| # taz.de -- Piketty auf der Frankfurter Buchmesse: Kapitale Einsichten | |
| > Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty stellt bei C. | |
| > H. Beck die deutsche Ausgabe von „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ vor. | |
| Bild: „Ich glaube an Privatbesitz und Kapitalismus“: Thomas Piketty. | |
| Thomas Piketty kommt direkt von einer Fernsehshow aus Italien angereist. | |
| Krawatte trägt er nicht, der obere Knopf am Hemd ist offen. Der Charme | |
| seines französischen Englisch wirkt entwaffnend. | |
| Wenn er lächelnd von „Capitol“ spricht, meint er „Kapital“ und das ist… | |
| wir alle wissen, sehr „importante“. Thomas Piketty, 1971 geboren, Professor | |
| an der Pariser École d’Économie, stellt, moderiert von (dem früheren taz- | |
| und jetzigen) FAS-Redakteur Ralph Bollmann, beim Messeempfang des Verlags | |
| C. H. Beck seinen Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ vor. | |
| In freier Rede umreißt er im Grand Hotel Hessischer Hof die Thesen seines | |
| Buchs. Die Diskussion über französisch- und englischsprachige Ausgaben | |
| erregte im Frühjahr bereits das deutsche Feuilleton. Piketty untersucht die | |
| unterschiedliche Vermögensentwicklung und Reichtumsverteilung in den | |
| westlichen Staaten. | |
| ## r is bigger than g | |
| In der derzeitigen Kapitalkonzentration sieht er eine Gefahr für die | |
| Demokratien. Allerdings ist er in seiner Kritik darum bemüht, | |
| Errungenschaften wie Sozialstaat oder die Etablierung breiter | |
| Mittelschichten nicht zu negieren. „Ich glaube an Privatbesitz und | |
| Kapitalismus“, so Piketty. Und auch wenn sein Buch im Titel an Karl Marx | |
| angelehnt ist, entscheidend seien die Veränderungen, die sich über den | |
| historischen Vergleich ergeben. Marx musste über vieles spekulieren, sagt | |
| Piketty, ihm stehe hingegen heute ein ganz anderes Datenwissen zur | |
| Verfügung. | |
| Piketty ist kein Geschichtsskeptiker und auch niemand, der den Untergang | |
| „des“ Kapitalismus predigt oder gar auf autoritäre staatliche Lösungen | |
| setzt. Auf sein Narrativ, Balzac und die „Menschliche Komödie“, kommt er | |
| ein ums andere Mal zu sprechen. | |
| Der französische Schriftsteller hatte die Beziehungen von Reich und Arm in | |
| Frankreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu seinem Gegenstand | |
| gemacht. Piketty ist Ökonom und für seine Untersuchung ist die Formel von | |
| „r is bigger than g“ das Bedeutende. „Return ist größer als growth“, … | |
| Gewinne aus Kapital sind größer als die Rate des wirtschaftlichen | |
| Wachstums. | |
| ## Kluft zwischen Arm und Reich | |
| Das war zwar in der Geschichte oft so, doch bereiten daran geknüpfte | |
| gewisse Beobachtungen Sorgen. So erlebten die USA in den letzten Jahren | |
| eine gewaltige Reichtumskonzentration an der Spitze, während ihre | |
| Mittelschichten stagnieren. Das mache sich bereits am Bildungssystem | |
| bemerkbar, das nur noch bei der Elite Weltspitze sei, aber in der Breite | |
| schnell und stark nachlasse. Die sich verstärkende Kluft zwischen Arm und | |
| Reich sei auch eine für Europa feststellbare Tendenz, wenn auch noch | |
| weitaus weniger dramatisch als für die Vereinigten Staaten. | |
| Steuerdiskussionen seien kaum jemals sachlich und in Ruhe zu führen. | |
| Dennoch blieben er und die Botschaft seines Buchs „optimistisch“. Gewiss, | |
| so Piketty, eine globale Vermögensteuer klänge derzeit wie eine ferne | |
| Utopie. Aber nur durch sie, und sei sie noch so gering, ließe sich auch das | |
| nötige Datenmaterial gewinnen, um weltweit unkontrollierte Kapitalvorgänge | |
| zu analysieren und zu regulieren. Mit Polemik hielt sich der smarte Pariser | |
| Professor in Frankfurt merklich zurück. | |
| Und wenn er einmal sagte, dass ihm keinerlei Fakten bekannt seien, wonach | |
| Manager, die 10 Millionen Euro verdienen, besser arbeiteten als diejenigen, | |
| die eine Million bekommen, war ihm der Beifall des Saals gewiss. Aus | |
| ökonomischen Entwicklungen sich ableitende politische Zwangsläufigkeiten | |
| sehe er jedoch keine. „Wir sind als Gesellschaft sehr reich und können die | |
| Dinge ändern.“ | |
| 12 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
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