# taz.de -- Kommentar Internetsteuer in Ungarn: Der Chef steht auf der Leitung | |
> Die Steuer festigt Viktor Orbáns Macht. Sie trifft seine Kritiker, die | |
> soziale Medien zum Austausch nutzen – oder gleich ganz auswandern. | |
Bild: Ist das Bild verpixelt? Muss wohl an Orbáns Internetzugriff liegen | |
Keiner soll sagen, Viktor Orbán hätte die Ungarn nicht gewarnt. Vor den | |
Kommunalwahlen vom vergangenen 12. Oktober kündigte er an, er werde jetzt | |
seine „Revolution“ vollenden. Unbehelligt von weiteren Popularitätstest an | |
den Urnen kann er bis 2017 nach Belieben walten. Man kann davon ausgehen, | |
dass kommende Massnahmen der Festigung der Macht und der Sanierung der | |
leeren Kassen dienen werden. Die neue Internetsteuer erfüllt beide Ziele. | |
Wer in Ungarn der Regierung von Premier Viktor Orbán kritisch gegenüber | |
steht, informiert sich bevorzugt über das Internet. Die staatliche | |
Medienholding MTVA kontrolliert Fernsehen, Hörfunk und online Dienste und | |
sorgt dafür, dass der Ungar und die Ungarin eine positive Meinung über die | |
Staatslenker bekommt. Oppositionelle Radiosender wie Tilos oder Klubrádió | |
sind ausserhalb von Budapest nur via Internet zu empfangen. Die sozialen | |
Medien dienen dem Austausch von Informationen, die es in die offiziellen | |
Medien nie schaffen. Das soll jetzt teuer werden. | |
Die Internetsteuer, die mit 2015 in Kraft treten soll, trifft zwar in | |
erster Linie die Providerfirmen, doch ist damit zu rechnen, dass sich die | |
Abgabe bald in den Verbrauchertarifen wiederfinden wird. | |
Ungarn ist schon jetzt ein Hochsteuerland. Die Flat-Tax von 16 Prozent, mit | |
der Löhne und Gehälter besteuert werden, belastet die Kleinverdiener | |
überproportional. Die europaweit höchste Umsatzsteuer akzentuiert diese | |
Schieflage. Und die Internetsteuer droht Menschen, deren Sozialkontakte und | |
Informationsbeschaffung über das Netz laufen, zusätzlich zu bestrafen. | |
## Kommt jetzt der Protest? | |
Noch kann keiner sagen, ob die Demonstration, die für kommenden Sonntag in | |
Budapest angekündigt ist, tatsächlich Hunderttausende auf die Strasse | |
bringt. Doch die bisherigen Reaktionen in den sozialen Medien lassen eine | |
machtvolle Protestveranstaltung erwarten. Selbst Leute, die zuletzt – | |
vielleicht mangels attraktiver Alternativen - Fidesz gewählt haben, sind | |
aufgebracht über die drohende Beschränkung der Informationsfreiheit. | |
Warum die junge Generation sonst so wenig gegen dumpfen Nationalismus, | |
Europafeindlichkeit und Bereicherung der Fidesz-Oligarchen protestiert, | |
wurde vielleicht von einer küzlich vorgestellten EU-Studie über | |
Auswanderung aus den ost- und südosteuropäischen Ländern beantwortet. Aus | |
Ungarn sind allein zwischen Mitte 2010 und Ende 2013 rund 350.000 Menschen | |
netto (also abzüglich der Rückkehrer) ausgewandert. Seit 2009 steigt die | |
Abwanderung stetig an. | |
Vier Fünftel der Emigranten sind jünger als vierzig Jahre und ein | |
überproportionaler Anteil hat einen akademischen Abschluss. Sie suchen und | |
finden Arbeit in Deutschland, Österreich und Großbritannien. Und nur ganz | |
wenige geben an, dass sie später wieder zurückkehren wollen. | |
Das ist gut für Orbán weil diese Generation am ehesten aufbegehrt. Und es | |
ist schlecht für Ungarn, denn die geistige Elite kehrt dem Land inzwischen | |
den Rücken. | |
23 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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