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# taz.de -- Syrische Flüchtlinge: Dieses neue, seltsame Leben 
> Rund 4.000 SyrerInnen leben offiziell in Berlin. Viele weitere kommen
> illegal mit Schleppern in die Stadt. Bürokratische Hürden nehmen vielen
> die Energie.
Bild: Demonstration von Syrern in Berlin gegen Assad 2011.
Hassan ist 26 Jahre alt und hat in Damaskus Wirtschaftswissenschaften
studiert. In den letzten Jahren war für ihn selbst der kurze Weg in die
Bibliothek gefährlich. Also blieb er meistens Zuhause. Zur Trauer um
getötete Freunde und der existentiellen Ungewissheit, kam die bleischwere
Langeweile. Seit knapp drei Monaten ist er in Berlin. Er verbringt nun so
viel Zeit wie möglich im Gorki-Theater, wo Stücke mit englischen
Untertiteln gezeigt werden. Ausserdem hat er dort Freunde gefunden. Mit
seiner Freude über die zurückgewonnene Bewegungsfreiheit ist er typisch für
viele syrische Neuankömmlinge in der Stadt. Allerdings sind die meisten,
die hier ankommen und Asyl beantragen, zunächst völlig damit ausgelastet,
sich durch die Bürokratie zu kämpfen und Deutsch zu lernen. Da bleibt für
die Stadt selten Energie.
SyrerInnen werden im Vergleich zu anderen Asylsuchenden bevorzugt
behandelt. Das heisst nicht, dass man auf den Ämtern gemeinhin freundlich
oder gar hilfsbereit auf ihre Anträge oder Fragen reagieren würde. Doch die
Bearbeitungsdauer ist relativ gering: So dauert es häufig nur drei Monate
bis eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird. Das ist Rekord. Der hängt
auch damit zusammen, dass im Moment niemand nach Syrien abgeschoben wird.
Seit Ausbruch der Aufstände 2011 sind rund 4.000 SyrerInnen – Asylbewerber
und Kontingentflüchtlinge – nach Berlin gekommen. In der Mehrheit zeichnen
sich die in Berlin – und überhaupt in Deutschland lebenden SyrerInnen
bislang durch Zurückhaltung aus. Trotz der humanitären Katastrophe, die
sich in ihrem Heimatland täglich ereignet, gab es bisher keine großen
Demonstrationen oder Protestaktionen. Das Fehlen von sichtbaren politischen
Aktionen geht auch auf das Konto der syrischen Auslandsopposition, der es
noch immer schwer fällt, politisch Position zu beziehen, ohne sich darüber
zu zerstreiten.
Nicht vergessen aber werden sollte, darauf weist die Syrien-Expertin
Kristin Helberg hin, dass viele hier lebende Syrer noch Verwandte in Syrien
haben, die sie nicht gefährden wollen. Die Opposition in Syrien geht davon
aus, dass bis zu 250.000 politische Gefangene unter schlimmsten Bedingungen
in syrischen Gefängnissen sitzen.
Gleichzeitig führt das Auswärtige Amt Hintergrundgespräche mit ehemaligen
Aktivisten. Die geringe Mobilisierung für die Straße ist also nicht
gleichzusetzen mit politischer Abstinenz. Doch allmählich macht sich auch
bei den im Schatten der Öffentlichkeit agierenden AktivistInnen
Enttäuschung breit. Denn viele haben nicht den Eindruck, dass ihre Kenntnis
etwa von den Verbrechen des Assad-Regimes oder ihre Bitte, die Beschulung
von den Flüchtlingskindern in den Nachbarländern Syrien zu ermöglichen und
natürlich auch mehr SyrerInnen in Deutschland aufzunehmen, zu einem
größeren Engagement der Regierung führt. Von den 1,5 Millionen syrischen
Kindern, die ihre Heimat verlassen mussten, können nur 350.000 in eine
Schule gehen.
Kulturell und politisch haben unter den etablierten Einrichtungen bislang
vor allem das bereits erwähnte Gorki-Theater, das Haus der Kulturen der
Welt und die Heinrich-Böll-Stiftung syrischen KünstlerInnen und
Intellektuellen eine Plattform gegeben. Noch fällt es den Institutionen
schwer, die geflüchteten Syrer als ExpertInnen in Sachen Syrien oder auch
Islamischer Staat wahrzunehmen und sie einzubeziehen. Aber das muss ja
nicht so bleiben.
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Ihren Kiosk.
28 Nov 2014
## AUTOREN
Ines Kappert
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