| # taz.de -- Immobilienmakler auf Kuba: Eine Villa in Havanna | |
| > Lange spielte sich der Immobilienhandel auf Kuba jenseits des Gesetzes | |
| > ab. Seit seiner Legalisierung vor drei Jahren explodiert der Markt. | |
| Bild: Heruntergekommene Villa in Havanna. | |
| HAVANNA taz | Er ist einer der Ersten seiner Art. Ein Revoluzzer. Einer, | |
| der gerne Luftschlösser baut und so manchen Traum erfüllt. Henry Borques | |
| ist Immobilienmakler in Havanna, Kuba. Ein sonniger Samstagnachmittag. | |
| Henry Borques steht im Wohnzimmer eines Freundes im Villenviertel Vedado. | |
| Bald schon, so schwärmt er und lässt seinen Arm durch den Raum schwingen, | |
| wird er hier seine Kunden empfangen und an der Wand wird sein Firmenname | |
| prangen: „casaspuntocom“. | |
| Der Staat hat keine Geschäftsräume mehr, also miete er auf eigene Faust, | |
| obwohl es sehr teuer ist. So sei das mit der Marktwirtschaft: man müsse | |
| erst investieren, um zu gewinnen, sagt er und lacht sein | |
| Geschäftsmannlächeln, dass die Zähne blitzen. Schon bald wird er gewinnen, | |
| das steht fest. „Schließlich ist das ein jungfräulicher Markt mit einem | |
| Riesenpotenzial!“ | |
| 3,7 Millionen Wohnungen gibt es auf der Karibikinsel. Offiziellen Quellen | |
| zufolge sind 85 Prozent davon in privater Hand. Im November 2011 erlaubte | |
| die kubanische Regierung erstmals seit Beginn der Revolution den Kauf und | |
| Verkauf solcher Immobilien. 88.000 Transaktionen wurden im vergangenen Jahr | |
| durchgeführt - doppelt so viele wie 2012. Seit einem Jahr stehen auch | |
| Maklertätigkeiten auf der Liste der erlaubten Privatgeschäfte. Ein kleiner | |
| Schritt für den Rest der Welt, in dem der Immobilienhandel schon längst ein | |
| lohnendes Geschäft ist. Ein großer Schritt für Kuba in Richtung | |
| Marktwirtschaft oder „Aktualisierung“ des sozialistischen | |
| Wirtschaftsmodells, wie es die Regierung nennt. | |
| Doch Borques ist mit seinem Büro noch einen Schritt weitergegangen, als die | |
| Reformen der Regierung reichen. „Die hatten an unabhängige Händler auf der | |
| Straße gedacht, von ganzen Maklerbüros keine Spur“, sagt er. Ein Haus zu | |
| verkaufen, um ein größeres, schöneres, besseres zu kaufen, schien lange | |
| Zeit genauso unmöglich, wie die Insel zu verlassen. Doch der Kubaner ist | |
| der König der Alternativen und so spielte sich der Immobilienmarkt jenseits | |
| der Legalität auf dem Prado, der Prachtstraße der Altstadt, ab. | |
| Immer samstags verwandelt sich der Prado in eine Freilicht-Tauschbörse und | |
| Pappschilder pflastern die Baumstämme. Früher stand darauf „Ich tausche“, | |
| das war erlaubt, solange beide Objekte ungefähr denselben Wert hatten. | |
| Heute heißt es meist „Ich verkaufe“. Wohnen wurde mit der Revolution zur | |
| Familienangelegenheit. | |
| Drei Generationen teilen sich manchmal nur zwei Zimmer in einem der maroden | |
| Altbauten, deren morbider Charme sich so schön in den Fotoalben der | |
| Urlauber macht. Die Großeltern, die vielleicht an der Seite von Fidel | |
| Castro kämpften, vererben ihre Häuser und Wohnungen an die Kinder und die | |
| an ihre Kinder bis an des Hauses Ende. | |
| ## Erst verkaufen, dann kaufen | |
| Die Mittagshitze hängt über der Stadt, auf den Prado prallt die Sonne. | |
| Sandra Robaina wartet und schwitzt. Ihre 75-jährige Mutter kann die Treppen | |
| in die gemeinsame Obergeschoss-Wohnung nicht mehr steigen. Also wollen sie | |
| diese für 10.000 Dollar verkaufen und eine neue im Erdgeschoss kaufen. | |
| Billiger versteht sich, ein bisschen was soll schließlich dabei | |
| herausspringen. | |
| Nach zwei Stunden gibt sie auf - ein weiterer Samstag ohne Erfolg wie so | |
| viele Samstage im vergangenen Jahr. Ein, zwei Mal glaubte sie, endlich die | |
| perfekte Wohnung gefunden zu haben. „Aber ich konnte sie nicht bezahlen, | |
| weil unsere noch nicht verkauft war. Das ist echt zum Verzweifeln.“ | |
| Das große Dilemma des jungen Immobilienmarkts. „90 Prozent meiner Klienten | |
| wollen ihr Haus verkaufen“, schätzt Henry Borques. Aber in einem Land, in | |
| dem das monatliche Durchschnittseinkommen bei knapp 20 US-Dollar liegt und | |
| der Staat keine sinnvollen Finanzierungsalternativen bietet, kann es sich | |
| kaum einer leisten, 15.000 US-Dollar in ein neues Eigenheim zu investieren. | |
| Gleichzeitig ist die Bereitschaft, ebenjenes zu verkaufen und so den | |
| Kontostand aufzupolieren, umso größer. | |
| ## Vier Typen gibt es | |
| Es gibt vier Immobilientypen auf Kuba, erklärt Henry Borques. Kubaner wie | |
| Sandra, die verkaufen, weil sie eine andere Wohnung suchen. Kubaner, die | |
| verkaufen, um sich mit dem Gewinn etwas aufzubauen. Kubaner, die kaufen, | |
| weil ihnen ihr ausländischer Ehepartner oder ein Familienmitglied von | |
| außerhalb Geld geben. Und schließlich diejenigen, die verkaufen, weil sie | |
| Kuba verlassen wollen. Ein solcher ist José García. | |
| Es klingelt im Villenviertel Vedado. In Boxershorts und Badelatschen | |
| schlappt José García zum Gartentor und öffnet Henry Borques. Baulärm röhrt | |
| von nebenan. Der 60-Jährige schlappt zum Fenster und schließt die Läden. | |
| „Seit der Spanier und seine kubanische Frau das Nachbarhaus gekauft haben | |
| und renovieren, landet ihr ganzer Dreck bei mir“, schimpft er. | |
| Immer mehr Ausländer würden sich ihr karibisches Feriendomizil über einen | |
| Kubaner kaufen, erklärt Henry Borques. Immerhin, so werde endlich in die | |
| Instandhaltung der alten Villen investiert. | |
| José Garcías Wohnung im Untergeschoss einer Villa ist ein kolonialer Traum | |
| - trotz der Altersflecke. Ein Traum, den der Rentner loswerden will, um | |
| seinen eigenen zu leben. „Einmal im Leben raus aus Kuba, egal wohin, die | |
| Welt entdecken“, sagt José García und lächelt. | |
| ## Ein Schnäppchen für Ausländer | |
| Seit drei Monaten ist er Borques Kunde. Auf 20.000 Dollar haben sie die | |
| Wohnung angesetzt - ein Schnäppchen für einen Ausländer. „Der | |
| Durchschnittskubaner kann sich das mit dem Verdienst seine Lebens nicht | |
| leisten“, sagt Borques. | |
| Ein Haus pro Monat zu verkaufen, das ist Borques Ziel. Ein | |
| kapitalistisches, an dem der Staat aber fleißig mitverdient: 10 Prozent des | |
| Kaufpreises plus rund 20 Dollar monatlich für die Lizenz. | |
| Henry Borques ist optimistisch. Der Markt sei mit der Legalisierung vor | |
| drei Jahren förmlich explodiert, außer seinem Büro gibt es nur wenige | |
| andere - kaum Konkurrenz um viel Nachfrage. Henry lacht, die Zähne blitzen. | |
| „Der Markt wird wachsen und ich mit ihm.“ | |
| 6 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Maria Hagen | |
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