# taz.de -- Muhammad Ali wird 70 Jahre alt: Das herausragende Schwergewicht | |
> Er war ein Provokateur, ein Künstler und bleibt ein Mythos: Wie aus | |
> Cassius Clay Muhammad Ali wurde. Ein Leben in zehn Kämpfen. | |
Bild: Muhammad Ali zeigt sich auch im Alter noch kämpferisch. | |
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Olympiasieger Cassius Clay ist stolz auf sein Land. Von einem sowjetischen | |
Journalisten auf den Rassismus in den USA angesprochen, erklärt er: "Sagen | |
Sie Ihren Lesern, dass wir qualifizierte Leute haben, die an diesem Problem | |
arbeiten, und dass ich mir keine Sorgen mache!" | |
Das Land dankt es Clay nicht: Als er mit Freunden in seiner Heimatstadt | |
Louisville den Olympiasieg feiern will, wird er in einem Schnellrestaurant | |
nicht bedient. Angeblich wirft er aus Ärger vor der rassistischen | |
Zurücksetzung die Medaille in den Ohio River. | |
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Vor seinem ersten Auftritt als Profi außerhalb der USA erhält Cassius Clay | |
Post von Bertrand Russell: "Unser Henry ist stark, aber ich glaube, Sie | |
gewinnen." Clay antwortete dem Philosophen, Mathematiker und | |
Literaturnobelpreisträger: "Sie sind nicht so blöd, wie Sie aussehen." | |
Clay geht in dem Kampf einmal zu Boden - erstmalig in seiner Profilaufbahn | |
-, gewinnt aber durch technischen K. o., sogar so, wie er es vorher | |
angekündigt hatte: in der 5. Runde. Und es beginnt eine Korrespondenz | |
zwischen Russell und Ali, die bis zu Russells Tod 1970 andauert. | |
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Weltmeister Sonny Liston gilt als härtester Puncher seiner Zeit, und der | |
vorbestrafte Analphabet ist eine Marionette der Mafia. Der junge Cassius | |
Clay, gemanagt von einer weißen Sponsorengruppe aus Louisville, ist da eine | |
"weiße Hoffnung". Clay hält Demonstrationen vor Listons Trainingslager ab. | |
In Clays Camp taucht immer öfter Malcolm X von der Nation of Islam auf. Ali | |
gewinnt sensationell: Liston bleibt völlig erschöpft und zermürbt zu Beginn | |
der 7. Runde sitzen. Clay verkündet nach dem Kampf seinen Übertritt zu den | |
Black Muslims und legt seinen "Sklavennamen Cassius Clay" ab - bald heißt | |
er Muhammad Ali. | |
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Patterson ist ein schwarzer Exweltmeister. Über Ali sagt er: "Clay muss | |
besiegt und der Boxsport von der Geißel der Black Muslims befreit werden." | |
Im Kampf blafft Ali Patterson an: "Komm her, weißes Amerika, sag mir meinen | |
Namen. Whats my name, fool?" | |
Er hält Patterson zwölf Runden am Rande des K. o., weigert sich aber, ihn | |
durch einen Niederschlag zu erlösen. Ein WM-Kampf als Bestrafung. Ein Jahr | |
später entschuldigt sich Patterson und verteidigt Ali in einem | |
Zeitungsbeitrag: "Menschen in unserer Demokratie haben das Recht, anders zu | |
sein." | |
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Schon bevor er zur Rekrutierungskommission einbestellt wird, stellt Ali | |
klar: "I aint get no quarrel with them Vietcong" - ich habe keinen Ärger | |
mit dem Vietkong. Etwa 20 Ali-Fans demonstrieren. "Draft Beer - Not Ali" | |
steht auf den Plakaten: Zapft Bier, lasst Ali hier! Als der Name "Cassius | |
Clay" aufgerufen wird, tut sich nichts. | |
Auch nicht beim Namen "Muhammad Ali". Ali wird wegen | |
Kriegsdienstverweigerung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Seine Boxlizenz | |
und seinen WM-Titel muss er abgeben. In den nächsten Jahren wird er Redner | |
vor rebellierenden Studenten und Schauspieler in einem Off-Broadway-Stück. | |
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Drei Jahre Berufsverbot liegen hinter Ali. Sein Trainer Angelo Dundee sagt, | |
als er mit 29 Jahren wieder in den Ring tritt: "Den besten Ali haben wir | |
nie gesehen." Weltmeister ist mittlerweile Joe Frazier, der Kampf gegen Ali | |
gilt als "Fight of the Century", als Kampf des Jahrhunderts. Ali sagt | |
vorher: "Die Einzigen, die Frazier die Stange halten, sind Weiße in | |
Anzügen, Sheriffs aus Alabama und Typen vom Ku-Klux-Klan. Ich aber kämpfe | |
für die kleinen Leute aus dem Ghetto." | |
Frazier, der anders als Ali, wirklich aus dem Ghetto kommt, ist empört; | |
drei Jahre zuvor hatte Frazier seinem Freund Ali sogar Geld gegeben. Der | |
Kampf wird eine klare Sache: Frazier gewinnt. Alis Zukunft ist ungewiss. | |
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Weltmeister ist George Foreman, der lange als unbesiegbar gilt. Der ist, | |
wie damals Sonny Liston, ein harter Puncher. Der Promoter Don King sorgt | |
dafür, dass der Kampf im unabhängigen Afrika stattfindet, im Zaire des | |
Diktators Mobuto. Ali will die politische Symbolik: Wie die US-Army in den | |
Wäldern von Vietnam zermürbt wird, so will er Foreman in Afrika bekämpfen. | |
Es wird der legendäre "Rumble in the Jungle". | |
Ali sagt später: "Niemand hatte je von Vietnam gehört, bis dort Krieg war. | |
Niemand hatte je von Korea gehört, bis dort Krieg war. Niemand hatte je von | |
Zaire gehört, bis ich dort kämpfte. Und mich zu bezahlen ist deutlich | |
billiger, als einen Krieg zu führen." George Foreman ist der Gegenentwurf | |
zu Ali: Als Olympiasieger 1968 lief er mit einer Stars-and-Stripes-Flagge | |
durch den Ring, distanzierte sich so von den protestierenden schwarzen | |
US-Athleten. Der Kampf Ali - Foreman wird zur Parabel auf den Vietnamkrieg. | |
Ali: "George wirft mit Bomben nach meinem Kopf." | |
Wie die USA Vietnam mit einem Flächenbombardement überziehen, drischt | |
Foreman auf Ali ein. Doch der beweist im Boxring die gleiche | |
Leidensfähigkeit wie der Vietkong. In der 8. Runde holt Ali zum Schlag aus: | |
Die amerikanische Weltmacht geht k. o., wird entthront - und das mitten im | |
afrikanischen Dschungel. | |
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Ein dritter Kampf mit Joe Frazier steht an: Der erste ging an Frazier, der | |
zweite an Ali. Der "Thrilla in Manila" ist wieder ein Kampf in einen | |
unabhängig gewordenen Dritte-Welt-Staat, diesmal auf den Philippinen. Ali | |
beschimpft seinen Gegner: Der sei "hässlich" und ein "dummer Gorilla". Der | |
Kampf wird zur brutalen Ringschlacht, Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit | |
tun ihr Übriges. Beide Boxer kämpfen bis zur totalen Erschöpfung. | |
Ali zum Ende der 14. Runde: "Ich frage mich, ob ich die letzte Runde | |
überhaupt noch schaffen werde." Gegen Fraziers Willen wirft dessen Trainer | |
das Handtuch. Ali will jubeln, doch er bricht zusammen. Beide Boxer müssen | |
ins Krankenhaus. Es ist der einzige Kampf, den Ali sich nie im nachhinein | |
anschaut. | |
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Bei den Olympischen Spielen 1996 heißt zur großen Überraschung der | |
Weltöffentlichkeit der letzte Fackelträger Muhammad Ali. Vier Milliarden | |
TV-Zuschauer sehen den von Parkinson gezeichneten zitternden Mann im weißen | |
Trainingsanzug, wie der das Olympische Feuer entzündet. Ali hat sich | |
Respekt erkämpft. | |
Die Schriftstellerin Joyce Carol Oates: "Wer hätte je gedacht, dass der | |
einsame schwarze Athlet Ali, der von den Medien geächtet wurde, einmal das | |
Sinnbild einer neuen Ära werden sollte?" | |
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Barack Obama, der am Ende des Wahlkampfs erster schwarzer Präsident der USA | |
sein wird, führt seine Kampagne von einem Schreibtisch, über dem ein Poster | |
von Muhammad Ali hängt. Obama sagt über Ali: "Er ist und wird es immer | |
sein: der Champ." | |
Ali sieht das nicht anders: "Das Establishment kann man nicht wirklich | |
bekämpfen, weil es zu stark ist. Es besitzt zu viele Waffen: Flugzeuge, | |
Bomben unf Geschütze. Ich forderte es aber symbolisch heraus. Und im | |
Nachhinein gesehen, war ich der Sieger." | |
16 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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Kongo | |
Boxen | |
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