# taz.de -- Kommentar „Gastarbeiter“-Jubiläum: Willkommenskultur dringend … | |
> Deutschland bringt Migranten bis heute nur eine geringe Wertschätzung | |
> entgegen. Das zeigt auch die Geschichte des millionsten „Gastarbeiters“. | |
Bild: Mit Mofa: Armando Rodrigues de Sá bei der Ankunft in Deutschland. | |
Vor 50 Jahren kam der millionste „Gastarbeiter“ nach Deutschland. Das | |
Moped, das der Portugiese Armando Rodrigues de Sá geschenkt bekam, steht | |
heute im Haus der Deutschen Geschichte in Bonn – und geht als Inventar | |
zwischen all den anderen Ausstellungsstücken unter. Es gibt ein Museum über | |
deutsche Auswanderer – aber keine repräsentative Einrichtung, die sich der | |
Geschichte und den Geschichten der Einwanderer ausführlich widmet. Das | |
spiegelt die geringe Wertschätzung wider, die die deutsche Gesellschaft | |
Migranten bis heute entgegenbringt. | |
Angebracht wäre aber sowohl ein größeres Maß an Anerkennung als auch an | |
Selbstkritik der deutschen Gesellschaft. Euphemistisch als „Gastarbeiter“ | |
bezeichnet, wurden die Menschen im Zuge der diversen Anwerbeabkommen ab | |
1955 aus Italien, Griechenland, der Türkei, Spanien, Portugal oder | |
Jugoslawien einst als Arbeitssklaven geholt. Viele aus der ersten | |
Einwanderergeneration haben unter unwürdigen Umständen in lagerähnlichen | |
Baracken leben müssen. Die Unternehmen bezahlten sie schlecht, die | |
schlimmen Arbeitsbedingungen ruinierten ihre Gesundheit. Heute leben sie | |
von mickrigen Renten. | |
Doch weder interessierte man sich für ihre Gegenwart noch für ihre | |
Vergangenheit. Dass sie keine homogene Gruppe waren, sie nicht selten | |
Berufe hatten, die hier nicht anerkannt wurden, etliche auch vor den | |
diktatorischen Verhältnissen in ihren Herkunftsstaaten flohen, wird bis | |
heute in der Rückschau viel zu wenig beachtet. Der differenzierte Blick | |
zurück ist aber wichtig, weil erst die angemessene Beschäftigung mit der | |
Vergangenheit nach vorne weist. Die Wertschätzung der ersten | |
Einwanderergeneration ist mithin auch eine Wertschätzung ihrer Nachkommen. | |
Bis heute gibt es keine eigentliche Einwanderungspolitik und keine | |
Integrationspolitik, die diesen Namen verdient. Mit Einwanderern befassen | |
sich Politiker, Wissenschaftler und Stammtischbrüder stattdessen am | |
ausgiebigsten als Gruppe, der man allerlei Probleme attestiert oder | |
unterstellt. Dass in Deutschland Ausgrenzung von Migranten und ihren | |
Nachkommen normal ist und Hetze gegen Einwanderer nach wie vor zum Alltag | |
gehört, ist eine Folge davon. Wer das ändern will, muss eine | |
Willkommenskultur schaffen. Ein Schritt dazu ist die Würdigung der | |
Geschichte der Einwanderer. | |
16 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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