# taz.de -- Appell für andere Russlandpolitik: Niemand will Krieg, aber... | |
> Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur warnen vor einem | |
> Krieg mit Russland und fordern eine neue Politik. Eine Grüne hält | |
> dagegen. | |
Bild: Höchst umstritten: Putin (l.) und sein Verteidigungsminister Schoigu. | |
BERLIN taz | Der Unterzeichnerkreis ist illuster, das Anliegen ehrenwert. | |
In einem gemeinsamen [1][Aufruf unter dem Titel „Wieder Krieg in Europa? | |
Nicht in unserem Namen!“] werben 65 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, | |
Wirtschaft und Wissenschaft für eine Politik der Deeskalation im Verhältnis | |
mit Moskau. | |
Zwar wolle niemand Krieg, aber „Nordamerika, die Europäische Union und | |
Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen | |
Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten“, heißt | |
es in dem Appell. | |
Unterschrieben haben ihn zahlreiche Politiker aus Union, SPD und FDP, | |
darunter Exbundespräsident Roman Herzog, Exbundeskanzler Gerhard Schröder | |
und die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Die Grüne gehört | |
neben dem ehemaligen Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle (SPD) und | |
dem einstigen Kanzleramtsberater Horst Teltschik (CDU) zu den Initiatoren. | |
„Bei Amerikanern, Europäern und Russen ist der Leitgedanke, Krieg aus ihrem | |
Verhältnis dauerhaft zu verbannen, verloren gegangen“, so der Appell. | |
„Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens | |
nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau, wie | |
auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin, nicht zu | |
erklären.“ | |
## Deutschlands besondere Verantwortung | |
In dieser „verfahrenen Situation“ sei es Aufgabe der Bundesregierung, zur | |
Besonnenheit und zum Dialog mit Russland aufzurufen: „Wir brauchen eine | |
neue Entspannungspolitik“, heißt es weiter. Das gehe nur auf der Grundlage | |
gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig | |
geachteten Partnern. Wer nur Feindbilder aufbaue und mit einseitigen | |
Schuldzuweisungen hantiere, verschärfe die Spannungen. „In diesem Moment | |
großer Gefahr für den Kontinent trägt Deutschland besondere Verantwortung | |
für die Bewahrung des Friedens“, appelliert der Aufruferkreis. Die Medien | |
werden aufgefordert, „ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung | |
überzeugender nachzukommen als bisher“. | |
Unterzeichnet haben des Weiteren die früheren Ministerpräsidenten Klaus von | |
Dohnanyi, Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe, der letzte | |
DDR-Regierungschef Lothar de Maizière sowie der liberale | |
Exbundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch. Die Schauspieler Mario Adorf, | |
Klaus Maria Brandauer und Hanna Schygulla sind ebenso dabei wie Regisseur | |
Wim Wenders, der Kabarettist Georg Schramm, der Liedermacher Reinhard Mey | |
und der Fotograf Jim Rakete, der Theologe Friedrich Schorlemmer und die | |
frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann. | |
Nicht vertreten sind hingegen Vertreter der Linkspartei. Sie wurden wohl | |
schlicht nicht gefragt. Als „wichtigen Beitrag, der dem Nachdenken Vorrang | |
vor blindem Russland-Bashing gibt“, begrüßte die Linkspartei-Vorsitzende | |
Katja Kipping am Sonntag den Aufruf. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht | |
wieder in einen Kalten Krieg gegen Russland verfallen“, sagte Kipping der | |
taz. | |
## Wie der Molotow-Ribbentrop-Pakt | |
Die Parteizentralen von CDU und SPD hüllten sich hingegen in Schweigen. Aus | |
„zeitlichen Gründen“ sei ein Statement nicht möglich, beschied die | |
SPD-Pressestelle. Er kenne den Aufruf „schlichtweg nicht“, teilte | |
CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Sonntag mit. Auch die Bundesregierung | |
wollte sich am Wochenende nicht äußern. | |
Empört reagierte die grüne Bundestagsfraktion: „Beunruhigend ist es, wenn | |
nicht nur Putin zu den außenpolitischen Grundsätzen des 19. Jahrhunderts | |
zurückkehrt, sondern diese auch in Deutschland formuliert werden“, sagte | |
die Sprecherin für Osteuropapolitik, Marieluise Beck. Die Unterzeichner des | |
Aufrufs seien „von einer erschreckenden Geschichtsvergessenheit, wenn sie | |
die deutsch-russische Achse beschwören und dabei über die Interessen und | |
das Schicksal der Länder zwischen Berlin und Moskau hinweggehen“. | |
In diesem Zusammenhang erinnerte Beck an den Molotow-Ribbentrop-Pakt: „Wer | |
diesen dunklen Teil der deutschen Geschichte ausblendet und sich nicht an | |
die Seite der Ukrainer stellt, die jetzt Opfer einer imperialen Aggression | |
aus dem Kreml werden“, der zeige, „dass es in der historischen Erinnerung | |
viele weiße Flecken gibt“, sagte sie. | |
7 Dec 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/politik/2014-12/aufruf-russland-dialog?commentstart=17#c… | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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