# taz.de -- Nuklear-Abkommen mit dem Iran: Worum geht's beim Atom-Vertrag? | |
> Bis Montag um Mitternacht läuft die Frist für ein Abkommen. Wer | |
> verhandelt in Wien, welche Folgen hätte eine Einigung oder ein Scheitern? | |
Bild: Eine Langstreckenrakete Ghadr-F bei der jährlichen Militärparade in Teh… | |
GENF taz | Seit 2008 verhandelt die iranischen Führung mit der | |
5+1-Ländergruppe, bestehend aus den fünf Vetomächten des | |
UN-Sicherheitsrates – USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien – | |
plus Deutschland. Ziel der 5+1 ist ein Abkommen, dass die militärische | |
Nutzung des iranischen Nuklearprogramms zur Entwicklung von Atomwaffen | |
verlässlich ausschließt. Jetzt haben sich die Außenminister der beteiligten | |
Länder in Wien getrofffen, um endlich ein Abkommen unterschriftsreif zu | |
bekommen. | |
Warum löste das iranische Nuklearprogramm weltweite Verhandlungen aus? | |
Es besteht der Verdacht, dass die iranische Führung ihr nach den | |
Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages (NPT) erlaubtes ziviles | |
Nuklearprogramm für verbotene militärische Zwecke zur Entwicklung von | |
Atomwaffen nutzt. Der Verdacht entstand erstmals 2003 als bekannt wurde, | |
dass Teheran seit 1986 ein Programm zur Anreicherung von Uran betrieben | |
hatte – in unterirdischen Anlagen und unter Geheimhaltung vor der für die | |
Überwachung des NPT zuständigen Internationalen Atomenergie Organisation | |
(IAEO). Nicht die Urananreicherung sondern die Geheimhaltung waren ein | |
Verstoß Irans gegen Bestimmungen des NPT. | |
Seitdem sind weitere Verdachtsmomente hinzugekommen – darunter | |
Sprengzündertests auf der geheimen Militäranlage Parchin, zu der Teheran | |
den Inspekteuren der IAEO bislang den Zugang verweigert. Da sich die | |
strittigen Fragen und Verdachtsmomente nicht aufklären ließen, überwies die | |
IAEO die Angelegenheit 2006 an den UN-Sicherheitsrat. Besonders lautstark | |
wird der Verdacht oder gar die Behauptung, Iran betreibe ein militärisches | |
Atomprogramm, von der israelischen Regierung geäußert, ebenso wie in | |
Washington und anderen westlichen Hauptstädten. Aber auch Russland und | |
China wollen verhindern, dass Iran Atomwaffenmacht wird. Deshalb tragen sie | |
alle Iran-Resolutionen und Sanktionen mit, die der UN-Sicherheitsrat seit | |
2006 beschlossen hat. | |
Was sagt Iran? | |
Die Führung in Teheran hat den Verdacht, sie betreibe ein Programm zur | |
Entwicklungen von Atomwaffen, immer entschieden zurückgewiesen. Sie | |
verweist dabei unter anderem auf eine Fatwa des amtierenden Staatsführers | |
Ajatollah Ali Chamenei, wonach die Herstellung, der Besitz und der Einsatz | |
von Atomwaffen „unislamisch“ und daher verboten seien. | |
Was wären die Folgen einer Einigung? | |
Sollte bis nächsten Montag ein Abkommen über das iranische Nuklearprogramm | |
gelingen, könnte dies erstmals seit der iranischen Revolution von 1979 zu | |
einer grundlegenden Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Iran | |
führen. Dann bestünde die Chance zu einer verstärkten Kooperation beider | |
Länder bei der Bekämpfung des „Islamischen Staats“. Selbst eine Beteiligu… | |
Irans an den Bemühungen zur Beendigung des syrischen Bürgerkrieges, die | |
Washington in den letzten drei Jahren verhindert hat, wäre dann nicht mehr | |
auszuschließen. Mittelfristig geriete Israel unter stärkeren | |
internationalen Druck, dem NPT beizutreten und sein eigenes | |
Atomwaffenarsenal abzubauen. Damit würde im Nahen und Mittleren Osten eine | |
Zone frei von atomaren-, chemischen und biologischen | |
Massenvernichtungswaffen möglich. | |
Welche Auswirkungen hätte ein Scheitern der Verhandlungen für die Region | |
des Nahen und Mittleren Ostens? | |
Bei einem Scheitern würden die Bestrebungen Saudi-Arabiens und anderer | |
sunnitischer Staaten, sich zum Schutz vor dem schiitischen Iran atomare | |
Waffen zuzulegen, gestärkt. Im schlimmsten Fall käme es zu einem | |
Rüstungswettlauf mit atomaren, chemischen und biologischen | |
Massenvernichtungswaffen – unter Beteiligung Irans, Israels, | |
Saudi-Arabiens, der Türkei, Ägyptens und weiterer Staaten. | |
Welche Rolle spielt die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO) in | |
dem Konflikt? | |
Die IAEO mit Sitz in Wien ist zuständig für die Überwachung des | |
Atomwaffensperrvertrags (NPT) von 1970, dessen 186 Unterzeichnerstaaten – | |
darunter seit 1976 auch Iran – völkerrechtlich verbindlich auf die | |
Entwicklung von Atomwaffen verzichtet haben. | |
Was sind die wichtigsten Streitpunkte bei den Verhandlungen? | |
1. Urananreicherung: Die Anreicherung auf fünf Prozent ( erforderlich zur | |
Herstellung von Brennstäben für Atomkraftwerke) sowie auf bis zu 20 Prozent | |
(für medizinische Forschungszwecke) fällt unter die Garantie des NPT und | |
ist erlaubt. Die 5+1 wollen verhindern, dass Iran darüber hinaus Uran auf | |
bis zu 90 Prozent anreichert und damit atomwaffenfähiges Spaltmaterial | |
erhält. Die technische Infrastruktur der Nuklearanlagen muss nach | |
Vorstellung der 5+1 so zugeschnitten sein, dass der Iran bei einem | |
Vertragsbruch oder nach einem Austritt aus dem NPT mindestens ein Jahr | |
brauchen würde, eine Atombombe zu bauen. Je länger diese „Ausbruchszeit“, | |
desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass solche Schritte entdeckt würden. | |
Deshalb soll Iran künftig nur noch über maximal 5.000 betriebsbereite | |
Zentrifugen zur Urananreicherung verfügen dürfen, und dies nur noch in | |
oberirdischen Anlagen, die rund um die Uhr von der IAEO überwacht werden. | |
Dies lehnt Teheran ab. Derzeit hat Iran knapp 20.000 Zentrifugen in Betrieb | |
– allerdings ältere, weniger leistungsfähige Modelle. Anfang 2014 hatte der | |
Iran den Ausbau der Urananreicherungsanlagen auf bis zu 50.000 überwiegend | |
moderne Zentrifugen verkündet. | |
2. Arak: Der noch im Bau befindliche Schwerwasserreaktor Arak in | |
Zentraliran würde nach einer Inbetriebnahme Plutonium produzieren, das für | |
den Bau von Atombomben dienen könnte. Teheran ist bereit, die Konstruktion | |
des Reaktors so zu ändern, dass deutlich weniger Plutonium produziert wird. | |
Die Forderung der 5+1, den Reaktor zu schließen oder zu einem | |
Leichtwasserreaktor umzubauen, lehnt die iranische Führung ab. | |
3. Vertragslaufzeit: Die USA fordern für das Abkommen, das Iran im | |
Vergleich zu den anderen 185 NPT-Vertragsstaaten Sonderbeschränkungen | |
auferlegen und unter verschärfte Überwachung durch die IAEO stellen würde, | |
eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren. Die anderen Mitglieder der 5+1 | |
würden sich mit 10 bis 20 Jahren zufriedengeben. Teheran will sich auf | |
höchstens 7 Jahre einlassen. | |
4. Sanktionsstopp: Umstritten ist, wie schnell nach Abschluss eines | |
Abkommens die seit 2006 von den USA, der EU und dem UN-Sicherheitsrat | |
verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Iran aufgehoben werden. Teheran | |
verlangt die sofortige Aufhebung insbesonders der Sanktionen gegen den | |
iranischen Ölsektor und den Finanzsektor, die der Wirtschaft des Landes | |
erheblichen Schaden zugefügt haben. Russland und China wären dazu bereit. | |
Doch Washington will die Sanktionen erst nach einer Umsetzung (fast) aller | |
vertraglichen Verpflichtungen durch Teheran aufheben. | |
Welche Szenarien bis zum 24. November sind denkbar? | |
Auf die Möglichkeit eines endgültigen Scheiterns der Verhandlungen wollen | |
sich weder Diplomaten Irans noch der 5+1 bislang einlassen. Das Szenario | |
einer – von Teheran bereits ins Spiel gebrachten – weiteren Verlängerung | |
eventuell bis Februar stößt vor allem bei den vier westlichen Mitgliedern | |
der 5+1 auf wenig Begeisterung, wird aber nicht ausgeschlossen. Für den | |
Fall einer Einigung bis zum 24. November sind zwei Optionen denkbar: ein | |
vollständiges Abkommen mit Regelungen aller strittigen Details, oder aber | |
ein Grundlagenvertrag, dessen Einzelheiten noch ausgehandelt werden | |
müssten. | |
21 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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