# taz.de -- Russisches Werbeblatt: Nachrichten aus dem Kreml | |
> Die „Süddeutsche Zeitung“ wollte „Russland Heute“ nicht mehr verbrei… | |
> Doch es erscheint bald unter anderem Namen weiter – im „Handelsblatt“. | |
Bild: Wladimir Putin vor schönem Hintergrund bei einer Feier in Südsibirien. | |
Noch im vergangenen Jahr schien das Interesse an Russland beim Handelsblatt | |
zu schwinden. Der Herausgeber, Gabor Steingart, schloss nach 20 Jahren das | |
[1][Moskauer Büro] der Wirtschaftszeitung. Nun wird die Berichterstattung | |
aus Russland anderweitig verstärkt: Ab 16. September legt das Handelsblatt | |
seinen Lesern monatlich die Werbebeilage Russia Beyond the Headlines bei, | |
die Teil der Imagekampagne des Kremls ist. Ziel des journalistisch | |
gestalteten Produkts ist, ein besseres Bild von Russland in die Welt zu | |
tragen. | |
Im Februar hatte die gleiche Beilage für Aufregung gesorgt, die damals noch | |
Russland Heute hieß und seit 2010 einmal im Monat in der Süddeutschen | |
Zeitung lag. Wegen der Ukrainekrise stoppte der Süddeutsche Verlag ihr | |
Erscheinen. [2][Die Redaktion hatte darum gebeten], das lukrative Geschäft | |
bis auf Weiteres auszusetzen. Der stellvertretende SZ-Chefredakteur, | |
Wolfgang Krach, begründete diesen Schritt so: „Wir wissen, dass es Russland | |
Heute darum geht, ein positives Russlandbild zu vermitteln. Das halten wir | |
zu einem Zeitpunkt, wo Russland Soldaten und Panzer auf die Krim schickt, | |
grundsätzlich nicht für richtig.“ | |
Obwohl der Konflikt seither eskaliert ist, werden beim Handelsblatt solche | |
Bedenken offenbar nicht geteilt. Verlagssprecherin Kerstin Jaumann sagt | |
dazu: „Die Verlagsgruppe Handelsblatt unterstützt keinen wie auch immer | |
gearteten Anzeigenboykott gegen Russland und hält es – ihrer liberalen | |
Tradition verpflichtet – für selbstverständlich, dass für Russland und | |
russische Medien das Recht auf freie Meinungsäußerung genauso gilt wie für | |
jeden Staatsbürger auch.“ | |
In Zeiten sinkender Anzeigenerlöse handelt es sich um ein attraktives | |
Geschäft, über dessen Erlöse die Sprecherin keine Angaben macht. Jaumann | |
betont, dass die Redaktion an der Erstellung nicht beteiligt sei. Auch | |
werde dafür gesorgt, dass die Werbeveröffentlichung ausreichend | |
gekennzeichnet sei. Bei der SZ hatte es Kritik gegeben, dass der | |
PR-Charakter der journalistisch anmutenden Beilage für die Leser nicht | |
genug erkennbar war. Jaumann betont: „Es handelt sich dabei um kein Angebot | |
des Handelsblatts und um keine Partnerschaft, sondern um eine reguläre | |
Pressebeilage, die ein Anzeigenkunde unter eigenem Namen der Zeitung | |
beilegt.“ | |
## Nur Ärger mit der Süddeutschen | |
Russia Beyond the Headlines liegt weltweit 26 Zeitungen bei, so auch in der | |
New York Times, El País in Madrid oder Le Figaro in Paris. Die Moskauer | |
Redaktion war erstaunt, als es mit dem Süddeutschen Verlag als einzigem | |
Kooperationspartner plötzlich Probleme gab. Man sah sich nach einem neuen | |
Partner um. „In der gegenwärtigen schwierigen Situation halten wir | |
Handels-, Wirtschafts- und Finanzthemen für ganz besonders wichtig in den | |
Beziehungen zwischen Deutschland und Russland“, begründet Herausgeber | |
Eugene Abow die Auswahl des Handelsblatts. „Deshalb haben wir uns an eine | |
Zeitung gewandt, deren Leser Unternehmerinnen und Unternehmer, | |
Geschäftsleute sowie weitere Entscheidungsträger aus der Wirtschaft sind.“ | |
Abows Redaktion gehört zur russischen Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta | |
und gestaltet die Imagebeilagen im staatlichen Auftrag. | |
Im Kollegenkreis war in letzter Zeit bereits aufgefallen, dass | |
Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart in seinen Kommentaren eine | |
zunehmend Putin-freundliche Position vertritt. Auf Twitter machte die | |
launige Frage des stellvertretenden Zeit-Chefredakteurs Bernd Ulrich die | |
Runde: „Russische Soldaten in der Ukraine, in zwei Wochen kann er Kiew | |
erobern, Novorossija – wie hält Schröder das nur alles aus?“. Der | |
Chefredakteur des Tagesspiegels, Lorenz Maroldt, twitterte zurück: „Er | |
liest Gabor Steingart.“ | |
7 Sep 2014 | |
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## AUTOREN | |
Gemma Pörzgen | |
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