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# taz.de -- CSU-Parteitag in Nürnberg: Es war einmal ein König
> Horst Seehofer will beim CSU-Parteitag kein Wort über seine Nachfolge
> hören. An seinem hehren Thron soll noch nicht gesägt werden. Ein Märchen.
Bild: Der Erbfolgekrieg wird vertagt: König Seehofer spricht zu seinem Volk.
MÜNCHEN taz | Es war einmal ein König namens Seehofer, der regierte in
einem Land, so schön, dass er es die „Vorstufe zum Paradies“ nannte. Es
ärgerte den König aber, dass immer nur die große Kaiserin Angela Merkel die
Hände der anderen großen Herrscher der Welt schütteln sollte. Sein
Bayernreich war schon mal bekannter gewesen in der Welt. Also reiste der
König nach China, um zu zeigen, dass auch er ein angesehener Gast ist in
der Ferne.
Und so will er auch Ende dieser Woche, beim großen Parteitag, besonders
viel davon reden, wie seine CSU es mit der Außenpolitik und Europa hält.
Sogar der europäische Kaiser, Jean-Claude Juncker, wird kommen und die
Veranstaltung mit weltpolitischem Glanz umgeben.
Auch an sein Volk denkt der weise König: Hatte er ihm doch versprochen, es
von der Last der kalten Progression zu befreien. Die CSU solle beschließen,
so sagte der König, dass die Steuer 2017 angepasst wird an die Inflation,
aber nur einmal.
Das musste der König betonen, denn einer seiner Ritter ist aus der Reihe
getanzt: Es ist Markus Söder, Herr der Finanzen. Ohne König Seehofer zu
konsultieren, hat er sich mit den Minnesängern im Land getroffen und ihnen
ein ganz anderes Lied gesungen – welches von einem Geldsegen handelte:
Jedes Jahr sollte die Steuer an die Inflation angepasst werden.
## Das ärgerte ihn sehr
Bald gingen wieder Gerüchte um, dass Söder ihm folgen wolle auf den Thron.
Beim großen Parteitag will König Seehofer davon aber nichts hören. Mit
erhobenem Finger hat er seine Gefolgsleute gewarnt: „Sprecht mir nicht von
der Nachfolge.“
Doch in den Reihen des Königs wird immer noch gewispert von der letzten
„Schmutzelei“ des Ritters Söder. Dass der immer wieder sägt an des Königs
Thron, das weiß mittlerweile jedes Kind im Land. Und kurz vor dem großen
Treffen in Nürnberg ist das Sägen wieder besonders laut zu vernehmen. Der
Ehrgeizling sprach mehrmals über Belange, von denen der König glaubte, sie
seien nur ihm vorbehalten. So forderte Söder einen „Konjunkturcheck für
alle Vorhaben der Regierung“. Und erschlug vor, Gelder aus dem Topf für
Flutopfer an all die Fremden zu geben, die seit einiger Zeit in das Land
des Königs strömten.
Söder melde sich „häufig zu Wort, mit Ideen, die nicht rückgesprochen
sind“, sagt einer, der ihn gut kennt. Dass er damit den König verärgert,
damit habe der kluge Ritter wohl gerechnet. Er überlege sich sehr gut, was
er sage und was nicht. Als König Seehofer die Vorschläge Söders in der Luft
zerfetzte und ihn nicht „verlässlich“ schimpfte, dachte der gewitzte Ritter
nach – und schwieg.
Das war ein weiser Schachzug, denn dafür fingen andere an zu reden in den
Reihen des Königs. In den Gängen des Parlaments hieß es, von einem König,
der fest auf seinem Thron sitze, würde man sich ein bisschen mehr
Souveränität wünschen im Umgang mit Söders Sticheleien. Da war es Zeit für
den König, „allen zu zeigen, wer der Boss ist“, so sagt es ein Gefolgsmann.
Eigentlich hatte Seehofer immer versichert, er wolle spätestens 2018
abdanken, doch jetzt drohte er öffentlich, das Zepter nicht aus der Hand zu
geben.
## Meint er das ernst?
An Söder gerichtet war es ein klares Signal, seinen übermäßigen Ehrgeiz zu
zügeln. Und es war auch ein bisschen absurd. Seehofers Strategie, die
Flüsterei um seine Nachfolge zu beenden, hatte das Thema unter den
Christsozialen ja selbst erst so interessant gemacht.
Innerhalb der CSU flüsterte man natürlich weiter und fragte: Meint der
König das ernst mit dem Weitermachen?
„Wir sind uns einig, dass da von Aufhören keine Rede ist“, heißt es von d…
einen Seite. „Auf keinen Fall. Seehofer will nicht den gleichen Fehler
machen wie Stoiber“, tönt es von der anderen. Als Edmund Stoiber von und zu
Laptop und Lederhosen auch nach 14 Jahren vom weiß-blauen Thron nicht
lassen wollte, wurde er heruntergeschubst.
Das führt zur zweiten großen Frage, über die niemand offen, hinter
vorgehaltener Hand aber so mancher spricht: Wer wird Seehofer schubsen? Ein
Blick auf die Thronanwärter, die bei der großen Plenarsitzung im
bayerischen Landtag versammelt sind, mag helfen: Links sitzt Ritter Söder
auf der Regierungsbank mit grimmiger Miene, rechts die stets lächelnde Maid
Ilse Aigner, Herrin über Windrad und Wirtschaft im Land.
## Majestätische Freundlichkeit
Als der König den Saal betritt und an Söder vorbeigeht, legt er ihm seine
großen Hände auf die Schulter, mit majestätischer Freundlichkeit drückt er
ihn nieder in den Stuhl. Aigner aber schenkt der Sonnenkönig ein breites
Strahlen. In seinem Licht will sie erblühen zur ersten Königin des Landes.
Zwei Thronfolger, zwei Wege zur Macht: Ritter Söder kämpft mit offenem
Visier, die Gunst des Königs hat er schon lange verloren, vor allen Augen
fordert er ihn zum Duell. Aigner dagegen sitzt artig auf des Königs Schoß
und wartet, bis er den Platz frei macht für sie. Zumindest in Südkorea
wurde sie kürzlich schon als „ständige Ministerpräsidentin des Freistaats
Bayern“ empfangen, zu Hause im Königreich wird über die Dummheit der
Fremden gelacht.
Während Söder als Herr der Finanzen brilliert, verstolpert Aigner die
Energiewende. Oft ist es der wankelmütige König selbst, der ihr Steine in
den Weg legt. Kann er sich doch nie recht entscheiden, ob Windkraft nun ein
Segen oder ein Fluch ist für das Königreich. Doch egal woher der königliche
Wind gerade weht, Aigner lächelt in die gleiche Richtung – flexibel, manche
sagen: profillos.
Selbst einige vom Stamm der Oberbayern, dessen Anführerin sie ist, sind
verstimmt, weil sie wichtige Entscheidungen im Alleingang traf. Söder
dagegen umzirzt das CSU-Volk geschickt. Vor allem die Jungen erliegen
seinem Charme. Viele kennen ihn noch aus seinen Zeiten als Vorsitzender der
Jungen Union. Es heißt, er mache ihnen Angebote, die sie nicht ablehnen
könnten, verteile schon Posten für die Zeit, wenn er König anstelle des
Königs ist.
Das CSU-Volk ist König Seehofer dankbar. Er hat sie befreit von einem
Unding, Koalition genannt, das beim Regieren nur stört. Seehofer hat die
gelben Nörgler aus dem Parlament gejagt und den Aufstand der roten Zwerge
bezwungen.
## Der Erbfolgekrieg rückt näher
Doch seit Söder wieder mit den Hufen scharrt, rückt der Erbfolgekrieg
näher. Langsam muss, wer noch etwas werden will im Land, sich entscheiden:
Auf welches Pferd setze ich?
Von diesem Kampf um die Krone soll der große König nichts mitbekommen,
liegt doch sein Bann auf dem Wort „Nachfolge“. Dabei hat der aufmüpfige
Söder gerade erst wieder geschmutzelt: Im Landtag zählte er die großen
Könige Bayerns auf: Strauß, Stoiber … Von Seehofer kein Wort. Nur von der
glorreichen Zukunft Bayerns sprach Söder, er meinte wohl seine eigene.
Offiziell will das niemand so verstehen innerhalb der getreuen Reihen des
Königs. Eine ganze halbe Stunde kann mancher darüber reden, dass wirklich
niemand über die Nachfolge rede.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann glauben sie das noch heute.
12 Dec 2014
## AUTOREN
Lisa Schnell
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