Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- US-Justizminister Eric Holder tritt ab: Durchwachsene Bilanz
> Für die einen ein Kämpfer für die Bürgerrechte, für die anderen ein
> unerbittlicher Verfolger der „Whistleblower“. An Eric Holder scheiden
> sich die Geister.
Bild: Am Donnerstag im Weißen Haus: Abschied vom längstdienenden Minister.
NEW YORK taz | Eric Holder genießt einen durchwachsenen Ruf.
RepublikanerInnen bekämpften den ersten afroamerikanischen Justizminister
der USA wegen dessen angeblich „ideologischer“ Politik. Links der Mitte ist
er für die einen der „Champion“ der Bürgerrechte, der gegen absurd lange
Haftstrafen, gegen rassistische Polizeigewalt und gegen Einschränkungen des
Wahlrechtes durchgegriffen hat. Und für die anderen der Mann, dessen Name
für Verfolgungen von Whistleblowern, für gezielte Tötungen per Drohne und
für massive Schnüffelkampagnen im Privatleben der Menschen steht.
Nach sechs Jahren in der US-Regierung hat Holder (63) am Donnerstag
angekündigt, dass er sein Amt aufgeben wird, sobald einE NachfolgerIn
bestimmt ist. Barack Obama nennt den Weggang „bittersweet“. Holder war für
den US-Präsidenten oft der Mann für besonders komplizierte Lagen.
So in diesem Sommer in der Vorstadt Ferguson, in Missouri. Nachdem dort ein
weißer Polizist einen unbewaffneten, schwarzen Teenager auf offener Straße
am hellichten Tag erschossen hatte und Unruhen ausgebrochen waren, reiste
Holder in den Ort. Der Justizminister traf er nicht nur Angehörige und
FreundInnen des erschossenen Michael Brown. Er leitete auch parallele
Ermittlungen des Justizministeriums über die Polizeischüsse ein: In dem
offensichtlichen Bemühen, die Verzögerungstaktik der örtlichen Behörden zu
konterkarieren.
Holder ist nicht nur der erste schwarze Justizminister der USA, er ist auch
der erste, der auf Bürgerrechtsverletzungen mit Geschichten aus seiner
eigenen Vita reagiert hat. Nach dem Tod von Trayvon Martin in Florida – ein
anderer unbewaffneter schwarzer Teenager, der 2012 von einem weißen
Wachschützer erschossen wurde - erzählte Holder, wie er selbst als junger
Mann grundlos von der Polizei angehalten und durchsucht wurde. Holder hat
im Justizministerium auch zahlreiche Untersuchungen über bürokratische
Schikanen gegen die Ausübung des Wahlrechtes eingeleitet und dafür gesorgt,
dass gewaltfreie Drogendelikte nicht mehr automatisch zu langen Haftstrafen
führen.
## Im Namen der "Nationalen Sicherheit"
Auf der anderen Seite der Medaille ist Holder eng mit dem verbunden, was in
den USA „nationale Sicherheit“ heißt. Dazu gehört Guantánamo, das Lager,…
ausländische „Terrorismusverdächtige“ jahrelang ohne Gerichtsverfahren der
Freiheit beraubt werden, und das sechs Jahre nach seinem Amtsantritt immer
noch existiert. Dazu gehört, dass Holder keine Folterermittlungen gegen
Angehörige der Bush-Regierung eingeleitet hat.
Und während Holders Amtszeit haben die USA mehr Ermittlungsverfahren gegen
„Whistleblower“ eröffnet als alle vorausgegangenen US-Regierungen zusammen.
Dabei beruft sich die US-Justiz jedesmal auf ein „Spionagegesetz“ aus dem
ersten Weltkrieg. Als Resultat ist Chelsea (ehemals: Bradley) Manning, dank
derer die Welt zu Informationen über Kriegsverbrechen im Irak gekommen ist,
zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt. Und mussten Wikileaks-Gründer Julian
Assange und Ex-NSA-Zuarbeiter Edward Snowden Asyl im Ausland suchen.
Unter Holder haben die USA auch ihr Umgehen mit Terrorverdächtigen
verändert. In seiner Amtszeit haben die gezielten Todesschüsse weltweit
zugenommen. Vor Jura-StudentInnen hat Holder diese Tötungen ohne
Gerichtsurteil mit der „nationalen Sicherheit“ gerechtfertigt. Und erklärt,
dass sie selbst dann rechtens seien, wenn das Opfer, die US-amerikanische
Staatsangehörigkeit hat. Und schließlich hat Holder als Justizminister
sämtliche Schnüffelkampagnen der US-Regierung gegen ihre eigene Bevölkerung
und gegen die im Rest der Welt gerechtfertigt.
Holder wuchs auf, als die Bürgerrechtsbewegung in den USA neue Rechte für
AfroamerikanerInnen erkämpfte. Damals wurde Robert Kennedy sein
juristisches Vorbild. Ihn hat Holder oft zitiert, unter seinem Bild ließ er
sich gerne selbst portraitieren. Auch als Holder am Donnerstag im Weißen
Haus sein bevorstehendes Ausscheiden aus dem Amt ankündigte, sprach er vom
Erbe Kennedys.
Für Präsident Obama ist Holder „Amerikas Anwalt“. Die Suche nach einer
NachfolgerIn dürfte nicht einfach werden. Denn der Kongress muss der
Nominierung zustimmen. Falls die RepublikanerInnen bei den Halbzeitwahlen
im November auch die Mehrheit im Senat bekommen sollten – wie es die
gegenwärtigen Meinungsumfragen suggerieren - wird das auch in Sachen
JustizministerInenkür zu einer Blockade führen.
26 Sep 2014
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
USA
Eric Holder
Guantanamo
Ferguson
USA
Schwerpunkt Rassismus
Secret Service
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Strafvollzug
Supreme Court
## ARTIKEL ZUM THEMA
Polizist erschießt schwarzen Teenager: Missouri kommt nicht zur Ruhe
Zwei Monate nach den tödlichen Schüssen auf Michael Brown in Ferguson wird
in St. Louis erneut ein schwarzer Jugendlicher von einem weißen Polizisten
erschossen.
Kulturwissenschaftler über Rassismus: „Schwarze erscheinen als roh“
Rassistische Ressentiments verkürzen die Gewaltdebatte, sagt David Leonard.
Und er erklärt, warum Football die Heimstatt der Political Incorrectness
ist.
Chefin des US Secret Service: Oberste Personenschützerin geopfert
Der Sicherheitsdienst von Barack Obama konnte zuletzt gleich zwei
gefährliche Situationen nicht verhindern. Nun tritt Chefin Julia Pierson
zurück.
Nach Polizeigewalt in Ferguson: Ermittlung gegen gesamte Abteilung
Das US-Justizministerium ermittelt nach den tödlichen Schüssen auf Michael
Brown gegen die örtliche Polizei. Dabei soll nicht nur dieser Fall
untersucht werden.
Der US-Präsident und Ferguson: Obamas heikler Balanceakt
Wie sollte Obama auf die Unruhen in Ferguson reagieren? Viele erwarten,
dass er für das Opfer eintritt. Zugleich ist er für die Sicherheit
verantwortlich.
Misstrauen gegen Ermittler in Ferguson: „Sie nennen's gerechtfertigte Tötung…
In Ferguson sitzt der Argwohn gegen die Polizei tief. Da hilft es nicht,
dass der Staatsanwalt schon einmal Polizisten laufen ließ, die Schwarze
erschossen.
Debatte Gefängnisse: Isolationshaft in den USA
Das Reden über Freiheit ist das eine, menschenunwürdige Haftbedingungen
sind das andere. Und das betrifft nicht nur Guantánamo.
Streit um Homo-Heirat in Utah: Bestehende Ehen sind sicher
Am Montag hatte der Supreme Court Homo-Ehen in Utah gestoppt, auch
bestehende Ehen waren gefährdet. Justizminister Holder erklärt diese nun
für rechtmäßig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.