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# taz.de -- Bundeswehr als Sportsponsor: Vermintes Gebiet
> Die Bundeswehr dringt auf der Suche nach Nachwuchs auch in den
> Amateursport ein. Beim Rostocker FC stößt dieses Engagement indes auf
> Widerstand.
Bild: Einmarsch: Vor Länderspielen wie kürzlich gegen Schottland zeigt die Bu…
ROSTOCK taz | Recht bunt ging es zuletzt beim Rostocker FC zu. Die Punkband
Dritte Wahl bleibe Partner des Fußball-Verbandsligisten, beruhigte Ende
August Vereinspräsident Nils Greese die aufgeregten Gemüter. Zuvor nämlich
hatte die ebenfalls linksalternative Punkband Feine Sahne Fischfilet ihr
Engagement eingestellt. Als Rückzugsgrund nannte diese wiederum das
Engagement eines Klubpartners ganz anderen Kalibers.
Die Bundeswehr zahlt ab dieser Saison 5.500 Euro an den Traditionsklub, um
auf Taschen, Shirts, der Homepage oder dem Vereinsbus für sich werben zu
können. Eine Überweisung aus dem Verteidigungsministerium, die immerhin bis
zu 15 Prozent des Gesamtetats abdeckt.
Im Jahr 2014 hat die Bundeswehr 24 Kooperationen dieser Art mit
Sportvereinen abgeschlossen. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht zeigt die
Bundeswehr auf der Suche nach neuem Personal gern auch im Amateursport
Präsenz. Wobei man angesichts von etwa 89.000 Vereinen in Deutschland diese
Bündnisabschlüsse als eine sehr selektive Maßnahme bezeichnen muss.
Im Falle des Rostocker FC hat man jedoch eine pikante Wahl getroffen. Der
Traditionsklub zieht, wie man schon an der illustren Sponsorenschaft
erkennen kann, eher linksalternatives Publikum an. In den letzten Jahren
tat sich der Verein mit Initiativen gegen Homophobie und Rassismus hervor,
zudem wurde die Integration von Asylbewerbern unterstützt. Von den
linksalternativen Fans wird das Staatsunternehmen mehr als Besatzungsmacht
denn als Partner wahrgenommen. Im Frühjahr wurden Vereinsheimwände mit den
Parolen „Scheiß Bundeswehr“ und „Bundeswehr tötet“ besprüht. Vereins…
Greese stufte die Aktion als „extremistisch“ ein. Der Klub ist gespalten.
## Verdacht der Kungelei mit Steuergeldern
Bei der außergewöhnlichen Verbindung mit dem Rostocker FC drängt sich die
Frage auf, nach welchen Kriterien die Bundeswehrstrategen ihre Auswahl
treffen, um im Gesellschaftsbereich Sport Fuß zu fassen. Schließlich wird
dieser Brückenschlag mit Steuergeldern finanziert. Im Jahre 2014 betrug der
Etat dafür 349.000 Euro. Deutlich weniger als im Jahr 2013 (453.000 Euro),
erheblich mehr aber als 2012 (253.000 Euro).
Greese erklärt zum Zustandekommen der Kooperation mit dem Rostocker FC:
„Unser Cheftrainer Jan Kistenmacher hat eine höhere Position bei der
Marine. Dadurch ist es zu dem Engagement gekommen.“ Und Marineoffizier
Kistenmacher selbst erwidert auf die Nachfrage, wie er das denn
bewerkstelligt hätte, forsch: „Wissen Sie, was ich beruflich mache? Dann
ist doch klar, wie ich das geschafft habe.“ Andere Vereine hätten ihn
bereits gebeten, seine Kontakte für sie spielen zu lassen.
Den Verdacht der Kungelei weist aber ein Sprecher der Bundeswehr in Köln
weit von sich. Die Auswahl der Partner, schreibt er, erfolge durch die
regional zuständigen Karrierecenter der Bundeswehr und unter anderem nach
„betriebswirtschaftlichen Parametern“.
Und: „Im Fall des Rostocker FC hat ein Bundeswehrangehöriger die
Kooperation initiiert, jedoch hat die Zugehörigkeit zur Bundeswehr keine
Auswirkungen auf die Entscheidung, ob die zuständigen Karrierecenter […]
eine Sportkooperation mit Vereinen eingehen.“
## „Teamgeist und Kameradschaft“
Schenkt man dieser Erklärung Glauben, wundert man sich indes, warum auch
die alten Vereine von Jan Kistenmacher, der MSV 1919 Neuruppin und der
Pritzwalker FHV 03, in den Kreis der erlesenen Kooperationspartner der
Bundeswehr gerieten. Jürgen Gutsche, der 2. Vorsitzende des Pritzwalker
Fußballvereins, sagt: „Kistenmacher hat das organisiert, nachdem er weg
war, ist der Vertrag leider ausgelaufen.“
In Neuruppin war der damalige Oberleutnant zur See Kistenmacher gar auch
als Bürloleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Personalgewinnung tätig. Bei
der Übergabe der Präsentationsshirts an den MSV stellte er damals klar:
„Aus meiner Sicht hat der Fußball einen Bezug zu den Aufgaben der
Bundeswehr. Da sind Teamgeist, Kameradschaft und Einsatz gefragt.“
Auch andernorts lassen sich Beispiele dafür finden, dass die Bundeswehr in
den vergangenen Jahren auf ihrer Suche nach Plattformen im Amateursport,
gern auf die Verbindungen ihres eigenen Personals setzt. Beim TSV
Herbertshofen etwa bedankten sich die Klubführung via Homepage bei Trainer
und Offizier Oliver Dyka für das Zustandekommen der Kooperation mit der
Bundeswehr.
Auf dem gleichen Wege offenbarte die SpVgg SV Weiden zu ihrer Partnerschaft
mit dem Militär: „Weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass Norbert Prediger
neuer Co-Trainer bei der Bayernliga-Elf wird. Denn Prediger ist ebenso
Karriereberater bei der Bundeswehr.“ Ebenso dankbar zeigte sich Sabine
Krüger, die Vereinschefin des SV Glienicke, gegen Andreas Mathow, der nicht
nur ihrem Verein sondern auch der Bundeswehr über 35 Jahre gedient hat:
„Ich freue mich, dass die unermüdlichen Bemühungen von Abteilungsleiter
Mathow zu dieser erheblichen finanziellen Unterstützung durch die
Bundeswehr geführt haben.“
Derartige Bündnisse deuten darauf hin, dass die Bundeswehr gern auch auf
informellem Wege versucht, sich gesellschaftlich zu verankern.
„Betriebswirtschaftliche Parameter“ sind in Bezug auf die Personalgewinnung
möglicherweise gar nicht von so entscheidender Bedeutung, wie die
Heeresleitung vorgibt. Zuweilen lassen einen schon die Vereinsnamen
zweifeln, ob Kooperationen mit dem VFR Schneckenlohe, TSV Wolkersdorf oder
TSV Rudelzhausen dieser Maßgabe standhalten können.
## Militärfreundlicher Klub
Umgekehrt fallen auch beim prominentesten Bundeswehrpartner, dem
Fußball-Erstligisten Hannover 96, mehr die grundsätzliche
militärfreundliche Gestimmtheit der Klubführung auf, als dass dieser
einzigartige Vorteile für die deutschen Streitkräfte zu bieten hätte. Denn
kein anderer Klub in der Liga steht in Verbindung mit dem
Staatsunternehmen.
Als Zeichen besonderer Zugewandtheit verteilte Präsident Martin Kind am
Rande eines Bundesligaspiels schon einmal „gelbe Schleifen“ an Angehörige
der Streitkräfte: eine symbolische Bekundung der Solidarität des obersten
96-Funktionärs mit sich im Kriegseinsatz befindenden Bundeswehrsoldaten.
Und eine von Kind verantwortete Vereinnahmung des Vereins, die der
Bundeswehr insgeheim vielleicht mehr wert ist als die 65.500 Euro, die sie
alljährlich an den Fußballklub überweist, um auf Banden und der Videotafel
für sich zu werben.
Ulla Jelpke, die Bundestagsabgeordnete der Linken, hat erst Ende August die
96-Fans aufgefordert, sich gegen die Kooperation mit der Bundeswehr zur
Wehr zu setzen. Hannovers Jugendliche, sagte sie, sollten sich lieber im
Sport messen, als „im Auftrage der Bundeswehr zu verbluten“.
Aber auch weniger dezidiert antimilitaristisch eingestellte Beobachter
haben ihre Bedenken. Beim Rostocker FC etwa erklärte Fördermitglied
Christian Reinke, der zugleich für die SPD in der Rostocker Bürgerschaft
sitzt, via Facebook öffentlich, dass er kein Gegner der Bundeswehr, aber
aus inhaltlichen Gründen gegen eine derartige Kooperation sei. Auf die
Nachfrage nach den Gründen, erklärt er der taz wiederum: „Ich werde mich zu
diesem Thema nicht öffentlich äußern.“ Offenkundig hat die Bundeswehr beim
Rostocker FC vermintes Gebiet hinterlassen.
28 Sep 2014
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Bundeswehr
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