# taz.de -- Rechter Populismus in Dresden: Die verängstigten Deutschen | |
> In Dresden gehen rund 5.000 Menschen auf die Straße. Sie sind gegen die | |
> „Islamisierung des Abendlandes“ und gegen Flüchtlinge. | |
Bild: Abendveranstaltung mit Aggressionspotenzial: die TeilnehmerInnen der Pegi… | |
DRESDEN taz | Es geht hektischer zu als bei den sechs Dresdner | |
Montagsdemonstrationen der Pegida zuvor. Und von einem „andächtigen | |
Abendspaziergang“ der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des | |
Abendlandes“ kann schon gar keine Rede mehr sein. | |
Polizeiwagen fahren an diesem 1. Dezember auf Grünstreifen zwischen | |
Fahrbahnen in der Innenstadt und trennen den Pegida-Zug von den | |
Gegendemonstranten. Für zwei Stunden ist der Verkehr weitgehend lahmgelegt. | |
Polizisten rennen zwischen Weihnachtsbuden an der Frauenkirche hindurch. | |
Schließlich können etwa 400 Sitzblockierer den Zug zur Umkehr zwingen. | |
Die wöchentliche Versammlung der verängstigten Deutschen lebt auch vom | |
Mythos einer wachsenden Bewegung. Dem leistet die offizielle Teilnehmerzahl | |
der vielbeschäftigten Polizei diesmal auch noch Vorschub: 7.500 sollen | |
gekommen sein. Journalisten und Beobachter sind sich hingegen einig, dass | |
weniger als die offiziell 5.500 Demonstranten der Vorwoche da sind. Hat die | |
Pegida ihren Höhepunkt schon überschritten? | |
Entstanden aus einer Facebook-Gruppe bedient die Pegida seit Mitte Oktober | |
mit schnellem Erfolg latente Ressentiments gegenüber Ausländern und diffuse | |
Ängste. Sie werden genährt durch den IS-Terror und die Kriege in der | |
islamischen Welt, in deren Folge verstärkt Flüchtlinge nach Deutschland | |
kommen. Wortführer Lutz Bachmann war bei seinen Reden bislang bemüht, sich | |
nach rechts abzugrenzen. | |
## Er habe sogar muslimische Freunde | |
Er sei nicht gegen den Islam, nur gegen militanten Islamismus, habe sogar | |
muslimische Freunde wie seinen türkischen Trauzeugen. Man wende sich auch | |
nicht gegen das Asylrecht für politische Flüchtlinge, nur | |
Wirtschaftsflüchtlinge hätten in Deutschland nichts zu suchen. | |
Tiraden gegen „Asylanten mit Vollausstattung“ oder die geschürte Angst vor | |
„Vergewaltigung der deutschen Sprache“ aber ziehen folgerichtig auch | |
NPD-Funktionäre und Kameradschaften an. Auch Hooligans hat die Polizei | |
unter den Demonstranten ausgemacht. Niemand distanziert sich von eindeutig | |
rechten Kräften – aber Mitläufer fühlen sich in erregten Blog-Einträgen | |
diffamiert, wenn sie in deren Nähe gerückt werden. | |
Die Mehrzahl der Demonstranten ist tatsächlich nicht organisiert. | |
Mittlerweile reisen sie aus allen Teilen Sachsens in die Landeshauptstadt. | |
Sie sind ganz überwiegend männlich, vor allem unter 30 und über 60. | |
Gegenüber Journalisten herrscht Redeverbot – wohl weil die Organisatoren | |
eine Selbstentlarvung des Ungeistes der Versammelten befürchten. In der Tat | |
erweisen sich jene, die dennoch sprechen, als unzugänglich gegenüber jeder | |
rationalen Argumentation. | |
Sie wollten nicht, dass ihre Enkel Burka tragen und unter der Scharia | |
leiden müssten, hören im weit entfernten Köln den Muezzin schon lauter | |
rufen als die Glocken des Domes. „Wir sind die Deutschen, wir wollen nicht, | |
dass der Islam uns überrennt“, meint ein älterer Herr. | |
## Alle hätten geklaute Smartphones | |
Flüchtlinge sollten von den reichen Ölländern aufgenommen werden, wo sie | |
auf die gleiche Religion träfen. Jeder Asylant koste siebenmal so viel wie | |
ein Hartz-IV-Empfänger, meint eine Frau zu wissen. Die besäßen alle | |
geklaute Smartphones. Am besten die Grenzen gleich ganz dichtmachen, damit | |
man am Abend noch auf die Straße gehen kann. | |
Daneben herrscht allgemeiner Systemfrust. Das Statistische Landesamt lüge, | |
wenn es einen Ausländeranteil von nur 2,5 Prozent in Sachsen feststellt. | |
Politiker sind Volksverräter, die Medien linke Lügner. | |
Dennoch möchte Sachsens CDU-Fraktionschef im Landtag, Frank Kupfer, diese | |
Menschen und ihre Sorgen ernst nehmen. „Es ist unsere Aufgabe, mit ihnen zu | |
diskutieren“, sagt er – ohne diesen Versuch bislang unternommen zu haben. | |
Die junge Leipziger Linken-Abgeordnete Juliane Nagel hält hingegen den | |
Geist von Pegida für mitschuldig an der Gewalt gegen Flüchtlinge. | |
Welches Aggressionspotenzial in dem allmontäglichen Dresdner Zug steckt, | |
zeigte der Montagabend. Der angeblich gutbürgerliche Schweigemarsch wurde | |
sehr laut, ein Böller krachte, „weg mit dem Dreck“ wurde in Richtung | |
Blockierer gerufen. Teile wollten durch die Polizeikette brechen. Unter den | |
von „Dresden nazifrei“ organisierten Blockierern tauchte unterdessen so | |
etwas wie der Volkswitz von 1989 wieder auf. „Wir sind die Mauer, das Volk | |
muss weg!“, riefen sie unter Anspielung auf den Missbrauch des | |
89er-Straßenslogans „Wir sind das Volk“. | |
## Mehrfach vorbestraft | |
Mit den Recherchen einiger Medien zur Biografie von Anführer Lutz Bachmann | |
hat Pegida nun erst einmal eine Schlappe wegzustecken. Bachmann ist | |
mehrfach vorbestraft, zurzeit auf Bewährung. Er versuchte sich in Jobs von | |
Bratwurst bis Werbung, ist dem Rotlichtmilieu eng verbunden und wechselt | |
häufig den Wohnsitz. „Ich stehe über der Schmutzkampagne“, rief Bachmann … | |
Montag in die Menge. | |
Mit den Demos wolle man erst aufhören, „wenn die Politik sich ändert“, | |
erklärte er in seinem einzigen Interview, das er der bevorzugten | |
Bild-Zeitung gewährte. Für einen realen Einfluss auf die Politik aber gibt | |
es keine Ebene – weil die dialogunfähige Pegida keinen konkreten Adressaten | |
sucht. | |
2 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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