verläuft die Grenze zwischen den
Regierungsbezirken Unterfranken und Oberfranken. 20 Kilometer – das klingt
wie ein Katzensprung. Für Madiama Diop stellen sie allerdings eine
Demarkationslinie dar.
Diops breites Lachen verschwindet bei der Erinnerung an die
Negativnachricht: „Es war ein Schock für mich. Sie haben mir einen Brief
geschrieben, in dem stand, dass ich nicht für mein Team spielen darf. Das
war unglaublich schwer für mich und auch für das Team. Ich saß ganz
tatenlos daheim vorm PC.“ In feinstem Beamtendeutsch war die Absage bei
Diop eingetroffen: Bei einem Footballspiel liege der Schwerpunkt auf dem
Freizeitwert und daher werde eine Verlassenserlaubnis „zur Vermeidung einer
unbilligen Härte“ nicht erteilt. Bayern ist da besonders streng.
## „Die Panthers sind wie meine Familie“
American Football, Sport generell, ist die große Leidenschaft des
Senegalesen. Schon als Kind spielte er in seinem Heimatland. Die Würzburg
Panthers sind inzwischen zu einer kleinen Heimat geworden. Stolz erklärt
er: „Sie sind wie meine Familie.“ Seine richtige Familie musste der
29-Jährige in Senegal zurücklassen. Er hat zwei kleine Töchter, die er
jetzt seit acht Jahren nicht mehr gesehen hat. Doch in seiner Heimat sah
der Exsoldat keine Zukunft mehr. Er reiste umher auf der Suche nach Arbeit
und einer festen Bleibe: Frankreich, Spanien, Großbritannien, Italien,
Niederlande und Südamerika. Jetzt ist er in Würzburg, arbeitet
aushilfsweise im Weinbau und hofft nach einer langen Odyssee endlich
angekommen zu sein. Sein Asylantrag läuft noch.
Für Stephan Linke ist die Entscheidung und Aussage des Regierungsbezirks
Unterfranken ein Beispiel für die vielen Widerstände, auf welche
Asylbewerber in Deutschland stoßen. Für das nächste Auswärtsspiel wollen
die Würzburg Panthers wieder um eine Ausnahmegenehmigung für Madiama Diop
ersuchen. Sie wollen nicht aufgeben und sehen nicht ein, dass einer ihrer
besten Spieler daheim bleiben muss.
Auf Facebook riefen sie dazu auf, sich mit Diops Trikotnummer 45
fotografieren zu lassen. Innerhalb weniger Stunden kamen Dutzende Bilder
zusammen, es werden immer mehr. Die 45 hat Konjunktur. Sie hoffen auf ein
Einsehen bei den Behörden. Diop möchte endlich hinter der Grenze von
Unterfranken Football spielen, Gesetz hin oder her. Diese harte Form der
Residenzpflicht besteht so nur noch in Bayern und Sachsen.
Als die Würzburger Panthers endlich anfangen zu spielen, dämmert es
bereits. Sie stehen alle zusammen, rufen laut „Down, Set, Hut“ und stürmen
los. Madiama Diop ist ganz vorne dabei. Der Senegalese ist ein Teil dieser
Mannschaft – im Training und, so hoffen sie, bald auch bei allen Spielen.
6 Sep 2014
## LINKS
[1] http://change.org
## AUTOREN
Alexandra Brechlin
## TAGS
American Football
Asylsuchende
Residenzpflicht
NFL
Unterbringung von Geflüchteten
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Berlin-Kreuzberg
Flüchtlinge
Thomas de Maizière
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gewalttätiger Football-Spieler in den USA: Er darf wieder
Gewalttäter Ray Rice darf nach einem Gerichtsurteil wieder auflaufen – wenn
ihn denn ein Team verpflichtet. Dumm steht nun vor allem der Ligaverband
NFL da.
Zustände in den Flüchtlingsunterkünften: Per „Fluchtschiff“ nach Berlin
Aktivisten und Flüchtlingsfrauen schipperten mit zwei Flößen quer durchs
Land. Ihre Aktion soll auf die Situation in Asylunterkünften hinweisen.
Jenseits der Landesgrenze: Flüchtlinge in Schullandheim
Bremen bringt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Wald in
Niedersachsen unter. Was nach Skandal klingt, erweist sich tatsächlich als
Glücksfall.
Pro-Asyl-Chef über Asylgesetz-Reform: „Eine Hürde aus den 80er-Jahren“
In Zukunft soll es Flüchtlingen erlaubt sein, schon nach drei Monaten zu
arbeiten. Für manche ändert sich damit nichts, sagt Bernd Mesovic.
Debatte Flüchtlingspolitik: Schlechtes Gewissen macht Angst
In Berlin-Kreuzberg finden sich nicht nur Touristen ein, sondern auch
politisch aktive Asylsuchende. Das alternative Milieu ist völlig
überfordert.
Flüchtlingsproteste in Berlin: Mehr schlecht als Recht
Kann man sich einen sicheren Aufenthalt erkämpfen? Fragen zu eineinhalb
Jahren Flüchtlingsprotesten in Berlin. Ein Debattenbeitrag
Kommentar Deutsche Flüchtlingspolitik: Asylpolitischer Rollback
Bundesinnenminister de Maizière geht das Asylrecht an. Wie schon 1993 geht
es dabei nur darum, brachial gegen die Flüchtlinge vorzugehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.