# taz.de -- Wasserwerfer-Prozess zu S21 eingestellt: Polizisten bleiben straffr… | |
> Obwohl sie erst neue Verhandlungstage ansetzte, hat die Richterin nun den | |
> S21-Prozess eingestellt. Zwei Polizisten müssen je 3000 Euro zahlen. | |
Bild: Mehr als 160 Verletzte: Wasserwerfer-Angriff im Herbst 2010. | |
STUTTGART taz | Es brodelt im Gerichtssaal. „Schämt Euch“, rufen die | |
Zuhörer. Und: „Oben bleiben“, den Protestruf der S21-Bewegung. Die | |
Richterin hatte kaum ihren Satz beendet, dass das Verfahren eingestellt | |
wird, da bricht die Empörung los. Die Richterin fordert Polizisten auf, den | |
Saal zu räumen. So ist die Begründung der Entscheidung nur noch für Presse | |
zu hören. | |
Der Wasserwerferprozess am Stuttgarter Landgericht ist ohne ein Urteil zu | |
Ende gegangen. Auf Vorschlag der Richterin wird der Prozess wegen geringer | |
nachzuweisender Schuld gegen die Zahlung von 3.000 Euro je Angeklagtem | |
eingestellt. Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten haben zugestimmt. | |
Angeklagt waren zwei Einsatzabschnittsleiter wegen fahrlässiger | |
Körperverletzung im Amt. Die Polizei sollte am 30. September 2010 den von | |
Demonstranten belagerten Schlossgarten räumen, damit dort Bäume für das | |
Bahnprojekt Stuttgart 21 gefällt werden konnten. Der Einsatz eskalierte. | |
Die Polizei ging mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen | |
die Demonstranten vor. Die Polizisten hätten ihre Wasserwerferstaffel davon | |
abhalten müssen, Wasserstöße in Kopfhöhe auf die Demonstranten abzugeben, | |
sagte der Staatsanwalt zu Beginn des Prozesses. Das hatten sie nicht getan. | |
Insgesamt wurden damals laut Innenministerium 130 Demonstranten und 34 | |
Polizisten verletzt. Die Initiative Parkschützer geht von über 400 | |
Verletzten aus. Der 70-jährige Dietrich Wagner wurde von einem Wasserstoß | |
direkt ins Gesicht getroffen und ist seither fast komplett erblindet. | |
Die Polizisten hatten schon zum Auftakt des Verfahrens im Juni jede Schuld | |
von sich gewiesen. Zuletzt hat der frühere Oberstaatsanwalt Bernhard | |
Häußler, der den Einsatz verfolgte, die Angeklagten belastet: Sie hätten | |
vor Ort entscheiden müssen, ob es gerechtfertigt war, Wasserwerfer | |
einzusetzen. | |
Für Frank-Ulrich Mann, dem Vertreter des erblindeten Dietrich Wagner, gab | |
die Staatsanwaltschaft kein gutes Bild ab. „Man musste sie von Anfang an | |
zum Jagen tragen. Ohne Druck von oben hätten sie meiner Ansicht nach nie | |
ermittelt. Kein Wunder, dass sie jetzt der Einstellung bei einem läppischen | |
Betrag von 3.000 Euro schnell zustimmten.“ Die Sprecherin der | |
Staatsanwaltschaft sagte dagegen: „Die Begründung des Gerichts hat uns | |
überzeugt.“ | |
## Plötzliche Einstellung | |
Ursprünglich war geplant, dass am 22. Dezember ein Urteil fällt. Erst | |
kürzlich hatte die Richterin, die von allen Beteiligten als in der Sache | |
sehr genau und korrekt gelobt wird, weitere Verhandlungstermine bis März | |
angesetzt und weitere Zeugen geladen. Dann aber schlug sie die Einstellung | |
vor. „Aus meiner Sicht muss ihre Entscheidung sachfremde Gründe haben“, | |
sagte Mann. | |
Hat sie Druck von oben bekommen? Das Justizministerium teilte dazu mit: | |
„Die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit verbietet | |
jede Einflussnahme auf ein Gericht. Auch bezüglich der Staatsanwaltschaft | |
hat es keine Einflussnahme gegeben.“ | |
Die Richterin sah die Verantwortlichkeit der Angeklagten als weitgehend | |
geklärt, und ihre richterliche Aufgabe damit als erledigt an. Der | |
Strafprozess sei nicht das geeignete Mittel für eine umfassende | |
Aufarbeitung des Schlossgarteneinsatzes, das Gericht kein | |
Untersuchungsausschuss. | |
Was hat der Prozess trotz des abrupten Endes gebracht? Die | |
Staatsanwaltschaft ermittelt seit Juli gegen den damaligen | |
Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf wegen des Verdachts der fahrlässigen | |
Körperverletzung im Amt. Die Angeklagten hatten ihn schwer belastet: Er | |
habe den „robusten Einsatz“ ausdrücklich befürwortet. Im Vorfeld habe | |
Stumpf den Einsatz mangelhaft geplant. Von der Eskalation habe er erfahren | |
müssen, als er am Einsatztag im Schlossgarten auftauchte. | |
26 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
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