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# taz.de -- Fußballweltmeister im Kino: Bunte Schnipselparade
> Alles ist immer supi: „Die Mannschaft“ ist ein sehr eindimensionaler Film
> über den WM-Sieg des DFB-Teams. Der Verband hat das meiste selbst
> gefilmt.
Bild: Blick hinter die Kulissen: Schweinsteiger wartet auf seinen Auftritt auf …
Irgendwann steht Bastian Schweinsteiger am Swimmingpool des Teamquartiers
in Santo André. Bevor er ins Wasser springt, streckt er beide Arme wie ein
Erweckungsprediger gen Himmel – und sagt: „Obrigado Sepp Blatter.“ Danke,
Blatter! Dann macht er einen Köpfer. Schweinsteiger spricht sein Stoßgebet
ohne einen Anflug von Ironie.
Der Bayernprofi dankt dem Weltenlenker des Kommerzfußballs dafür, dass er
die WM in ein südliches Land gebracht hat, nach Brasilien eben, denn
Schweinsteiger hat es gern warm. Er hätte es nicht besser erwischen können
am rauschenden, subtropischen Atlantik, im ganz neu errichteten
Teamquartier der deutschen Mannschaft, wo es (fast) alles gibt, was sich
ein deutscher Fußballer wünscht.
Dass sich diese Szene in dem Streifen „Die Mannschaft“ findet, ist
sicherlich kein Zufall, denn bei der bunten Schnipselparade handelt es sich
um eine Kooperation des Fußballweltverbandes Fifa mit dem Deutschen
Fußball-Bund und der Produktionsfirma Little Shark Entertainment, die Sönke
Wortmann 1998 gegründet hat. Man erinnert sich: Ebenjener Wortmann war es,
der nach der WM 2006 seine filmischen Nachbetrachtungen unter dem Titel
„Deutschland. Ein Sommermärchen“ unters Volk brachte.
## Alles unter Kontrolle
Damals ließ der DFB immerhin noch einen Regisseur von außen herein in den
abgeschotteten Betrieb der Fußballelite, jetzt hat der Verband das meiste
selbst gefilmt. Das folgt einem Trend in der Sportbranche: Man behält
lieber alles unter Kontrolle. Auf diese Weise lässt sich besser steuern,
was im Film auftaucht und was nicht. Wortmann war 2006 kein sonderlich
kritischer Begleiter des Teams von Jürgen Klinsmann, aber ihm gelangen
immerhin ein paar eindrucksvolle Schlüssellochperspektiven, die im
kollektiven Gedächtnis der Fußballfans blieben: die grotesken
Motivationsreden von Klinsmann zum Beispiel, der die Polen „durch die Wand
hauen“ wollte.
Dieser neue Fanfilm, der am Mittwoch in die Kinos kommt, ist auch ein
Backstage-Besuch, aber im Zeitalter von Echtzeitberichterstattung und der
Selbstvermarktung der Spieler via Twitter kann er nicht mehr so viel Neues
liefern wie noch vor acht Jahren, mal abgesehen von den Innenansichten des
Teamquartiers, dem Campo Bahia also, Fahrten mit Bus, Fähre und Flugzeug,
Philipp Lahm, wie er vor einem Teller Rührei sitzt, Bastian Schweinsteiger,
wie er am Strand golft, Per Mertesacker, wie er zum Feierbiest mutiert,
Thomas Müller, wie er im Dirndl bedient, DFB-Chef Wolfgang Niersbach, wie
er ständig zum Bordmikrofon greift, und einem Joachim Löw, der den stillen,
zurückgenommenen Helden in diesem geschenkten Epos gibt.
## Alles ist supi
Die Anhänger der Nationalmannschaft werden den Film mögen, denn sie können
mit ihm noch einmal so richtig sentimental werden und „Hach, wie war das
schön!“ juchzen, für alle anderen hat er allenfalls dokumentarischen Wert.
Aber vielleicht nicht einmal den, denn der DFB gibt nichts wirklich preis.
Der 90-Minüter kommt ohne Brechungen aus: Alles ist immer supi. Die
Gemeinschaft ist eingeschworen, das Ziel glasklar, die Stimmung so dufte,
dass man sich irgendwann regelrecht freut über den motzenden Mertesacker,
der es einem ZDF-Reporter nach der Algerien-Partie vor laufender Kamera
gibt.
Gut, am Ende ist es durchaus unterhaltsam, Weltmeister zu sehen, die sich
ein bisschen gehen lassen und sogar den braven Jogi veräppeln. Aber selbst
da gibt es Spieler, die mäßigend auf übermütige Trunkenbolde einwirken. So
sieht man Fußballprofis, die sich rundumversorgt zum Titel gespielt und dem
DFB einen propagandistischen Steilpass gegeben haben. Das Tor ist leer. Die
Filmemacher schießen trotzdem knapp vorbei.
11 Nov 2014
## AUTOREN
Markus Völker
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