# taz.de -- Kämpfe in Syrien: IS steht vor Kobane | |
> In Syrien sind IS-Milizen kurz davor, die Stadt Kobane einzunehmen - | |
> trotz der US-geführten Luftangriffe. Auch im Irak liefern sie sich | |
> heftige Gefechte. | |
Bild: Rauch über der syrischen Stadt Kobane | |
BEIRUT/MURSITPINAR/BAGDAD rtr/afp/dpa | Trotz der US-geführten Luftangriffe | |
haben sich die Dschihadisten der Miliz Islamischer Staat (IS) vor die Tore | |
der syrischen Stadt Kobane gekämpft. Sie stünden „nur noch einige hundert | |
Meter“ vor der Kurdenmetropole, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle | |
für Menschenrechte am Donnerstag. Die kurdischen Kämpfer bereiteten sich | |
auf die Verteidigungsschlacht vor. Vom türkischen Parlament wurde | |
unterdessen Zustimmung für einen Militäreinsatz gegen die Extremisten | |
erwartet. | |
Die Stadt Kobane liegt nahe der türkischen Grenze. Von türkischer Seite aus | |
war am Donnerstag permanenter Gefechtslärm zu hören. Kobane (arabisch: Ain | |
al-Arab) sei bis auf den Norden komplett von den Dschihadisten abgeriegelt, | |
sagte der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahmane. Die Sorge sei | |
groß, dass die IS-Kämpfer „schon sehr bald“ in die Stadt eindringen werde… | |
Das wäre für den IS ein bedeutender Sieg, er hätte dann einen langen | |
Streifen entlang der türkischen Grenze unter seiner Kontrolle. | |
Den tausenden mit modernen Waffen und Panzern ausgerüsteten Dschihadisten | |
stehen nur wenige hundert schlecht ausgerüstete kurdische Kämpfer | |
gegenüber. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) würden sich für | |
den Ansturm des IS neu aufstellen. Der Beobachtungsstelle zufolge sind von | |
den einst 70.000 Einwohnern nur noch wenige tausend in der Stadt. | |
Jets der Koalition flogen verstärkt Angriffe auf IS-Stellungen im | |
Kampfgebiet. Kurden aus Kobani berichteten, ein Dorf südlich von Kobani sei | |
getroffen worden. In der Nacht zum Donnerstag seien immer wieder der Lärm | |
von Düsenflugzeugen und Detonationen zu hören gewesen. In der Region um den | |
Staudamm Tischrin und dem Ort Manbidsch rund 50 Kilometer südlich von | |
Kobani seien 20 Explosionen nach Raketenangriffen registriert worden. | |
Jedoch sagte der stellvertretende Außenminister der kurdischen Region um | |
Kobani, Idris Nassan, im Telefoninterview mit Reuters, die Luftschläge | |
hätten bislang den Vormarsch der IS-Milizen nicht stoppen können. | |
## Skepsis, ob Erdogan den Kurden helfen will | |
Während die Schicksalsstunde für die Kurdenmetropole näher rückte, sollte | |
das türkische Parlament in Ankara über einen Antrag der Regierung von | |
Präsident Recep Tayyip Erdogan beraten, eine Beteiligung am internationalen | |
Kampf gegen den IS zu autorisieren. Bei dem erwarteten grünen Licht könnten | |
türkische Streitkräfte dann in Syrien und im Irak gegen die Extremisten | |
kämpfen. Bislang hat Erdogan noch keine genauen Pläne bekanntgegeben. Am | |
Mittwoch hatte er mit Blick auf die US-geführten Luftangriffe erklärt, es | |
reiche nicht aus, „Tonnen von Bomben abzuwerfen“, um die Dschihadisten | |
dauerhaft zu bezwingen. | |
Schon mehrfach forderte er die Einrichtung einer Pufferzone in der Region | |
nahe der türkischen Grenze, in der viele Kurden leben. Es gibt aber auch | |
Skepsis, ob Erdogan den Kurden helfen oder vielmehr ihren Einfluss in der | |
Region eingrenzen will. Das Parlamentsmandat könne er auch für einen | |
Militäreinsatz gegen die kurdische PKK nutzten, sagte SPD-Fraktionsvize | |
Rolf Mützenich am Donnerstag dem rbb-Inforadio. Und das wäre ein | |
„zusätzlicher Konfliktbeschleuniger in einer ohnehin unübersichtlichen | |
Situation“. | |
Der in der Türkei inhaftierte Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), | |
Abdullah Öcalan, schickte am Donnerstag eine Warnung an Ankara. Sollte | |
Kobane in die Hand des IS fallen, dann könnte dies den vergangenes Jahr | |
gestarteten Friedensprozess torpedieren, der den kurdischen Aufstand im | |
Südosten der Türkei nach drei Jahrzehnten überwinden soll. | |
Im Irak griff der IS am Donnerstag Stützpunkte der Sicherheitskräfte in | |
zwei westlichen Städten an. Bei der Attacke auf ein Polizeihauptquartier | |
seien sechs Polizisten und vier Soldaten getötet worden, teilten | |
Militärsprecher und Ärzte mit. Bei einer Attacke auf einen Armeestützpunkt | |
in Ramadi seien sechs Soldaten getötet worden. Bei der Abwehr beider | |
Angriffe seien insgesamt 40 Dschihadisten getötet worden. | |
## Kämpfe im Irak | |
Im Osten des Iraks sind unterdessen heftige Kämpfe zwischen der Terrormiliz | |
und Sicherheitskräften um die Stadt Hiet ausgebrochen. Am Donnerstag gab es | |
unterschiedliche Angaben darüber, welche Teile des Ortes in die Hände der | |
Extremisten gefallen sind. Die irakische Nachrichtenseite Shafaaq News | |
zitierte einen lokalen Politiker mit der Aussage, IS kontrolliere etwa 70 | |
Prozent der Stadt, darunter das Gebäude der Lokalverwaltung und eine | |
Polizeizentrale. | |
Der Polizeichef der Provinz Al-Anbar, zu der Hiet gehört, wies die | |
Meldungen zurück. Die Lage in Hiet sei jedoch kritisch, sagte er nach | |
Angaben der Nachrichtenseite Al-Sumaria News. Er habe deswegen die | |
Regierung in Bagdad um Verstärkung gebeten. Die Extremisten hätten die | |
Stadt von mehreren Seiten aus angegriffen. Hiet liegt rund 150 Kilometer | |
westlich von Bagdad. | |
Die Vereinten Nationen werfen der Miliz extrem grausame Verbrechen an der | |
Zivilbevölkerung im Irak vor. Die Islamisten hätten Massenexekutionen | |
verübt, Frauen und Mädchen als Sexsklavinnen verkauft sowie Kinder als | |
Kämpfer zwangsrekrutiert, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten | |
UN-Bericht. Es handle sich um systematische Verstöße, die auf | |
Kriegsverbrechen hinauslaufen könnten. Zugleich hieß es, bei den | |
Luftangriffen des irakischen Militärs auf IS-Kämpfer seien viele Zivilisten | |
umgekommen. Dörfer, eine Schule und Krankenhäuser seien getroffen worden. | |
Das Vorgehen scheine nicht verhältnismäßig gewesen zu sein. Womöglich sei | |
gegen das Völkerrecht verstoßen worden. | |
Der IS hat im Irak und im benachbarten Syrien große Gebiete unter seine | |
Kontrolle gebracht. Eine von den USA angeführte internationale Koalition | |
unterstützt die irakische Armee mit Luftangriffen. Seit vergangener Woche | |
bombardiert sie zudem IS-Stellungen in Syrien. | |
Der 29-seitige UN-Bericht fußt auf nahezu 500 Interviews. Demnach wurden | |
Zivilisten ganz bewusst direkt ins Visier genommen. Die Extremisten hätten | |
vergewaltigt, geplündert und religiös oder kulturell wichtige Orte | |
zerstört. Am 12. Juni hätten sie 1500 irakische Soldaten und | |
Sicherheitskräfte gefangengenommen und massakriert. Die | |
Menschenrechtsverstöße und Gewalt richteten sich zunehmend gegen andere | |
Bevölkerungsgruppen, etwa Christen und Jesiden. | |
2 Oct 2014 | |
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