| # taz.de -- Klaus Allofs über den VfL Wolfsburg: „Ich fühle mich ganz am An… | |
| > Fußball-Manager Klaus Allofs über den Aufschwung des VfL, | |
| > Malocherfußball, Wolfsburger Minderwertigkeitskomplexe und | |
| > Bauchentscheidungen. | |
| Bild: „Wenn man mit Menschen zu tun hat, kann man nicht nur Kopfentscheidunge… | |
| Profis und Geschäftsführung des VfL Wolfsburg sind gerade in das neue | |
| VfL-Center ein paar Meter östlich vom Stadion umgezogen. Im Erdgeschoss | |
| steht der Trophäenschrank des Klubs, der genau eine Trophäe enthält: die | |
| Meisterschale 2009. Klaus Allofs ist knapp getaktet, aber entspannt. Auf | |
| die Frage, wie viel Zeit er habe, antwortet er: „Solange sie brauchen.“ | |
| taz: Herr Allofs, wozu ist ein Fußballklub wie der VfL Wolfsburg da, was | |
| kann und soll er für die Gesellschaft leisten? | |
| Klaus Allofs: Das ist ja eine philosophische Frage. | |
| Ja, aber auch eine soziale und politische. | |
| Wir sind nicht dafür da, dass die Menschen Sport treiben. Wir wollen | |
| erfolgreich sein. Aber dass man uns mag, darf nicht davon abhängen, dass | |
| wir gerade ein Spiel gewonnen haben. Es geht darum, dass die Menschen in | |
| der Region, die sich für den VfL interessieren, ein gutes Gefühl haben, das | |
| zusätzlich Selbstvertrauen gibt. Wir müssen in der Stadt Wolfsburg ein Teil | |
| der Lebensqualität sein. Wir engagieren uns sozial und wollen unserer | |
| Verpflichtung nachkommen, junge Menschen auszubilden. | |
| Die intensivste und sozialste Bindung an einen Klub ist Teilhabe. Welche | |
| Teilhabe hat ein Fan an der 100-prozentigen VW-Tochter VfL? | |
| Die gleiche wie ein Anhänger von Borussia Dortmund. Der fühlt sich ja auch | |
| nicht der Aktiengesellschaft zugehörig, die an der Börse notiert ist, | |
| sondern dem Verein. | |
| Das Bundesligateam gehört nicht mehr zum Verein. | |
| Sehen Sie, für die Menschen hier ist das nicht die 100-prozentige Tochter | |
| von Volkswagen, sondern das ist der VfL Wolfsburg. Sie identifizieren sich | |
| total mit ihrem VfL. Der Anteil eines funktionierenden Fußballklubs für das | |
| Wohlgefühl der Stadt ist in einer 130.000-Einwohner-Stadt wie Wolfsburg | |
| viel höher als in größeren Städten. | |
| Im Kern von Wolfsburg steckt ein Minderwertigkeitskomplex, sagen | |
| Hobbypsychologen. Stimmt das? | |
| In den ersten Wochen hier in Wolfsburg hatten ganz viele Menschen das | |
| Bedürfnis, mir die Vorzüge und schönen Dinge Wolfsburgs nahezubringen. | |
| Wozu das denn? | |
| Weil die Wolfsburger stolz auf ihre Stadt und das Erreichte sind. Und um | |
| das klarzustellen, Wolfsburg ist anders, als es die ganzen betonierten | |
| Vorurteile transportieren. Ich weiß nicht, ob man das als | |
| Minderwertigkeitskomplex auslegen kann. Wenn überhaupt, dann leiden die | |
| Wolfsburger unter diesen Vorurteilen. | |
| Bei Werder Bremen wurden Sie zum „Managervorbild einer ganzen Generation“, | |
| nicht nur für den Spiegel. Das können Sie in Wolfsburg nicht kopieren. | |
| Den Ansatz schon: Wir wollen sympathischer werden. Mit den Vorurteilen | |
| aufräumen, uns glaubwürdig verhalten und dennoch selbstbewusst auftreten. | |
| Es geht darum, diesen Klub so zu führen, dass man auch als | |
| Nicht-Wolfsburger sagt: ’Was die da machen, Respekt!' Das muss aber hier | |
| damit verbunden sein, dass man sich sportlich auf ein höheres Niveau | |
| bringt. Da spiegelt sich VW als sehr erfolgreiches Unternehmen. Wir können | |
| nicht das Gegenteil sein. | |
| Sie wollen aber doch keinen Malocherfußball, oder? | |
| Was ist Malocherfußball? | |
| Eine Schimäre. | |
| Eben, es gibt den Arbeiter am Fließband, den kreativen Tüftler, den | |
| Finanzdienstleister. Volkswagen ist vielschichtig – und so wollen wir auch | |
| sein. | |
| Das heißt? | |
| Wir wollen keinen totalen Angriffsfußball. Denn das bedeutet in der Regel, | |
| dass man nicht erfolgreich ist. Wir wollen intelligent Fußball spielen. Wir | |
| wollen innovativ sein, das ist ein großes Wort, aber im Zusammenhang mit | |
| einem Autobauer normal. | |
| Ralf Rangnick, Fußballchef der Red-Bull-Klubs, kritisiert den deutschen | |
| Fußball als innovationsfeindlich. Sie auch? | |
| Man muss am Ende ja nicht jede Neuerung gut finden. Vielleicht muss man | |
| manches eines Tages auch korrigieren. Aber Wettbewerb und Veränderung | |
| müssen sein. Wir können nicht sagen: Das war immer so und muss immer so | |
| bleiben. | |
| Ist es akzeptable Innovation, wenn der Konzern RedBull drei Klubs als | |
| „Plattformen“ hat, auf denen Spieler hin- und hergeschoben werden können? | |
| Was sie bisher gemacht haben, stört mich nicht. Rein theoretisch kann sich | |
| doch jeder Klub auch woanders bedienen. Gut, in dem speziellen Fall können | |
| sie die Konditionen eines Ausleihgeschäftes oder Transfers beeinflussen. | |
| Deshalb muss man beobachten, inwieweit das sportlich in Ordnung ist, aber | |
| vieles machen sie in Leipzig gut. | |
| Es gibt einen Fußballmarkt in Leipzig, den der Unterhaltungskonzern RB | |
| besetzt hat. Reicht das? | |
| Ich denke, dass RB-Chef Mateschitz sagt: „Ich kann das, ich kriege das hin, | |
| ich mache das mit aller Konsequenz bis hin zur Ausbildung des Nachwuchses.“ | |
| Ein Vorurteil aus Ihrer Bremer Zeit: Sie entscheiden eher mit dem Bauch als | |
| dem Kopf. Richtig? | |
| Erstaunlich, wenn man an einem Ort so lange war und die Leute kennen einen | |
| so wenig. | |
| Wie ist das Verhältnis von Kopf und Bauch beim Aufbau eines Teams? | |
| Wenn man Buchhalter ist, und man hat eine gute Zahl und eine schlechte Zahl | |
| und entscheidet sich aus dem Bauch für die schlechte Zahl – das wäre | |
| Bauchgefühl schlecht angewandt. Aber wenn man mit Menschen zu tun hat, kann | |
| man nicht nur Kopfentscheidungen treffen. | |
| Heißt? | |
| Wenn ich einen Spieler habe, der die 100 Meter in 11,1 Sekunden läuft und | |
| einen anderen, der sie in 11,2 läuft und ich sage kategorisch: Dann nehme | |
| ich den, der 11,1 läuft, dann hätte ich den falschen Beruf ergriffen. Es | |
| ist vielschichtiger. Wenn wir das Gefühl haben, es ist der richtige | |
| Spieler, der richtige Moment und genau die Summe, die man investieren kann: | |
| Das ist dann vielleicht größerer Fußballverstand, ein Teil Vision und ein | |
| Teil Bauchgefühl. | |
| Gibt es falsche Momente für gute Spieler? | |
| Ja. Beim Transfer von Luiz Gustavo haben wir in der damaligen Situation | |
| lange nachgedacht: Ist das der richtige Schritt oder ist es noch ein zu | |
| großer Schritt? Am Ende sagten wir: Nein, das passt. | |
| Was sagt Ihr aktuelles Bauchgefühl bei Lukas Podolski? | |
| Nichts, weil ich nicht möchte, dass darüber geschrieben wird. | |
| Erstaunlich ist, dass Sie Großtransfers wie Kevin de Bruyne und Luiz | |
| Gustavo machen und gleichzeitig den Eindruck erwecken, Sie pflegten eine | |
| neue Kultur des Maßhaltens. | |
| Sie müssen die ganze Geschichte sehen. Wir haben unseren Kader und damit | |
| unsere Ausgaben so radikal reduziert, dass wir Freiräume geschaffen haben. | |
| Wir haben diese beiden Transfers stemmen können, ohne dass wir unser Budget | |
| erhöht haben. Natürlich aus einer komfortablen Situation heraus, aber es | |
| musste eine Vorleistung erbracht werden. Vorher haben wir 15 Spieler | |
| gekauft, jetzt holen wir zwei. Wir investieren in Qualität oder in die | |
| Hoffnung auf Qualität. | |
| Transfer- und Personalkosten dieser beiden Spieler werden komplett durch | |
| Kostensenkungen innerhalb des Kaders gedeckt? | |
| Natürlich. Wenn wir einen Spieler für 20 Millionen Euro Ablöse für fünf | |
| Jahre verpflichten, bedeutet das eine bilanztechnische Belastung von vier | |
| Millionen pro Jahr. Das ist finanztechnisch zu stemmen, wenn man gesund | |
| ist. | |
| Manchmal entsteht der Eindruck, Sie würden Großtransfers offensiv | |
| ausschließen, um die Kultur des Maßhaltens zu kommunizieren? | |
| Das ist kein taktisches Vorgehen, das ist eine Bewertung der Situation. Man | |
| muss Nutzen und Nachteile abwägen. So gern man den Spieler will, aber ein | |
| falscher Transfer kann einem alles durcheinanderwerfen. Und das ist nicht | |
| das richtige Signal nach außen, wenn das dort so ankommt, als könnten wir | |
| alles machen. Wenn wir es als unvernünftig ansehen, machen wir es nicht. | |
| Haben Sie die Kommunikationsstrategie gerade verändert, Sie und Trainer | |
| Dieter Hecking treten selbstbewusster auf – oder täuscht der Eindruck? | |
| Jein. Man muss immer vorsichtig sein. In der Vergangenheit gab es | |
| Zick-Zack, jetzt wollen wir uns stabilisieren und den 5. Platz bestätigen. | |
| Aber es ist auch dem VfL Wolfsburg erlaubt zu sagen, wir haben in der | |
| letzten Saison die Europa League erreicht, wir sind im Moment Zweiter in | |
| der Liga, wir müssen daraus Selbstbewusstsein entwickeln ohne überheblich | |
| zu klingen. Wir sind ganz am Anfang. Aber sich immer nur klein machen, ist | |
| auch falsch. Das müssen wir nicht. | |
| Dieses Jahr klafft hinter den Bayern ein Loch. | |
| Wir wollen mittelfristig in die Champions League. Gern auch kurzfristig. | |
| Aber schaffen wir es nicht, ist es kein Scheitern. Wir wollen stetige und | |
| fundierte Entwicklung nach oben, in kleinen Schritten. | |
| Was für einen Zeithorizont haben Sie persönlich? | |
| Ich fühle ich mich ganz am Anfang unserer gemeinsamen Reise. | |
| Das lässt die Wolfsburg-Kritiker das Schlimmste befürchten? | |
| Das könnte allenfalls meine Frau sagen, weil es in Aussicht stellt, dass | |
| ich noch ganz lange arbeiten möchte. | |
| 6 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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