# taz.de -- Herbstprognose der Wirtschaftsinstitute: Ökonomen gegen schwarze N… | |
> Die Krise kommt in Deutschland an: Wirtschaftsforscher senken ihre | |
> Wachstumsprognose deutlich. Sie drängen die Regierung zu höheren | |
> Ausgaben. | |
Bild: Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) präsentiert… | |
BERLIN taz | Die jüngsten Zahlen klingen dramatisch: Im August sind die | |
deutschen Exporte im Vergleich zum Juli um 5,8 Prozent zurückgegangen, die | |
Produktion sank um 4 Prozent. | |
Dieser Einbruch beruht zum Großteil darauf, dass in diesem Jahr deutlich | |
mehr Schulferientage im August lagen, was die Betriebsferien von | |
Unternehmen beeinflusst haben dürfte. Doch auch unabhängig von solchen | |
kurzfristigen Effekten blicken Wirtschaftsforscher mit Sorge auf die | |
Konjunktur. | |
In ihrer Herbstprognose für die Bundesregierung haben die dafür zuständigen | |
vier Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Erwartungen für das Wachstum | |
kräftig gesenkt. In diesem Jahr gehen sie nur noch von einem Anstieg der | |
Wirtschaftsleistung von 1,3 Prozent aus; im Frühjahr lag die Erwartung noch | |
bei 1,9 Prozent. Für 2015 senkten die Wissenschaftler ihre Prognose von 2,0 | |
auf 1,2 Prozent. | |
Die Gründe für den Rückgang liegen zum einen im Ausland: Vor allem im | |
Euroraum sei die Wirtschaft weiter schwach, zudem wirkten sich die | |
Sanktionen gegen Russland zunehmend aus. Zum anderen habe die Nachfrage im | |
Inland nicht im erwarteten Ausmaß zugenommen, sagte Ferdinand Fichtner vom | |
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). | |
## Mindestlohn hemmt Wachstum | |
Unter anderem hemmten das Rentenpaket und der Mindestlohn das Wachstum, | |
erklärten die Wissenschaftler. Durch konkrete Berechnungen belegen konnten | |
sie diese Aussage, die im Widerspruch zu anderen Prognosen steht, auf | |
Nachfrage aber nicht. Durchaus ungewohnt waren die Vorschläge der | |
Wissenschaftler, wie die Politik auf das zurückgehende Wachstum reagieren | |
sollte. | |
Während das Expertengremium in der Vergangenheit stets für strikte | |
Ausgabendisziplin plädiert hatte, drängen die Wissenschaftler die | |
Bundesregierung nun erstmals zu deutlichen Mehrausgaben. Der von | |
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angestrebte ausgeglichene Haushalt, | |
oft auch als „schwarze Null“ bezeichnet, sei ein „politisches | |
Prestigeobjekt“, sagte Fichtner. Davon solle sich die Regierung | |
verabschieden: „Aus ökonomischer Sicht ist das zur Zeit nicht angebracht.“ | |
Statt eisern zu sparen, sollte die Regierung die Spielräume der gesetzlich | |
verankerten Schuldenbremse ausnutzen, sagte Oliver Holtemöller vom Institut | |
für Wirtschaftsforschung Halle. Diese erlaubt dem Bund im Normalfall eine | |
Neuverschuldung von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das | |
wären rund 10 Milliarden Euro. | |
Ausgegeben werden könnte das Geld für Bildung, Forschung und Infrastruktur | |
sowie für den Abbau der kalten Progression – jenem Effekt, dass durch die | |
Inflation die Steuerbelastung von Arbeitnehmern steigt, wenn die | |
Steuersätze nicht regelmäßig angepasst werden. Die Linkspartei sah sich | |
durch das Gutachten in ihrer Kritik am Sparkurs der Bundesregierung | |
bestätigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, die Regierung | |
werde zusätzliche Investitionsanreize prüfen. | |
9 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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