| # taz.de -- Deutscher Abenteurer im Kongo: A Life in the Jungle | |
| > Der deutsche Geschäftsmann, der vor 40 Jahren Muhammad Alis Boxkampf | |
| > „Rumble in the Jungle“ organisierte, lebt heute in Kinshasa. | |
| Bild: Kinshasa, 30. Oktober 1974: Ali schlägt Foreman K.o. | |
| Es gab im 20. Jahrhundert eine Zeit, da war die Demokratische Republik | |
| Kongo nicht Inbegriff von horrormäßiger Gewalt wie heute. In den 1970er | |
| Jahren hieß das Land Zaire und träumte von einer „authentischen“ | |
| afrikanischen Identität – in Überwindung der brutalen belgischen | |
| Kolonialherrschaft. Diktator Mobutu verpasste dem Land, allen | |
| Provinzhauptstädten und allen Bürgern neue Namen, eine neue postkoloniale | |
| Elite wuchs heran und labte sich am fetten Erbe der Kolonialunternehmen. | |
| Luxuslimousinen und Champagner strömten ins Land. Mobutu wollte sogar die | |
| Olympischen Spiele nach Kinshasa holen. Als ihn Berater davon abbrachten, | |
| richtete er stattdessen den unter dem Namen „Rumble in the Jungle“ legendär | |
| gewordenen Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman aus. Er fand | |
| um vier Uhr früh in der Nacht zum 30. Oktober 1974 vor Zehntausenden | |
| Zuschauern in einem Sportstadion statt. Muhammad Ali gewann in der achten | |
| Runde durch K. o., nur wenige Minuten bevor der Strom ausfiel – was die | |
| Liveübertragung in die USA gekappt und die Organisatoren Millionen gekostet | |
| hätte. | |
| Einer der Organisatoren lebt noch heute in Kinshasa, das wie das ganze Land | |
| nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Hans Buchhold, deutscher | |
| Geschäftsmann, hält gerne Hof in einem jener Cafés, wo es auf kühlen weißen | |
| Fließen unter diskret summenden Klimaanlagen tagsüber klebrige Süßigkeiten | |
| und duftende Croissants gibt – eine Kreuzung aus der verblichenen | |
| Kaffeehauskultur der Belgier, dem Zuckerwahn der Libanesen und der | |
| Kitschverliebtheit der örtlichen Elite. Diese Cafés sind ein | |
| wiederaufgeblühter Teil der alten Glanzzeiten. | |
| Mobutus Elite versoff nach 1974 das Kapital des Landes, statt zu | |
| investieren. Dann kamen Niedergang und Krieg, dann Frieden und damit | |
| Zehntausende internationale Experten und UN-Mitarbeiter, die alle irgendwo | |
| essen wollen. | |
| Eines Nachmittags vor Jahren erzählte Buchhold der taz in einem dieser | |
| Cafés seine Lebensgeschichte. Vor 1974 arbeitete er für den deutschen | |
| Finanzmakler Frederic Weymar, der vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA | |
| ausgewandert und schließlich in Trinidad gelandet war. | |
| Auf Umwegen über die Schweiz war an Weymar, der auch Mobutu beriet, die | |
| Idee des Boxkampfs herangetragen worden. Er organisierte die | |
| Vorfinanzierung : 57 Millionen US-Dollar plus 20 Millionen für Mobutu | |
| persönlich, wie bei Zaire-Geschäften üblich. Und er entsandte am 13. Januar | |
| 1974 seinen jungen Mitarbeiter Hans Buchhold nach Kinshasa, um die | |
| Infrastruktur aufzubauen: 29 Millionen US-Dollar allein für die | |
| Bodenstation. | |
| ## Zu rechts für die Heimat | |
| 12 Millionen gab es für die beiden Box-Weltstars. Muhammad Ali, präzisiert | |
| Buchhold, musste den Kampf gewinnen: Hätte Foreman gewonnen, „wäre keiner | |
| lebend rausgekommen“. Muhammad Ali war nämlich charismatisch und ein | |
| „lieber Neger“. Das ist eine typische Ausdrucksweise des Deutschen, der von | |
| sich selbst sagt, er sei „so rechts, das gibt’s gar nicht“, und sich | |
| deswegen überhaupt nicht vorstellen kann, jemals wieder nach Deutschland | |
| zurückzukehren. | |
| Kongo, beziehungsweise Zaire früher, ist für deutsche Abenteurer ideal – | |
| ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem sich alles über persönliche | |
| Beziehungen regelt. Der deutsche Journalist Albrecht Heise hat in seinem | |
| Buch „Kongo im Chaos“, das eigentlich von Buchhold handelt, in dem die | |
| Hauptfigur aber nur mit dem Vornamen „Hans“ auftaucht, den Geschäftsmann | |
| geradezu karikiert: Wie er im Garten seiner Villa im weißen Bademantel am | |
| Telefon seine Geschäfte regelt und ansonsten 1.500 US-Dollar im Monat für | |
| Zigarren ausgibt. Am „Rumble in the Jungle“ verdiente Buchhold demnach | |
| 250.000 Deutsche Mark, Finanzmakler Weymar 100 Millionen US-Dollar. | |
| Mit seiner Viertelmillion ging Buchhold ins heimatliche Essen zurück, bis | |
| ihn die Grauzonen seiner Unternehmertätigkeit wenige Jahre später zurück | |
| nach Zaire trieben. An seine zweite Zaire-Zeit erinnert sich Buchhold | |
| besonders gern, denn da organisierte er das wohl verrückteste Geschäft der | |
| gesamten 32-jährigen Mobutu-Ära: die Verpachtung eines kompletten | |
| Landesteils an eine deutsche Firma für Raketentests. | |
| Die Otrag (Orbital Transport und Raketen AG) erhielt bis zum Jahr 2000 von | |
| Zaires Diktator in einem dem Abkommen zur Panamakanalzone nachempfundenen | |
| Vertrag die Hoheitsrechte über eine riesige Fläche in der Südprovinz | |
| Katanga – eine Fläche „von der genauen Größe der DDR“, wie sich Buchho… | |
| schelmisch erinnert, das habe er sich als alter Rechter ausbedungen. | |
| Nach dem Boxkampf von 1974 habe die US-Weltraumagentur Nasa ihn | |
| kontaktiert, erläutet Buchhold den Hergang. Sie suchte ein Stück Hochland | |
| in Ostafrika, um gegen die Erddrehung 300 Satelliten über den Indischen | |
| Ozean ins All zu schießen, und brauchte dafür Hitlers alte | |
| Raketenspezialisten. Der Otrag-Pachtvertrag von 1975 sei die damals größte | |
| Privatinvestition in Afrika gewesen, so Buchhold. | |
| Die Firma agierte als eigener Staat mit Einreisekontrollen und | |
| Wochenendflügen nach München – Franz Josef Strauß stand Mobutu besonders | |
| nahe. Zaire war damals der Vorposten des „freien Westens“ im Kampf gegen | |
| Kommunisten und Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika, Mobutu als | |
| Bezwinger des kongolesischen Befreiungshelden Patrice Lumumba die | |
| Verkörperung dieser Westorientierung, aktiv gefördert von der CSU. | |
| Es gab drei Probeschüsse, dann kamen die Katangakriege von 1977 und 1978, | |
| als Rebellen aus dem benachbarten sozialistischen Angola einfielen, bis die | |
| französische Fremdenlegion „in zwei Tagen Ruhe machte“, wie es Buchhold | |
| ausdrückt. Aber mit dem Krieg war auch die Zeit der Otrag vorbei. Buchhold | |
| gibt dem damaligen SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt daran die Schuld – | |
| „weil er Ärger mit Moskau, Warschau und Prag hatte“. Am 20. April 1978 habe | |
| Schmidt Mobutu in Kinshasa besucht. Acht Tage später habe Mobutu Buchhold | |
| einbestellt und den Otrag-Vertrag gekündigt. Entschädigungslos. Ein | |
| Riesenverlust. „Versuchen Sie mal, Mobutu zu verklagen.“ | |
| ## Neue Seilschaften | |
| So ganz kann das nicht stimmen, denn es gab danach einen Folgevertrag und | |
| erst Anfang der 1980er Jahre verlegte die Otrag ihre Aktivitäten – nach | |
| Libyen, ausgerechnet. Aber Buchhold war draußen. Er fing sich wieder. Als | |
| ab 1991 Mobutus Armee anfing, Kinshasa zu verwüsten, weil sie nicht mehr | |
| bezahlt wurde, ergatterte der Deutsche einen Job als „Korrespondent“ der | |
| Weltbank, die ihre Belegschaft eigentlich abgezogen hatte. | |
| Damit war er plötzlich eine Art Diplomat und blieb das zehn Jahre lang. Ab | |
| 1996 marschierten Rebellen aus dem Osten des Landes unter Führung von | |
| Laurent-Désiré Kabila mit Unterstützung Ruandas quer durch das Land und | |
| ergriffen im Mai 1997 in Kinshasa die Macht. | |
| Unter den neuen Machthabern tummelten sich Exilzairer aus Deutschland, und | |
| für die war die Bar von Kinshasas teuerstem Hotel mit Buchhold als | |
| Stammgast die erste Anlaufstelle. Mit François Olenga, Sohn eines | |
| Lumumba-Mitstreiters, verbindet Buchhold bis heute eine enge Freundschaft, | |
| was es dem Deutschen ermöglicht, sich mit einer Aura undurchdringlicher | |
| Macht zu umgeben. Olenga hatte jahrzehntelang in Köln gelebt und war im | |
| Februar 1997 in seine Heimat zurückgekehrt, wo er nach seiner Ankunft in | |
| der Rebellenhauptstadt Goma auf der Hotelterrasse die taz las. | |
| Anders als viele andere Mitkämpfer blieb Olenga sowohl Mobutus Bezwinger | |
| Laurent-Désiré Kabila treu als auch nach dessen Ermordung seinem Sohn | |
| Joseph Kabila, seit 2001 Präsident des Kongo. Er nutzte während des | |
| Kongokriegs seine Connections zur ukrainischen Rüstungsindustrie, wurde | |
| 2012 Armeechef und vor wenigen Monaten „persönlicher Stabschef“ Kabilas mit | |
| Ministerrang – vermutlich zuständig für inoffizielle Militärausgaben. | |
| Mobutus Seilschaften sind im Kongo von Kabilas Seilschaften ersetzt worden. | |
| Buchhold hat sie alle überlebt. Als die taz mit ihm sprach, war er im | |
| Tropenholzgeschäft – Kongo hat die größten unberührten Regenwälder der | |
| Erde. Und er beriet Unternehmer, die nicht damit klarkamen, dass sie | |
| Steuern zahlen sollten. „Die landen alle bei mir“, sagte er genüsslich: �… | |
| einer Diktatur hat man riesigen Freiraum. Hier regelt sich alles durch eine | |
| kleine Diskussion.“ Und plötzlich war nicht mehr klar, ob er nur über die | |
| Vergangenheit sprach oder die Gegenwart. | |
| 30 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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