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# taz.de -- Rechtliche Hintergründe zur Asyldebatte: Gesetz mit dem 10-Minuten…
> Die Einstufung von Balkanstaaten als „sicher“ wird nicht zur schnelleren
> Abschiebung von Flüchtlingen führen. Die Verfahrensdauer wird kaum
> verkürzt.
Bild: Asylbewerberin mit Kind: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge be…
FREIBURG taz | Der Bundesrat hat zugestimmt. Serbien, Bosnien und
Mazedonien gelten jetzt asylrechtlich als „sichere Herkunftsstaaten“. Die
Befürworter glauben, dass sie damit das Asylverfahren beschleunigt haben,
manche Kritiker behaupten, für Flüchtlinge aus diesen Ländern gebe es gar
kein Verfahren mehr. Beide Seiten gehen aber von falschen Voraussetzungen
aus.
Im Asylverfahrensgesetz steht: Wenn ein Ausländer aus einem sicheren
Herkunftsstaat Asyl beantragt, wird sein Antrag als „offensichtlich
unbegründet“ abgelehnt – es sei denn, er kann beweisen, dass er entgegen
der Vermutung doch verfolgt wird.
Asylanträge vom Westbalkan werden also auch künftig nicht automatisch
abgelehnt. Vielmehr kann der Asylbewerber die gesetzliche Vermutung, dass
er in seinem Heimatland nicht verfolgt wird, widerlegen. Deshalb findet
auch für Asylsuchende aus Serbien, Bosnien und Mazedonien weiterhin das
unveränderte Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) statt. Das heißt: die Antragsteller werden mündlich angehört und
können alles vortragen, was für eine Asylgewährung und ähnliche
Schutzmechanismen relevant ist. Das BAMF muss auch wie bisher alles prüfen.
Asyl bekämen Menschen, denen persönlich willkürliche Strafverfolgung,
Folter, nicht-staatliche Gewalt oder Ähnliches droht. Auch
Mehrfachdiskriminierungen, die in der Wirkung einer Verfolgung
gleichkommen, könnten laut Gesetz berücksichtigt werden. Das Problem der
Antragsteller vom Westbalkan ist, dass sie in der Regel keine
asylrelevanten Tatsachen vorbringen oder belegen können.
## Schutzquote von 0,6 Prozent
Bisher wurden jedenfalls fast alle Asylanträge vom Westbalkan abgelehnt.
Die Schutzquote bei Flüchtlingen aus Serbien beträgt derzeit 0,6 Prozent,
während syrische Flüchtlinge eine Schutzquote von 99,9 Prozent erreichen.
Das ist nicht nur die Linie des BAMF, das dem Bundesinnenminister
untersteht. Auch die deutschen Verwaltungsgerichte korrigieren bei
Asylanträgen vom Westbalkan nur extrem selten. Wenn gelegentlich doch
Abschiebehindernisse angenommen werden, geht es in der Regel nicht um die
Zustände im Herkunftsstaat, sondern um eine schwere Krankheit des
Flüchtlings. Doch auch die kann künftig noch berücksichtigt werden.
Flüchtlinge, deren Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurd…
haben nur einen minimalen Rechtsschutz. Das ist der eigentliche Sinn der
Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“. Der Asylbewerber muss gegen eine
Ablehnung seines Antrags binnen einer Woche klagen und Eilrechtsschutz
beantragen. Das Verwaltungsgericht soll dann binnen einer Woche über den
Eilantrag entscheiden. Wird dieser abgelehnt, kann der abgelehnte
Antragsteller sofort abgeschoben werden.
Allerdings bewertet das BAMF bisher schon fast alle Asylanträge vom
Westbalkan als „offensichtlich unbegründet“. Die drastische Beschneidung
des Rechtsschutzes ist also heute schon die Regel, auch ohne Einstufung als
sicherer Herkunftsstaat. Deshalb werden Gerichts- und Abschiebeverfahren
künftig wohl nicht nennenswert verkürzt. Das BAMF beziffert die
Beschleunigung durch die Neuregelung deshalb lediglich auf „zehn Minuten“.
Denn nun muss nicht mehr begründet werden, warum ein erfolgloser Antrag
auch noch „offensichtlich“ unbegründet ist.
## Frage der Organisation
Wie lange ein Asylverfahren dauert, ist heute vor allem eine Frage der
Organisation und nicht der Rechtslage. Schon seit einiger Zeit werden
Asylanträge von serbischen, bosnischen und mazedonischen Antragstellern
beim BAMF vorrangig bearbeitet. Diese Asylverfahren dauern deshalb nur noch
drei bis vier Monate, während Antragsteller aus anderen Staaten im Schnitt
acht Monate auf ihren Bescheid warten müssen.
Was also soll das Gesetz überhaupt? Das BAMF hofft auf einen
„Signaleffekt“. Das abschreckend klingende Gesetz über sichere
Herkunftsstaaten soll die Zahl der Asylbewerber vom Westbalkan spürbar
verringern. Doch schon bisher dürften die minimalen Erfolgsaussichten
bekannt sein. Vermutlich geht es der Bundesregierung eher um die
innenpolitische Wirkung. Statt den Kommunen materiell bei der Versorgung
der Flüchtlinge zu helfen, sollen Städte und Gemeinden mit einem
symbolischen Gesetz beruhigt werden.
22 Sep 2014
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Flüchtlinge
Asyl
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