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# taz.de -- Die Wahrheit: Gläserne Schlapphüte
> Ein Geheimdienst macht nun alles anders: der Bundesnachrichtendienst und
> seine saubere „Transparenzoffensive“.
Bild: Schlapphut ist out! Ganz neu im klandestinen Geschäft ist der gläserne …
Wenn ein Geheimdienst eine „Transparenzoffensive“ ankündigt, ist Skepsis
angebracht. Sind nicht Tarnen und Täuschen, Horchen und Schnüffeln die vier
Grundpfeiler der Geheimdiensttätigkeit? Der neue Chef des
Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, sieht das anders. Er wünscht
sich gar einen „BND zum Anfassen“ (Die Welt). Schluck. Wird man nicht
umgehend mit einem vergifteten Kugelschreiber getötet, wenn man es wagt,
einen Geheimdienstler anzufassen? Doch Chef-Schnüffler Schindler winkt ab:
„Wir brauchen mehr Transparenz, als Voraussetzung für eine breitere
Vertrauensbasis in der Gesellschaft“.
Konsequent ist er ja, der Herr der Schlapphüte, beim Ausmisten des geheimen
Augiasstalles BND: Als Erstes wurden die Tarnnamen der Mitarbeiter
abgeschafft. Jeder BND-Mitarbeiter hatte so einen „Dienstnamen“ und
verfügte über eine Tarnidentität mit allen Schikanen: Falscher Name und
falsche Biografie waren selbstverständlich.
Jetzt müssen die armen Agenten Schilder mit ihren Klarnamen tragen und
stehen damit auch noch im Telefonbuch, damit man sie anrufen kann, wenn
„man etwas auf dem Herzen hat“. Das sorgt allerdings für Unmut bei der
Belegschaft des BND, berichtet die Welt: „Oft wissen nicht einmal die
eigenen Kinder oder die Ehefrau von der eigentlichen Arbeit. Da ist es
nicht besonders hilfreich, wenn jetzt offiziell bekannt wird, dass der
Vater beim Geheimdienst arbeitet.“
Als Geschichten kursierten, dass enttarnten BND-Mitarbeitern die Scheiben
eingeworfen wurden, reagierte die Amtsspitze einfühlsam auf die Ängstlichen
unter ihren Mitarbeitern. So soll jeder, der es will, weiterhin sein
Angestelltenverhältnis beim BND verheimlichen dürfen, berichtet die
Berliner Zeitung. Dass man eine Liste der legendierten Mitarbeit ins Netz
gestellt hat, müssen die Angsthasen ja nicht unbedingt wissen.
## „Ionossphäreninstitut Rheinhausen“
Doch BND-Chef Schindler machte bei der Abschaffung der Tarnnamen nicht
halt, er enttarnte auch noch die zwanzig schönsten Außenstellen samt der
dazugehörigen Tarnbezeichnungen! „Die Geheimnistuerei erzeugt Misstrauen
statt Vertrauen“, wirbt Schindler um Verständnis. Beifall bekommt er vom
grünen Geheimdienstexperten Christian Ströbele, der in der Welt die
„permanente Geheimniskrämerei der Geheimdienste“ beklagt.
Den schönsten Tarnnamen hatte das „Amt für Schadensabwicklung“ in Berlin.
Dort mussten die Agenten nach ihren aufregenden Verfolgungsfahrten ihre
Schadensformulare einreichen. In dreifacher Form selbstverständlich.
Poetisch umweht war das „Ionossphäreninstitut Rheinhausen“, in dem die
Agenten nach ihren gefährlichen Einsätzen Bionade und Schaumwein schlürfen
konnten. Prosaischer das „Amt für Militärkunde“ in Bonn oder die
„Bundesstelle für Sondervermögen“ in München, wo die Agenten ihre
Bekleidungszuschüsse und Geld für ihre Portoausgaben beantragen mussten.
Die „Bundesstelle für Fernmeldestatistik“ in Stockdorf (Tarnbezeichnung
„Stellwerk“) war dagegen eher ein Abstellgleis für ausrangierte
Mitarbeiter. Das „Fernmeldetechnische Institut“ daneben (Tarnbezeichnung
„Planet“) war ein Sammelbecken für „abgeschaltete“ Agenten.
Und was wurde aus den wunderbaren „Horcherfassungsstellen“ der frühen
fünfziger Jahre? „Horchstelle A“ in Butzbach: enttarnt! „Horchstelle B�…
Berlin-Tempelhof: verschwunden! „Horchstelle C“ in Söcking: enttarnt! Das
Flaggschiff des BND war die Großbasis-Fernpeilanlage „Kastagnette“,
ausgeführt als „Wullenweber-Kreisantennenanlage“ in Bramstedtlund. Eine
Bezeichnung wie eine rhythmische Kastagnetten-Kaskade, enttarnt, dahin. Der
„Pferdestall“ in Hof, das „Dacapo“ in Kreiling, das „Tamburin“ in
Rheinhausen klangen wie zweitklassige Nachtbars, waren aber erstklassige
Agentenunterschlupfe.
Alle geopfert für die Transparenzoffensive des sauberen Herrn Schindler.
Hauptsache, der „Confetti Kostümverleih“ in der Gardeschützenstraße 21 in
unmittelbarer Nähe des „Amtes für Schadenabwicklung“ (Nr. 71) in
Berlin-Lichterfelde bleibt geheim. Irgendwo müssen sich unsere
transparenten Agenten ja schließlich einkleiden!
10 Sep 2014
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