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# taz.de -- CSU-Papier zur Einwanderung: Das bedrohte Auenland
> In dem Leitantrag der CSU zu Einwanderung und Integration steht noch mehr
> Unsinn als bislang bekannt. Ein Punkt aber fehlt.
Bild: „Unsere Geschichte und Tradition ...haben eine einzigartige, starke Ide…
Die Forderung nach einer [1][Deutschpflicht für Ausländer] sorgt auf
Twitter unter dem Hashtag [2][#YallaCSU] für teils empörte, vor allem aber
für spöttische Reaktionen. Yalla ist Arabisch und bedeutet etwa „Auf, los
jetzt“, kann aber das heißen, was man auf Bairisch mit „Geh schleich di“
ausdrücken würde. Doch der Leitantrag „Bildung – Migration – Integratio…
der bislang nicht veröffentlicht wurde, der taz aber vorliegt, bietet über
den Sprachblödsinn hinaus weitere befremdliche Passagen.
So heißt es, die CSU begrüße es, „wenn dauerhaft hier lebende Menschen mit
ausländischen Wurzeln die deutsche Staatsbürgerschaft anstreben und damit
ein klares Bekenntnis zu unserem Land und seinen christlich-abendländischen
Werten ablegen“. Doch in der republikanischen Tradition hat die
Staatsbürgerschaft nichts mit religiösen oder kulturellen Dingen zu; sie
ist vielmehr das Instrument, über das der Zugang zu Menschen- und
Bürgerrechten geregelt wird und das zugleich mit Pflichten für das
Gemeinwesen verbunden ist.
Vom „Recht, Rechte zu haben“, hat Hannah Arendt einmal geschrieben. Im
republikanischen Ideal ist das Gegenstück zum Staatsbürger denn auch nicht
der Ausländer, sondern der Untertan. Bei der CSU hingegen ist
offensichtlich jene deutsche Tradition noch lebendig, in der auf den
Untertan nicht der Staatsbürger folgte, sondern der Staats- bzw. der
Volksangehörige: „Unser Zusammenleben fußt auf einem starken Rechtsstaat
und universellen, christlich-abendländisch geprägten Grundwerten“, heißt es
da.
Ebenso gut könnte man sagen: „Ich mag vegetarische, fleischreiche Kost.“
Denn Werte sind entweder universalistisch (was hier wohl gemeint war) oder
sie sind partikularistisch. Mit Formulierungen wie der „Staatsbürgerschaft“
als „Bekenntnis zu unserem Staat und zu unserer Rechts- und Werteordnung“
hingegen bewegt sich die CSU in Richtung Vergangenheit.
## „Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland“
So hieß in Einbürgerungsrichtlinien aus den Siebzigerjahren, die bis 1991,
als erstmals ein [3][Anspruch auf Einbürgerung] eingeräumt wurde, gültig
blieben: „Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland; sie
strebt nicht an, die Anzahl der deutschen Staatsangehörigen gezielt durch
Einbürgerung zu vermehren“. Eine Einbürgerung komme nur in Betracht, „wenn
ein öffentliches Interesse“ daran bestehe, „oberste Bedingung“ sei die
„freiwillige und dauernde Hinwendung zu Deutschland“.
Angesichts der ständigen Betonung „christlich-abendländischer Werte“
verwundert ein Satz im CSU-Papier dann doch: „In Bayern ist kein Platz für
religiösen Extremismus.“ Aber schon der folgende Satz macht klar, dass
damit nicht jeder religiöse Extremismus gemeint ist, sondern nur ein
bestimmter: „Wir sorgen auch weiterhin dafür, dass die salafistische Szene
scharf beobachtet wird. Der Schutz unserer Bevölkerung genießt oberste
Priorität. Gefährliche Aktivisten werden wir auch zukünftig in ihre
Herkunftsländer abschieben.“ Von der Rolle, die deutsche Konvertiten unter
hiesigen Salafisten und Dschihadisten spielen, hat man in Bayern offenbar
noch nie etwas gehört.
Dafür kann man sich gut vorstellen, wen die Verfasser im Sinn haben, wenn
sie von „Schutz unserer Bevölkerung“ schreiben. Denn die Bedrohung kommt in
diesem Papier von Außen: Salafisten, Asylmissbrauch, Armutsmigration.
Bayern hingegen ist eine Art Auenland, das es zu bewahren gilt: „Unsere
Geschichte und Tradition, unsere Kultur und unsere Werte haben eine
einzigartige, starke Identität geformt.“ Was genau damit gemeint ist,
bleibt offen, aber den Verfassern dürfte dabei das Gleiche durch den Kopf
gehen wie den meisten Lesern: Lederhose und Dirndl, Weißwurst und
Neuschwanstein, FC Bayern und Weizenbier.
Doch in Deutschland bedeutet Geschichte vor allem anderen eines: Auschwitz.
Es gibt keine deutsche und auch keine bayerische Geschichte ohne den
Holocaust. Wie sich die Neubürger dazu verhalten, wie sie mit der
moralischen Verpflichtung umgehen, dass sie auch ganz ohne jede familiäre
Verstrickung Verantwortung für diese Geschichte übernehmen müssen, ist noch
nicht ausgemacht. Sicher ist nur, von wem dazu auf absehbarer Zeit kein
ernstzunehmender Beitrag zu erwarten ist: von der CSU.
8 Dec 2014
## LINKS
[1] /!150807
[2] http://twitter.com/hashtag/YallaCSU?src=hash
[3] /!77241/
## AUTOREN
Deniz Yücel
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