# taz.de -- „Flüchtlinge privat aufnehmen“-Knigge: Werden Sie kein Arschlo… | |
> Sie überlegen, Ihre Wohnung oder ein Zimmer an Flüchtlinge zu vermieten? | |
> Dann sollten Sie sich vorher einige Fragen stellen. | |
Bild: Noch Fragen? | |
Darf ich überhaupt einen Flüchtling aufnehmen? | |
Klar, aber es gibt bürokratische Hürden, immerhin sind wir in Deutschland. | |
Ihr zukünftiger Mitbewohner braucht die behördliche Erlaubnis, an Ihrem | |
Wohnort wohnen zu dürfen und eine private Unterkunft zu beziehen. Falls Ihr | |
künftiger Mieter oder Mitbewohner nicht genügend Geld hat, braucht er oder | |
sie vom Sozialamt eine Bescheinigung, dass die Miete übernommen wird. | |
Muss ich meinen Vermieter fragen, wenn ich ein Zimmer in meiner Wohnung | |
vermieten will? | |
Das kommt ganz auf Ihren Mietvertrag an. Wenn Untervermietung generell | |
genehmigt ist, dann handhaben Sie das wie bei einer Wohngemeinschaft. | |
Und die Nachbarn? | |
Sollen sich um ihr eigenes Leben kümmern. Aber versuchen Sie nicht, | |
jemandem etwas zu beweisen. Muten Sie Ihrem potenziellen Mitbewohner kein | |
Haus voller Nazis zu. | |
Was muss ich einem Flüchtling bieten und was darf das kosten? | |
Es gibt Vorgaben, wie groß die Wohnung sein darf und wie viel sie kosten | |
darf. Fragen Sie das zuständige Sozialamt. Die teure Wohnung im | |
angesagtesten Bezirk der Stadt werden Sie auf diesem Weg jedenfalls nicht | |
vermietet kriegen. Zimmer oder Wohnung sollten so groß sein, dass darin | |
auch wirklich jemand leben kann. Versuchen Sie nicht, die Zustände in den | |
Flüchtlingsunterkünften zu imitieren. Sanitäre Anlagen und eine | |
Kochmöglichkeit sind Standard. Ein Supermarkt und öffentliche | |
Verkehrsmittel in der Nähe wären auch nicht schlecht. Miete und Heizkosten | |
werden bis zu einer gewissen Höhe von der Kommune übernommen. Für alles | |
andere müssen die Flüchtlinge selbst aufkommen – mit dem Geld aus den | |
Sozialleistungen, die sie erhalten. | |
Gibt es staatliche Entschädigung für die Aufnahme eines Flüchtlings? | |
So läuft das nicht. Aus der Sicht des Staats ist es nicht vorgesehen, dass | |
die Aufnahme eines Flüchtlings zusätzliche Kosten verursacht. Und gute | |
Menschen bekommen kein Geld dafür, gute Menschen zu sein. Stattdessen gibt | |
es gutes Karma. | |
Ich besitze ein leerstehendes Gebäude, kann ich das vermieten? | |
Klar. Wenn das Haus so aussieht, dass auch Sie darin wohnen würden. Am | |
Besten wenden Sie sich direkt an eine Organisation wie die Caritas oder an | |
Ihre Stadtverwaltung und fragen dort nach. In Berlin gibt es unter anderem | |
das Projekt „Wohnungen für Flüchtlinge“ des Evangelischen Jugend- und | |
Fürsorgewerks, an das Sie sich wenden können. | |
Wie lange soll der Flüchtling bei mir wohnen? | |
Es ist lobenswert, Menschen in der Not vorübergehend aufzunehmen. | |
Grundsätzlich wäre es jedoch zielführender, wenn Sie Flüchtlingen eine | |
langfristige und stabile Lösung anzubieten hätten. Das wäre eine | |
willkommene Abwechslung zu dem Chaos, das Menschen auf der Flucht oft | |
erleben. | |
Darf der Flüchtling bei mir arbeiten? | |
Wenn er oder sie eine Arbeitserlaubnis hat und einen Job gegen Bezahlung | |
erledigen soll, nur zu. Alles, was über übliche WG-Pflichten in einer | |
gemeinsamen Wohnung hinausgeht und als Gegenleistung für Hilfsbereitschaft | |
verlangt wird: nein. Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich gern bei Pro | |
Asyl. | |
Wie viele Flüchtlinge darf ich aufnehmen? | |
So viele wie Sie Platz haben. Aber Sie dürfen eine Wohnung in Deutschland | |
nicht überbelegen, egal ob mit Flüchtlingen oder nicht. Steht alles in | |
einem Bundesgesetz. | |
Bin ich in irgendeiner Weise verantwortlich für meinen neuen Mieter oder | |
Mitbewohner? | |
Nein. Es mag beispielsweise eine gute Idee scheinen, Wohnraum gratis an | |
Flüchtlinge zu vergeben. Aber das wird leicht zu einem gegenseitigen | |
Abhängigkeitsverhältnis. Dort der Gönner, der seine Hilfe aber auch nicht | |
so einfach wieder entziehen kann, ohne ein Arschloch zu sein. Hier der | |
Hilfsempfänger, der auf das Wohlwollen seines Mäzen angewiesen ist und das | |
Gefühl hat, ihm etwas schuldig zu sein. | |
Schließen Sie einen Vertrag ab, ziehen Sie Grenzen. Oft haben Menschen, die | |
nach Deutschland kommen, ihren ganzen Besitz verloren. Hier müssen sie von | |
vorn anfangen. Die Wohnung zu bezahlen hilft ihnen, auch wieder ein Gefühl | |
der eigenen vier Wände und Selbstbestimmung zu empfinden. | |
Was mache ich, wenn ich möchte, dass der Flüchtling wieder auszieht? | |
Wer einen Mietvertrag hat, hat eine Kündigungsfrist. | |
Wer hilft mir bei Verständigungsproblemen? | |
Rein theoretisch wären die Kommunen für Dolmetscher zuständig. In der | |
Praxis ist das oft schwierig. Am besten sucht man frühzeitig eine geeignete | |
Beratungsstelle vor Ort und macht gleich Druck, denn der Staat sollte | |
zumindest für professionelle Unterstützung sorgen, wenn er bei der | |
Unterbringung schon versagt hat. | |
Was mache ich, wenn andere Familienmitglieder nachziehen wollen? | |
Die Angst, dass zwanzig Menschen in Ihrer Wohnung leben möchten, ist wohl | |
eher unbegründet. Und wie schon gesagt, Überbelegung ist verboten. | |
Wie sehr darf ich einem Flüchtling helfen? | |
Hilfsbereitschaft ist toll. Zwangsbeglückung nicht. Erliegen Sie nicht dem | |
Trugschluss, ein Flüchtling könne die Lücke schließen, die drei erwachsene | |
Kinder in Haus und Herz hinterlassen haben. Vielleicht möchte Ihr neuer | |
Mitbewohner eine gewisse Nähe, vielleicht aber auch nicht. Sie leben | |
freiwillig zusammen, also respektieren Sie einander. | |
Darf ich Vorlieben bei Herkunft, Alter oder politischer Einstellung haben? | |
Es gibt kein Flüchtlingscasting. Es ist auch nicht vorgesehen, dass sich | |
die Verwaltung auf ein Auswahlverfahren einlässt. Sonst gilt wie in jeder | |
Wohngemeinschaft das Prinzip der doppelten Zufriedenheit. Menschen kommen | |
zusammen, und erst wenn es für beide Seiten passt, ist es gut. | |
Okay, wo kriege ich nun einen Flüchtling her? | |
Melden Sie sich bei der Kommune. Sie können auch in einem Flüchtlingsheim | |
vorbeischauen – allerdings ist das nicht immer erlaubt und rücksichtsvoll, | |
schließlich ist das privater Wohnraum. Fragen Sie bei ehrenamtlichen | |
Mitarbeitern des Heims oder einer Beratungsstelle nach. Auf der Seite | |
[1][bewegung.taz.de] finden Sie auch eine kleine Liste von Organisationen, | |
die Ihnen helfen können, ein Zimmer oder eine Wohnung an einen Flüchtling | |
zu vermitteln. Rechnen Sie aber nicht damit, dass jeder Flüchtling bei | |
Ihrem Angebot auf die Knie fällt. Manche Flüchtlinge möchten vielleicht | |
lieber im Wohnheim bleiben, wo andere Menschen leben, deren Sprache sie | |
verstehen. | |
23 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://bewegung.taz.de/aktionen/bewegung-berlin/blogeintrag/-refugeeswelcom… | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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