# taz.de -- Offener Linker Jugendkongress in Berlin: Suche nach den Nachwuchsli… | |
> Am Wochenende findet der Offene Linke Jugendkongress statt. Er ist ein | |
> Versuch, das Nachwuchsproblem der radikalen Linken Berlins anzugehen. | |
Bild: Wer tritt der Polizei künftig entgegen? | |
Teil einer Jugendbewegung sein – ausgerechnet in Berlin gar nicht so | |
einfach, findet Maren. „Man kann sich schnell verlieren in dem Überangebot | |
an politischen Veranstaltungen, in der großen, aber auch ziemlich | |
geschlossenen Szene“, sagt die 20-Jährige, die zum Jurastudium nach Berlin | |
zog und jetzt ins dritte Semester kommt. Viele linke oder linksradikale | |
Gruppen seien sich offenbar selbst genug und würden Nachwuchsarbeit eher | |
als lästiges Übel denn als sinnvolle Aufgabe betrachten. „Wer noch nicht so | |
gefestigt in seinen Überzeugungen und geübt in politischer Arbeit ist, wird | |
oft erstmal als Bremse empfunden“, sagt Maren. | |
Sie sieht das ganz anders, und deswegen organisiert sie mit ihrer Gruppe À | |
Gauche den Offenen Linken Jugendkongress, der an diesem Wochenende zum | |
zweiten Mal stattfindet. Das sei ihr „Herzensprojekt“, sagt Maren, die in | |
ihrer Heimatstadt Bremen selbst Teilnehmerin eines ähnlicher Kongresse war | |
und sich seitdem politisch engagiert. | |
Tatsächlich hat die linke Szene Berlins ein Nachwuchsproblem. Es gibt nur | |
wenige erfolgreiche Jugendgruppen in der Stadt. Schülerproteste laufen oft | |
losgelöst von anderen politischen Strukturen, Verknüpfungen gelingen kaum. | |
Und dass Jugendliche zur Antifa gehen, weil es dort die coolsten Partys | |
gibt, funktioniert in der Provinz schon nur beschränkt und in Berlin gar | |
nicht. Weil außerdem ständig neue Leute in die Stadt ziehen, sind linke | |
Gruppen weniger darauf angewiesen, sich aktiv um Nachwuchs zu bemühen, als | |
das in kleineren Städten der Fall ist. Und: Mit der ALB hat sich vor | |
wenigen Wochen eine der wenigen Gruppen aufgelöst, die traditionell stark | |
auf Jugendarbeit setzten. | |
Dabei gibt es durchaus Bedarf, wie der „Refugee Schulstreik“ zeigt, ein im | |
letzten Jahr gegründetes Bündnis, bei dem SchülerInnen für die Rechte von | |
Flüchtlingen auf die Straße gehen. Die InitiatorInnen des Bündnisses waren | |
von der Resonanz selbst überrascht, und der Erfolg ihrer Arbeit ist | |
sichtbar. Egal ob bei den Protesten an der Ohlauer Straße oder während der | |
derzeit laufenden Besetzung der DGB-Zentrale durch Flüchtlinge: Wer fragt, | |
wo hier plötzlich die ganzen 15-jährigen AktivistInnen herkommen, bekommt | |
ein lässiges „Wir sind der Schulstreik“ entgegengeworfen. | |
## „Keine dumme Fragen, keine Szenecodes“ | |
Eine anderer Ansatz, mehr Berliner Jugendliche für linke Politik zu | |
begeistern, ist der Jugendkongress. Das ganze Wochenende gibt es Programm | |
im Jugendzentrum Johannisthal, mit Theateraufführung, Workshops und Party. | |
Die Teilnahme ist kostenlos, finanziell gefördert wird das Projekt unter | |
anderem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Netzwerk Selbsthilfe. Man | |
kann nur mal vorbeigucken oder das ganze Wochenende bleiben, seit Jahren in | |
einer Jugendgruppe aktiv sein oder mit linker Szene nichts am Hut haben, in | |
die achte Klasse gehen oder gerade mit dem Studium anfangen. | |
„Bei uns gibt es keine dummen Fragen und keine Szenecodes, die man kennen | |
muss, um dazuzugehören“, sagt Maren. Sie selbst, nettes Lächeln, | |
blau-weißes Ringelshirt und lange dunkle Haare, hat sich früher oft | |
abgeschreckt gefühlt von Antifa-Gruppen: „Zu viele schwarze | |
Kapuzenpullover, zu viel Rumgemacker, da hatte ich nie Lust drauf.“ Der | |
Kongress werde als gemeinsames Projekt der TeilnehmerInnen und | |
VeranstalterInnen betrachtet, auf dem jeder mal beim Frühstückmachen hilft | |
und das Programm auch kurzfristig geändert werden kann, wenn Leute Lust auf | |
etwas anderes haben. | |
Letztes Jahr kamen zum Kongress gut 40 TeilnehmerInnen, dieses Jahr gibt es | |
bereits mehr als 50 Anmeldungen. Im Programm findet sich leicht | |
Zugängliches wie einen Graffiti-Workshop und Sperriges wie den zur | |
Ökonomiekritik, aber auch der sei „ganz einsteigerfreundlich und | |
voraussetzungslos aufbereitet“, versichert Maren. Viele Themen werden über | |
einen persönlichen Zugang erschlossen, etwa wenn beim Recht auf | |
Stadt-Workshop zuerst darüber geredet wird, wer schon mal umziehen musste, | |
weil die Familie sich die Miete nicht mehr leisten konnte. | |
Seit April wird das Wochenende intensiv geplant, der Vorbereitungskreis | |
besteht aus mehr als 20 Personen, die Finanzanträge schrieben, das | |
Kulturprogramm organisierten und gemeinsam berieten: Welche Themen braucht | |
es unbedingt? Wie gehen wir damit um, wenn rechte Störer auftauchen? Wie | |
kann ein Abendprogramm aussehen, das nicht diejenigen ausschließt, die noch | |
kein Bier trinken dürfen? | |
„Wir sind alle sehr von dem Projekt Jugendkongress überzeugt und stecken da | |
ziemlich viel Arbeit rein“, sagt Maren. Wenn TeilnehmerInnen sich hinterher | |
linksradikalen Gruppen anschließen, freue sie sich darüber. „Aber es geht | |
uns gar nicht darum, dass die Leute alle Teil der Szene werden müssen“, | |
sagt Maren, „sondern darum, dass sie einen kritischen Blick auf ihre Umwelt | |
entwickeln und Lust bekommen, selbst aktiv zu werden.“ Ein Ansatz, der der | |
Berliner Linken sicher guttut. | |
2 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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